• 7. Dezember 2024

Kulturdenkmal: Mühlen- und Müllereiwesen in Deutschland

ByPressemitteilungen

Mai 26, 2015

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Kulturdenkmal: Mühlen- und Müllereiwesen in Deutschland

Die Meyer-Mühle in Papenburg (Ems) am Hauptkanal – Gedanken zu der Idylle

Pfingstmontag ist anerkannter Mühlentag und wurde von der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung ins Leben gerufen. Ziel des Deutschen Mühlentages ist es, zusammen mit dem Denkmalschutz die alte Kulturtechnik des Müllern wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zurückzubringen und die Mühlen als technisches Denkmal zu begreifen und zu erhalten. Der Stuttgarter Immobilienexperte und begeisterter Denkmalschützer Eric Mozanowski führt regelmäßig Seminar- und Weiterbildungsveranstaltungen in Stuttgart, Berlin, Leipzig und München durch. Veröffentlichungen der Diskussionsbeiträge durch Immobilienexperten Eric Mozanowski rundet die Tätigkeit zu aktuellen und geschichtlichen Themen rund um Immobilien, Denkmal und Kulturgüter ab. Um die Mühlenkultur in Deutschland ranken sich zahlreiche Geschichten, Lieder und bilden eine feste Verankerung und Prägung, die Geschicke ganzer Regionen und Zeitepochen entstanden rund um das Müllereiwesen. „Damit nichts verloren geht fand 1990 auf Initiative von Ansgar Vennemann, Sprecher des Arbeitskreises Mühlen im Osnabrücker Land (Niedersachsen), der Niedersächsische Mühlentag statt. 1994 wuchs die Aktion über die Landesgrenzen hinaus und der erste Deutsche Mühlentag war geboren. Bundesweit nehmen mittlerweile über 1000 Wind- und Wassermühlen für Besichtigungen und Führungen teil. Damit setzt das Müllereiwesen ein aktives Zeichen als funktionierendes technisches Denkmal“, so Eric Mozanowski einführend.

Geschichte und Kultur: Müllereiwesen – Das Getreide war das Hauptnahrungsmittel

Die Kartoffel als Nahrungsmittel kam erst viele Hundert Jahre später nach der Entdeckung Amerikas in die deutsche Küche. Die Leute ernährten sich hauptsächlich von Brot und Getreidebrei, und Mehl und Schrot dafür mahlte der Müller. Unbekannt war damals, das Mehl zu denaturieren, das heißt, vor dem Mahlen die Randschichten des Korns zu entfernen. „Diese Methode, nur den Mehlkörper zu mahlen, hat den Vorteil, dass das Mahlprodukt lange haltbar ist, aber den Nachteil, dass im Weißmehl wertvolle Inhaltsstoffe fehlen. Die waren im Vollkornmehl unserer Vorfahren enthalten. Dafür mussten sie Beschwernisse in Kauf nehmen: Die hoch ungesättigten Fettsäuren des vermahlenen Keimlings reagieren mit dem Sauerstoff, und das Mehl wird schnell ranzig. Man ließ also immer nur den Mehlvorrat für ein paar Tage mahlen. Das hieß: viele Mahlgänge – und viele Müller“, so der Stuttgarter Immobilienexperte.

Für die Versorgung der Bevölkerung war der Müller unersetzlich – Müllersein bedeutete unehrlich sein

Der Müller war so unersetzlich, dass er nicht in den Krieg ziehen musste. Genauer: Er durfte nicht, wie auch die Schäfer und Hirten nicht, die ihre Herden nicht allein lassen konnten. Die alte germanische Standeseinteilung war aber durch Waffenrecht und Waffenpflicht bedingt. Wer weder berechtigt noch verpflichtet war, im Heer zu kämpfen, der gehörte zu keinem anerkannten Stand, er war standeslos. Und weil es außer der Waffenehre keine andeutungsweise so wichtige Ehre gab, so war der Müller – nach altem Sprachgebrauch – unehrlich.

Die gesellschaftliche Niedrigstellung der „Ehrlosigkeit“ ging aber nicht so weit, dass etwa der Schwur des Müllers vor Gericht nichts galt. Aber er konnte nicht in die Ehrenämter der Gemeinde gewählt werden, keine achtbare Zunft oder Gilde nahm ihn auf. Und das Schlimmste: Er durfte keine „ehrbare Dirne“ ehelichen. Noch im Jahre 1686 drohten in Hamburg die Reepschläger (Seiler) einem ihrer Meister, der eine Müllerstochter zur Frau nehmen wollte, den Ausschluss aus ihrer Zunft an. Der Meister rief den Rat der Stadt an. Und der erkannte – ganz fortschrittlich – diesen Teil der Zunftsatzung als nicht rechtsverbindlich und ordnete die „Zulassung“ der Müllerstochter an.

Noch 1652 gab es im Herzogtum Braunschweig die Anweisung, den neu geborenen Müllerskindern die „Unehrlichkeit“ in den Taufschein einzutragen. Und nach wie vor galt in allen deutschen Landen die Bestimmung, dass die Müller den Unehrlichsten von allen behilflich sein mussten. Sie hatten dem Henker bei einer Hinrichtung die Galgenleitern zu stellen.

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ – immer und zu jeder Zeit!

Auch ein weiteres „Privileg“ stellte den Müller außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung: Für ihn galt weder das Feierabend- noch das Feiertagsgebot, denn seine Arbeit war wie keine andere abhängig von den Launen der Natur: „Der Müller ist ein adelig Kind. Es arbeiten für ihn Wasser und Wind.“ Nur wenn seine Mühle einer Kirche benachbart war, musste er während des Gottesdienstes die klappernde Mühle anhalten.

Wie kein anderer Beruf saß der Müller also in vielen Zwickmühlen. So war auch der „Mühlenfriede“ ein für ihn zweifelhaftes Privileg. Mühlenfriede bedeutete: Ein Übeltäter, der sich in eine Mühle geflüchtet hatte, durfte nicht mit Gewalt herausgeholt werden. Diese Bestimmung hatte einen ganz praktischen Grund: die Furcht, die Mühle könnte durch die Gewalthandlung Schaden nehmen. Wie der Müller aber mit dem Galgenvogel in seinem Haus zurechtkam, war seine Sache.

Zwickmühle: Mahlzwang – Mühlenzwang

Damit es auch vor der Mühle friedlich zuging, hatte schon der „Sachsenspiegel“ um 1230 bestimmt, dass alle Mahlgäste (die Müllerkunden) strikt nach der Reihenfolge des Ankommens bedient werden mussten: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ ist eine der wenigen mittelalterlichen Rechtsbestimmungen, die noch heute sprichwörtlich sind.

Diese gerechte Behandlung war vor allem deshalb wichtig, weil der „Mahlzwang“ den Bauern meist lange Wege aufnötigte. Im Zwang- und Bannrecht des Feudalismus konnte nicht jeder Müller nach Lust und Laune eine Mühle aufmachen. Der Lehnsherr vergab die Mühle als Privileg, und der „Mühlenzwang“ bestimmte, dass alle seine Untertanen ausschließlich in der landesherrlich privilegierten Mühle mahlen lassen mussten. Von jedem Scheffel Mehl forderte der Lehnsherr seinen Anteil. Für das Mahlen wurde entweder der Mahlgroschen bezahlt, in der Regel aber behielt der Müller eine bestimmte Menge Mehl ein, Molter, Malte oder auch Metze genannt. Davon lieferte er den größten Teil an den Landesherrn ab, einen Teil behielt er als Mahllohn für sich.

Eric Mozanwowski gibt zu bedenken, dass diese Regel, so einfach sie auch scheint, so verhängnisvoll war sie für den Ruf des Müllers. Jahrhundertelang galt der Müller als „der größte Dieb im ganzen Land“, weit vor den Webern und Schneidern, die auch im Verdacht standen, mit dem ihnen anvertrauten Garn und Tuch nicht ehrlich umzugehen. Denn Groll und Wut des Bauern, der mit seinem Korn zur Mühle ging und nach seiner Meinung immer mit zu wenig Mehl nach Hause kam, richteten sich nicht gegen den Landesherrn, der ihn eigentlich schröpfte, sondern gegen den Müller, von dem er sich übervorteilt fühlte.

Reputationsschaden des Müllers durch Misstrauen und Neid?

„Was nun schwerer wog, das Misstrauen der Bauern oder die Neigung des Müllers, zu ernten, wo er nicht gesät hatte, der Leumund des Müllers war unwiderruflich dahin. Das machte es ihm vollends unmöglich, den Makel seines Standes loszuwerden. Den schlechten Ruf, ein Dieb zu sein, teilte er mit Berufsgenossen in anderen Ländern“, erläutert Eric Mozanowski die geschichtliche Vergangenheit.

„Auch die Tatsache, dass Störche nicht auf Mühlen nisten – wer kann es den klugen Vögeln verdenken, dass sie Gebäude meiden, die noch lauter klappern als sie, und das Tag und Nacht -, wurde den Müllern angelastet: „Die Störche haben Angst, dass der Müller ihnen die Eier stiehlt.“ Aufschlussreich ist ein Dialog zwischen Bauer und Müller im „Ambraser Liederbuch“ aus dem Jahr 1582: Bauer: „Müller, hast mir das Mehl bereit? Du hast mirs halb gestohlen, gestohlen.“ Müller: „Du lügst, du lügst, du grober Bauer! Es ist in der Mühlen verstoben, verstoben!“, so Eric Mozanowski.

Reputationsmanagement zum Eigenschutz der Müller

Das natürliche Phänomen, das man heute „Schwund“ nennt, machte auch den ehrlichen Müllern zu schaffen, und für den Bauern, der Korn und Mehl eins zu eins umrechnete, war es vollends unerklärlich, da er den für ihn komplexen Mühlbetrieb nicht durchschaute. Dass der Müller aber den Schwund zu seinen Gunsten vermehren konnte, den Verdacht hatten alle Bauern – manchmal wohl auch zu Recht.

Um den Müller vor sich selbst zu schützen und den Unmut der Bauern zu sänftigen, war den Müllern an vielen Orten verboten, Hühner zu halten oder Schweine zu mästen, oder die Anzahl der Tiere wurde begrenzt. Denn davon waren alle überzeugt: „Der Müller hat die fettesten Schwein, die im ganzen Lande sein.“

Sagen rund um „Teufelsmühlen“ und bürgerlich-romantischer Poesie

Doch der heillos schlechte Ruf des Müllers ließ sich noch steigern: Es gab Mühlen, die zusätzlich ein Schankprivileg bekamen. Eric Mozanowski führt dazu aus, dass das vielen Müllern von ihren Lehnsherren wohl eher aufgedrängt worden ist, der sicheren Einnahmen für den Herrn wegen. Im Gefolge des Alkoholausschanks gab es, teils gemunkelt, teils verbürgt, in den oft abgelegenen Mühlen auch eine Mühlenprostitution. So konnte es wohl geschehen, dass ein Bauer nicht nur mit zu wenig, sondern gänzlich ohne Mehl nach Hause kam, weil er es auf die eine oder andere Weise verlustiert hatte.

Ob Schutzbehauptung der Mahlgäste oder erfunden von doppelt betrogenen Bauersfrauen, immer öfter war die Rede von „Teufelsmühlen“, die in Sagen fortleben. Dass immer mal wieder eine Mühle durch damals unerklärliche Mehlstaubexplosionen in Schutt und Asche gelegt wurde, trug dazu bei, solche Unglücke entweder als Werk Beelzebubs oder als Zorn des Gerechten zu deuten.

Im Licht der Aufklärung tritt endlich auch der Müller aus seiner in der Regel unverschuldeten Unehrlichkeit. Der „Müller Arnold“ von Sanssouci darf sich in einer Anekdote sogar mit dem Alten Fritz anlegen. Vor allen in den Städten entstehen dann auch hoch achtbare Müllerzünfte. In der Romantik schließlich wandelt sich das Müllerleben zur Idylle. Joseph von Eichendorff macht den Müllerburschen zum Sinnbild unbeschwerten Wanderlebens („Aus dem Leben eines Taugenichts“). Und im Gedichtzyklus „Die schöne Müllerin“ von Wilhelm Müller, vertont von Franz Schubert, ist die doppelte Unehrlichkeit, die dem Müller anhing, in weite Ferne gerückt. Eichendorffs Verse „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad“ sind die Verdichtung bürgerlich-romantischer Poesie schlechthin. Sein Mühlenlied wurde 27 Mal vertont.

„Der politische Kampf des Bürgertums und der technologische Fortschritt bringen dann endgültig das Ende der so genannten „Müllerfreiheit“. Mit der Verfassung des Deutschen Reiches 1871 fallen die letzten Bann- und Zwangsrechte. Die großen Dampfmühlen brauchen keine rauschenden Bäche mehr und keinen launischen Wind. Die Müller suchen sich andere Berufe, nur die Namen bleiben“, so Eric Mozanowski abschließend zum Geschichtsausflug des Müllereiwesens.

V.i.S.d.P.:

Eric Mozanowski
Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich

Eric Mozanowski führte in Berlin / Leipzig sowie Stuttgart im Rahmen von Seminarveranstaltungen die Vortragsreihe zum Themengebiet Denkmalschutz in Deutschland fort. Wichtige Wissensmodule werden auf Wunsch auch im Internet veröffentlicht. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Geschichte von Denkmalimmobilien und der Wandel in die heutige Zeit mit den gegebenen Veränderungen und Ansprüchen, die Modernisierung und Sanierung von Denkmalimmobilien mit sich bringen. Weitere Informationen unter: www.immobilien-news-24.org

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