Seit Cass R. Sunstein und Richard H. Thaler ihr Buch „Nudge“ im Jahre 2008 auf den Markt gebracht haben, ist die Zahl der guten Menschen, die ihre guten Absichten dadurch demonstrieren wollen, dass sie andere Menschen, die nicht so klug sind, wie sie selbst, wie sie glauben, zu etwas „schubsen“ „nudgen“, was diese anderen Menschen nie getan hätten, wären sie nicht geschubst worden, in astronomische Höhen gewachsen – it’s a business.
So jedenfalls geht die Erzählung.
Eine Erzählung, die weitgehend falsch ist, denn wenn die Forschung in den letzten Jahren eines gezeigt hat, dann dass „Nudging“ sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass es nicht funktioniert.
Dr. habil. Heike Diefenbach hat den dahingehenden Forschungsstand für ScienceFiles umfassend aufgearbeitet:
Verhaltensveränderung, „nudging“, persuasive Technologie: Wissenschaft im Einsatz, um Sie zum „richtigen“ Verhalten zu bringen – Teil 1
- Verhaltensveränderung, „nudging“, persuasive Technologie: Wissenschaft im Einsatz, um Sie zum „richtigen“ Verhalten zu bringen – Teil 2
- Verhaltensveränderung, „nudging“, persuasive Technologie: Wissenschaft im Einsatz, um Sie zum „richtigen“ Verhalten zu bringen – Teil 3
- Verhaltensveränderung, „nudging“, persuasive Technologie: Wissenschaft im Einsatz, um Sie zum „richtigen“ Verhalten zu bringen – Teil 4
- Verhaltensveränderung, „nudging“, persuasive Technologie: Wissenschaft im Einsatz, um Sie zum „richtigen“ Verhalten zu bringen – Teil 5
- „Sie werden nichts wissen und glücklich sein“: Vom „nudging“ zur Unterschlagung von Informationen
Dessen ungeachtet hat sich unter denen, die so gerne andere bevormunden wollen, weil sie der Ansicht sind, alles, wirklich alles, besser zu wissen als andere, die Ansicht gehalten, sie seien in der Lage, die dummen Menschen, die ihre eigene Gesundheit nicht als oberstes Prinzip ansehen und deshalb nicht z.B. zur COVID-19 „Impfung“ gehen – entsprechend weit hinter dem von diesen Leuten als Standard gesetzten Glauben zurückbleiben -, auf den richtigen Weg zu führen und zum richtigen Ziel zu leiten.
Wenn man das so schreibt, wird schnell deutlich, dass diejenigen, die sich mit Nudgen beschäftigen, die gerne „nudgen“ oder „nudgen“ würden, in erster Linie gefährliche, fundamentalistische Leute sind, denn a) können sie nicht an ihren eigenen Überzeugungen zweifeln und b) können sie nicht nur nicht an ihren Überzeugungen zweifeln, sie sind so stur in ihrem Denken, dass sie ihre eigenen Überzeugungen als so unfehlbar ansehen, dass sie sie anderen zum Verhaltensmaßstab machen wollen – und das machen nur dumme, ideologisch verquaste und von sich selbst besoffene Leute…
Leute, die sich darüber wundern, dass der elektronische Hinweis von Ärzten, man möge sich doch das kostbare Nass, das als COVID-19 Impfstoff feilgeboten wird, bei denen, die ohnehin entschlossen waren, sich vermeintlich gegen COVID-19 spritzen zu lassen, wenig zusätzliche Bereitschaft produziert und ansonsten weitgehend wirkungslos geblieben ist:
Andere „Forscher“ haben sich darüber gewundert, dass auch der Hinweis, der Impfstoff gegen Influenza sei speziell für … [Name des Adressaten einsetzen] zurückgelegt worden, keinerlei Effekt auf das Verhalten: „Ich gehe und lasse mich gegen Influenza impfen“, hatte.
Schließlich haben Daly und Robinson darauf hingewiesen, dass Bedenken, die sich aus Nebenwirkungen der angeblichen Impfstoffe ergeben, einen Einfluss auf den Erfolg elektronischer Nudging-Versuche haben könnten:
Wer hätte es gedacht, dass es Faktoren jenseits einer eMail, die X auffordert, sich „impfen“ zu lassen, gibt, die das Verhalten, „impfen“ beeinflussen?
Ungetrübt von solchen Überlegungen haben sich Johansen et al. (2024) ans Werk gemacht, um das „Nudge-Potential“ unter 18 bis 64jährigen Dänen, die eine chronische Erkrankung mit sich herumtragen, zu erforschern.
Immerhin 299.881 Dänen, die eine chronischer Erkrankung aufweisen, die sie zu einer kostenlosen Influenza-Impfung qualifiziert, haben die Autoren in Dänemark gefunden und im Zeitraum vom 24. September 2023 bis 31. Mai 2024 mit eMails versorgt, die sie zum „Impfen“ animieren sollten.
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In der Kontrollgruppe, chronisch kranke Dänen, die nicht mit eMails genudged wurden, haben 27,9% bereitwillig eine Influenza-Impfung erduldet, also nicht einmal ein Drittel der chronisch Kranken. Die Zahl der bereitwilligen „Impfstoff-Empfänger“ wächst auf 41,8% unter denen, die mit zwei Aufforderungsschreiben, sich impfen zu lassen, Schreiben in denen die Vorzüge der mehr oder wenigere nutzlosen [unsere Wertung] Influenza-Impfung aufgezählt und Nebenwirkungen dem Beipackzettel überantwortet wurden, penetriert wurden. Unter denen, die mit einem Schreiben, in dem die Vorzüge, die eine Influenza-„Impfung“ zur Vorbeuge von Herz-Kreislauferkrankungen hat, beglückt wurden, fanden sich später 39,6% tatsächlich Geimpfter. Im Wesentlichen konnten also Unterschiede von 11,7 (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und 11,9 (wiederholte eMails) Prozentpunkten ausgewiesen werden, ein eher mageres Ergebnis, das noch dadurch verschlankt wird, dass diejenigen, die sich Johansen et al. als Zielgruppe ausgesucht haben, sicher zu denjenigen gehören, chronisch Kranke, unter denen man die höchste Anzahl von „Impfwilligen“ findet und unter denen man vor allem Leute findet, die durch eMails leicht zu alarmieren sind.
Womit einmal mehr das Ergebnis am Ende einer Nudging-Studie zu stehen scheint, das so oft am Ende steht: wenn man genau die Leute findet, die sich aufgrund vorhandener Merkmale, etwa chronischer Erkrankung, leicht verunsichern lassen oder die ohnehin zu denen gehören, die für ein Thema, hier ihre Gesundheit sensibilisiert sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein positives Ergebnis auf die eigenen Nudging-Anstrengungen zu erhalten, am höchsten.
Indes, welches Ergebnis am Ende einer solchen Nudge stehen würde, wenn im Brief nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Gefahren und Wirkungseinschränkungen und Nebenwirkungen einer Influenza-Wirkung ausführlich beschrieben würden, das ist eine offene Frage, die zurück zum Grundproblem des Nudgings führt. Ein ethisches Problem, denn die Nudger versuchen, durch die Anordnung von Information, die Betonung bestimmer Informationen, zuweilen auch die Auslassung bestimmter Informationen ihre Opfer von einer eigenständigen Urteilsbildung abzuhalten und zu einer vorgegebenen Urteilsbildung zu leiten.
Das macht nur, wer sich seiner eigenen Überzeugungen so sicher ist, dass er keinerlei Zweifel kennt.
Und solche Leute sind gefährlich, nicht nur für die Gesundheit anderer.
Es gibt aber natürlich auch überzeugende Nudges, z.B. die „Geh‘ einen anderen Weg“-Nudge:
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Author: Michael Klein
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