§ 129 Abs. 1 BetrVG gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, für die Durchführung von Sitzungen auf Video- und Telefonkonferenzen zurückzugreifen. Er ist hierzu aber nicht verpflichtet; dies unterliegt – im Rahmen der jeweils vor Ort geltenden Corona-Verordnungen – seinem freien Ermessen. Dem Arbeitgeber steht es nicht zu, Präsenzsitzungen zu verbieten. Dies stellt eine Störung und Behinderung der Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 78 Satz 1 BetrVG dar.
Steht bei der Sitzung eine Wahl an, scheidet eine Video- oder Telefonkonferenz aus. Die Möglichkeit der Briefwahl eröffnet das Gesetz nicht.
(Leitsätze der Verfasserin)
Arbeitsgericht Berlin, 07.10.2020 – 7 BVGa 12816/20
Das Arbeitsgericht Berlin hatte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber dem Konzernbetriebsrat (KBR) eine Präsenzsitzung untersagen und ihn auf eine Video- oder Telefonkonferenz gemäß § 129 Abs. 1 BetrVG verweisen kann.
Der Arbeitgeber hatte sich hierüber im Sommer 2020 bereits mit dem Gesamtbetriebsrat (GBR) auseinandergesetzt. Eine andere Kammer des Arbeitsgerichtes Berlin hatte seinerzeit noch den Gesundheitsschutz als höherwertig gegenüber der Organisationsgewalt des GBR angesehen und im Sinne des Arbeitgebers entschieden. Die daraufhin beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24.08.2020 – 12 TaBVGa 1015/20) eingelegte Beschwerde des GBR hatte jedoch Erfolg.
Gegen die heute besprochene Entscheidung des Arbeitsgerichtes Berlin vom 07.10.2020 hat wiederum der Arbeitgeber vergeblich Beschwerde eingelegt.
Der Arbeitgeber betreibt deutschlandweit Rehabilitationskliniken und hat sich auf ein von ihm verhängtes pandemiebedingtes Verbot klinikübergreifender Treffen, insbesondere zum Schutz der vielen von ihm betreuten Hochrisikopatienten berufen. Bei den fraglichen Sitzungen standen Wahlen an (stellvertretender Vorsitzender GBR bzw. Mitglied Konzernbetriebsratsausschuss). Nach Auffassung der Gerichte schied schon aus diesem Grund ein Abhalten der Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz aus. Die aufgrund der Corona-Pandemie geschaffene, befristete Sonderregelung des § 129 BetrVG beziehe sich nicht auf abzuhaltende Wahlen. Der Arbeitgeber wollte den Betriebsrat insoweit auf die Durchführung per Briefwahl verweisen. Dies ist nach Einschätzung der Gerichte aber im Gesetz nicht vorgesehen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG spricht von den „anwesenden Mitgliedern“) und daher unzulässig.
Damit hätte die konkrete Prüfung eigentlich beendet sein können, die Gerichte setzen sich aber darüber hinaus grundsätzlich mit der Frage von Präsenzsitzungen in Zeiten von Corona auseinander. Schon in seiner Entscheidung vom 24.08.2020 hat das LAG Berlin-Brandenburg ausdrücklich festgestellt, dass sich aus § 129 BetrVG kein Vorrang für Telefon- oder Videokonferenzen ergibt. Vielmehr wollte der Gesetzgeber eine zusätzliche Möglichkeit für die Arbeitnehmervertretungen und zudem Rechtssicherheit schaffen.
Während das LAG Berlin noch offen gelassen hatte, ob nicht im Einzelfall für besondere Situationen und Umstände eine Verpflichtung zur Durchführung der Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz angenommen werden könne, vertritt das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 07.10.2020 hierzu eine klare Position:
„Darüber hinaus begründet § 129 BetrVG nach Auffassung der erkennenden Kammer und entgegen der Auffassung beider Beteiligter für den Antragsteller kein pflichtgemäßes Ermessen, unter bestimmten Umständen von der Durchführung einer Präsenzsitzung abzusehen und stattdessen eine Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen. Vielmehr unterliegt dies seinem freien Ermessen.“ (Rn. 33)
Fazit:
Einige Arbeitgeber haben schon vor Einführung des § 129 BetrVG, erst recht aber danach, die Arbeitnehmervertretungen aufgefordert, ihre Sitzungen als Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten. Hintergrund scheint – neben berechtigten gesundheitlichen Bedenken – häufig zu sein, dass Kosten und Mühe für die Zurverfügungstellung eines geeigneten Raums und für Hygienemaßnahmen erspart werden sollen. Die vorliegenden Entscheidungen machen deutlich, dass jedenfalls kein Vorrang für Telefon- oder Videokonferenzen besteht und die Arbeitnehmervertretung über die Form der Sitzung in eigenem Ermessen entscheidet. Hierbei sind natürlich die geltenden Corona-Verordnungen zu beachten.
Steffi Dach
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