Autor: RA Stefan Bell, Fachanwalt für Arbeitsrecht
in der Kanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf
1. Wird das Kündigungsschreiben in den Briefkasten zu einer Tageszeit eingeworfen, bei der eine Briefkastennachschau verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten ist, geht die Kündigungserklärung erst am nächsten Werktag zu.
2. Eine Briefkastennachschau an einem Sonntag ist, selbst wenn am Wochenende sog. Wochenblätter verteilt werden sollten, verkehrsüblich nicht zu erwarten. Der Einwurf von Wochenblättern ist nicht mit dem Zugang von Briefsendungen gleichzusetzen.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13.10.2015, – 2 Sa 149/15
Die Klägerin war bei ihrem Arbeitgeber, der Beklagten, seit dem 01.09.2014 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom selben Tag als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte beschäftigt. Gemäß § 1 Ziffer 2. Satz 1 des Arbeitsvertrages gelten die ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit.
Mit Schreiben vom 30.11.2014 (Sonntag) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 15.12.2014, hilfsweise zum 31.12.2014. Strittig ist, wann das Kündigungsschreiben zugegangen ist.
Gegen die Kündigung hat die Klägerin sich mit Klage vom 19.12.2014 gewehrt. Sie hat vorgetragen, sie habe die Kündigung am 03.12.2014 erhalten. Die Kündigung könne das Arbeitsverhältnis frühestens mit Ablauf des 31.12.2014 beenden.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigungserklärung sei der Klägerin am 30.11.2014 durch eine Zeugin gegen 9:30 Uhr in den Hausbriefkasten an der Hausanschrift der Klägerin eingeworfen worden. Damit sei die Kündigung am 30.11.2014 zugegangen, da Kündigungen auch an einem Sonntag zugehen können und insoweit § 193 BGB unanwendbar sei.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 15.12.2014 hinaus bis zum 31.12.2014 fortbestanden hat und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Die Angriffe der Berufung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Kündigung innerhalb der bis zum 30.11.2014 vereinbarten Probezeit, § 622 Abs. 3 BGB, mit Ablauf des 15.12.2014 beendet worden. Vielmehr endete sie durch ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.12.2014, § 622 Abs. 1 BGB.
Die Kündigung ist der Klägerin erst am folgenden Montag, 01.12.2014, jedenfalls aber am 03.12.2014 zugegangen. Damit wird die Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende, 31.12.2014, eingehalten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob das Kündigungsschreiben bereits am 30.11.2014 im Hausbriefkasten der Klägerin lag. Denn am 30.11.2014, einem Sonntag, musste die Klägerin nicht mit dem Zugang von Postzustellungen rechnen.
Die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet ihre Wirkung erst mit Zugang beim Empfänger, d.h. der Klägerin, § 130 Abs. 1 BGB. Zugegangen ist die Kündigungserklärung, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser sich unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann und wenn die Kenntnisnahme nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von ihm erwartet werden muss (statt vieler: LAG München vom 17.12.2002 – 6 Sa 197/02 – juris). Wird das Kündigungsschreiben in den Briefkasten zu einer Tageszeit eingeworfen, bei der eine Briefkastennachschau verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten ist, geht die Kündigungserklärung erst am nächsten Werktag zu.
Eine Briefkastennachschau an einem Sonntag ist, selbst wenn am Wochenende sog. Wochenblätter verteilt werden sollten, verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten. Der Einwurf von Wochenblättern ist nicht mit dem Zugang von Briefsendungen gleichzusetzen.
Fazit:
Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, ihre Briefkästen rund um die Uhr zu überwachen, nicht einmal dann, wenn sie mit einem Brief des Arbeitgebers rechnen müssen. Es ist dessen Pflicht und Risiko, wichtige Schriftstücke wie z.B. Kündigungsschreiben rechtzeitig zuzustellen. An Sonn- und Feiertagen braucht der Briefkasten überhaupt nicht auf Posteingang kontrolliert zu werden, an Werktagen nicht nach der Zeit, zu der gewöhnlich die Post vom Zusteller (Briefträger) eingeworfen wird. Das gilt auch für sog. Einwurfeinschreiben. Übergabe-Einschreiben, über die nur der Benachrichtigungszettel im Briefkasten landet, weil niemand das Einschreiben entgegennehmen konnte, gelten erst mit Abholung vom Postamt als zugestellt. Eine Pflicht, nicht zugestellte Übergabeeinschreiben vom Postamt abzuholen, besteht allerdings in der Regel nicht.
Autor und zuständig für Rückfragen: RA Stefan Bell, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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