Von Kai Rebmann
Kandidaten für die Wahl zu ehrenamtlichen Richtern dürfen nicht pauschal deshalb abgelehnt werden, weil sie von der AfD vorgeschlagen werden. Genau das hatte der Kreistag Heilbronn mit den Stimmen der Altparteien aber getan und sich dafür vor Gericht jetzt eine blutige Nase eingehandelt. Ein solches Verhalten sei „offenkundig willkürlich“ und deshalb nicht rechtmäßig, so das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss.
Geklagt hatte ein Mitglied der AfD-Kreistagsfraktion, dessen Name von der Vorschlagsliste gestrichen worden war, nicht etwa die Fraktion selbst – ein Detail, das im vorliegenden Fall von wohl entscheidender Bedeutung gewesen ist, wie wir noch sehen werden. Die Nichtberücksichtigung erfolgte offenbar ausschließlich deshalb, weil der Kandidat von der AfD vorgeschlagen worden war. Eine Prüfung der persönlichen Eignung hat ausdrücklich nicht stattgefunden, wie der Kreistag selbst einräumen musste.
Dennis Klecker, Landtagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender der AfD im Kreistag Heilbronn, bezeichnete den Beschluss aus Stuttgart in einer Pressemitteilung als „Sieg für den Rechtsstaat, der maßgebend sein wird“. Der Zugang zu öffentlichen Ämtern steht laut Grundgesetz allen Deutschen offen. Für Klecker ist es „traurig“, dass diese Selbstverständlichkeit einmal mehr erst wieder gerichtlich festgestellt werden musste. „Wer Grundrechte mit Geschäftsordnungsanträgen aushebelt, der sollte seine eigene persönliche Eignung für ein politisches oder kommunales Amt hinterfragen“, so der AfD-Mann an die Adresse seiner Kollegen von CDU, Freien Wählern, SPD, Grünen, FDP und Linken im Heilbronner Kreistag.
Gerichte über Umgang mit AfD uneins
Pauschale Ablehnung von AfD-Kandidaten? War da nicht was und kommt uns das nicht bekannt vor? Seit Jahren fallen Kandidaten der Blauen regelmäßig durch, wenn es um die Besetzung von Posten und Ämtern geht, die der Partei bzw. deren Fraktionen eigentlich zustehen. So zum Beispiel immer wieder bei den Wahlen der Vorsitzenden von Ausschüssen in Bundes- und Landtagen oder der Aufnahme in die Präsidien dieser Häuser – und auch da nur deshalb, weil sie eben von der AfD vorgeschlagen werden.
Doch im Gegensatz zum aktuellen Fall aus Heilbronn beanstandeten Gerichte diese unter den Altparteien schon bestens eingeübte Praxis bisher nicht als „offenkundig willkürlich“. Erst im Frühjahr wurde der AfD nach der Bundestagswahl einmal mehr die Besetzung des Amtes eines Vizepräsidenten im Bundestag verweigert. Das Bundesverwaltungsgericht entschied dazu: „Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Deutschen Bundestages, die […] Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter und Stellvertreterinnen mit prozeduralen Vorkehrungen zu versehen, um ein Wahlergebnis zugunsten der Antragstellerin zu fördern, besteht nicht.“
Heißt: Die AfD-Fraktion hat zwar einen Anspruch auf bestimmte Ämter, hier das des Bundestagsvizepräsidenten, kann diesen jedoch nicht gerichtlich durchsetzen. Dieses Recht besteht demnach ausschließlich „unter dem Vorbehalt der Wahl“, was den politischen Mitbewerbern der AfD auch in Zukunft alle Möglichkeiten für sämtliche „Spielereien mit der Geschäftsordnung gegen ordnungsgemäße Vorschläge der AfD“ an die Hand gibt, wie es Dennis Klecker auf seinen eigenen Fall gemünzt kritisierte.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Heilbronn und der großen politischen Bühne in den Bundes- und Landtagen dieser Republik liegt auch darin, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart der Klage eines einzelnen AfD-Kandidaten entsprochen hat. Eine gleichlautende Klage der AfD-Fraktion des Kreistags von Heilbronn wurde zurückgewiesen, da der Zugang zu öffentlichen Ämtern zwar einzelnen Personen zustehe, nicht aber Fraktionen – während es bei der Besetzung von Posten und Ämtern in den Parlamenten genau umgekehrt ist!
Insofern wird es wohl abzuwarten bleiben, ob der Richterspruch aus Stuttgart für den Umgang mit der AfD tatsächlich „maßgebend“ sein wird. Oder die anderen Parteien ihre ganz eigenen Lehren daraus ziehen und sich – aus ihrer Sicht betrachtet – einfach „cleverer“ anstellen werden, wenn es um Zensur und Willkür unter dem Vorwand des Schutzes „unserer Demokratie“ geht. Ein Beispiel, wie so etwas im besten Deutschland aller Zeiten funktionieren kann, lieferte erst vor wenigen Wochen die Verhinderung eines Oberbürgermeister-Kandidaten der AfD in Ludwigshafen.
Real-Satire pur: Von der Leyen lobt Freiheit – und vor ihren Augen nimmt Polizei Kritiker fest
EXKLUSIV: Staatsanwaltschaft leugnet Tod einer 17-Jährigen – Regierung muss Verfahren einräumen
So wird Demokratie zur Farce: Gericht stoppt AfD-Kandidat, sichert SPD-Sieg und entmündigt Wähler
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Shutterstock.com
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de
Treffen mit „falschen“ Leuten? AfD-Kandidat von OB-Wahl in Ludwigshafen ausgeschlossen
Als Grundlage reicht eine entsprechende Empfehlung des Innenministeriums. Die Medien begleiten das Schauspiel mit einem Phrasen-Feuerwerk – und lassen zentrale Fragen unbeantwortet bzw. stellen diese gar nicht erst. Von Kai Rebmann.
Medienanstalt verbietet AfD-Wahlwerbung für Jugendliche unter 16
Ein Clip warnt vor Überfremdung und steigender Kriminalität. Genau davor also, was vielerorts längst Realität ist. Um Begriffe wie „Zensur“ oder „Verbot“ zu vermeiden, wird tief in die rhetorische Trickkiste gegriffen. Von Kai Rebmann.
Nach Dachdecker-Anzeige von Sebnitz: Verlag feuert Mitarbeiter
Ein paar unbedacht gewählte Worte setzen die altbekannten Mechanismen in Gang. Jetzt wurde der „zuständige“ Drucker entlassen – und als Bauernopfer abgestempelt. Der Fall lässt tief blicken und legt die Doppelmoral einer ganzen Blase offen. Von Kai Rebmann.
Justiz dreht frei: Gefängnis und Geldstrafe wegen einer Frage
Die einen dürfen es laut sagen, andere dürfen es nicht einmal mehr zitieren – in einer Frage. Sobald es um die ominösen drei Wörter geht, hebeln deutsche Gerichte elementare Rechtsgrundsätze aus und schießen mit Kanonen auf Spatzen. Von Kai Rebmann.
Gewerkschaft fordert „systematische Meldeverfahren“ für Lehrer mit AfD-Parteibuch
Darf an deutschen Schulen nur noch unterrichten, wer die „richtige“ Haltung hat? So lassen sich die Aussagen einer ranghohen Funktionärin interpretieren. Die Frau sorgt sich angeblich um die Demokratie, zeigt sich dabei aber auf einem Auge blind. Von Kai Rebmann.