Öl- und Gas-Lieferungen, Steuerung der Migration und Sanktionen gegen Russland: Das sind nur einige Themen, um die es bei der ersten Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz in die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens geht. Der SPD-Politiker startet am frühen Morgen mit seinem Regierungsflieger zunächst nach Usbekistan, um dort mehrere Abkommen zu schließen, darunter eins zur Migration mit dem an Afghanistan grenzenden Land.
Am Montag geht es dann für zwei Tage nach Kasachstan, in das größte und wirtschaftsstärkste Land Zentralasiens. Dort ist ein Gipfeltreffen mit allen fünf Staaten der zwischen Russland und China gelegenen Region geplant, zu denen auch noch Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikistan zählen. Scholz will die Beziehungen zu diesen Ländern ausweiten und hat dazu vor einem Jahr in Berlin mit ihnen bereits eine strategische Partnerschaft mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Energie, Klima und Umwelt vereinbart. Diese soll nun mit Leben gefüllt werden.
So groß wie die EU – aber nur 80 Millionen Einwohner
Die fünf zentralasiatischen Staaten haben zusammen knapp 80 Millionen Einwohner und damit etwas weniger als Deutschland. Ihre Fläche ist aber elfmal so groß wie Deutschland und entspricht ungefähr dem Gebiet der gesamten Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten. Lange Zeit stand die Region aus deutscher Sicht im Schatten der beiden Großmächte China und Russland, auf die sich das Interesse der deutschen Wirtschaft konzentrierte.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat das geändert. Russland fällt als lange Zeit wichtigster Energielieferant Deutschlands aus. Und die wirtschaftliche Abhängigkeit von China soll vor allem wegen der schlechten Erfahrungen mit Russland nun ebenfalls verringert werden. Die Bundesregierung will deswegen in Afrika, Lateinamerika und Asien bestehende Partnerschaften zu weniger wirtschaftsstarken Ländern vertiefen und neue Partner finden.
Rohstoffreichtum und Menschenrechtsverletzungen
In den zentralasiatischen Staaten sind die Rohstoffvorkommen für Deutschland besonders interessant. So versorgt Kasachstan als wirtschaftsstärkstes Land der Region jetzt schon die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mit Öl und gleicht die Kappung der russischen Lieferungen aus. Die Bundesregierung ist zudem an den Gasvorkommen in der Region interessiert. Kasachstan verfügt aber auch über Uran, Eisenerz, Zink, Kupfer oder Gold und gilt als potenzieller Partner für die Produktion von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Die autoritär geführten Staaten der Region stehen allerdings wegen Menschenrechtsverstößen international in der Kritik. Das gasreiche Turkmenistan etwa gilt als eine abgeschottete Diktatur ähnlich wie Nordkorea. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte Scholz vor der Reise auf, Missstände offen anzusprechen. «Die Bundesregierung kann nicht so tun, als seien engere Beziehungen zu Zentralasien ohne eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region möglich», sagte Regionaldirektor Hugh Williamson.
Scholz will Umgehung von Sanktionen «angemessen ansprechen»
Für die zentralasiatischen Staaten ist die Intensivierung der Beziehungen mit dem Westen ein Spagat. Einerseits sind sie wirtschaftlich eng mit Russland verflochten. Andererseits betonen sie, dass sie das Sanktionsregime der westlichen Staaten gegen Russland unterstützen. Wie ernst es zum Beispiel Kasachstan damit meint, ist aber fraglich.
Exporte von dort nach Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine teils deutlich angestiegen. Das nährt den Verdacht, dass Unternehmen westlicher Staaten gezielt versuchen, Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf dem Umweg über diese Länder zu umgehen. Kasachstan hat eine 7.000 Kilometer lange Grenze zu Russland – die längste Landgrenze der Welt. Aus dem Umfeld des Kanzlers heißt es, Scholz sei darauf vorbereitet, die Umgehung von Sanktionen bei seiner Reise «angemessen anzusprechen».
Moschee-Besuch in Samarkand zum Auftakt
Die erste Station ist auch ein kulturelles Highlight: Der Kanzler wird am Nachmittag in der mehr als 2.500 Jahre alten usbekischen Oasenstadt Samarkand an der Seidenstraße eintreffen, die auch «Perle des Orients» genannt wird. Seine ersten Programmpunkte sind ein Gang über den Registan, einen der prächtigsten Plätze Asiens, und ein Besuch der Tilla-Kori-Moschee aus dem 17. Jahrhundert.
Mit dem usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew will Scholz mehrere Abkommen schließen, darunter das Migrationsabkommen, dass die Einwanderung von usbekischen Fachkräften nach Deutschland und die Rückführung von ausreisepflichtigen Usbeken in ihr Heimatland erleichtern soll. Usbekistan gilt auch als eins der Länder, das bei der Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan helfen könnte. Es sei aber noch unklar, «ob und mit welchem Zeithorizont sich das praktisch materialisiert», heißt es aus Regierungskreisen.
Auch Putin war kürzlich in Usbekistan
Das Land mit seinen gut 36 Millionen Einwohnern öffnet sich seit Jahren stärker dem Westen. Unter Präsident Mirsijojew hat es eine Vielzahl liberaler Reformen durchgezogen, Teile seiner Staatswirtschaft privatisiert und so auch Investoren angelockt. Allein in diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent erwartet – auch dank der engen Handelsbeziehungen zu China und Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin hat Usbekistan erst im Mai besucht und Investitionen angekündigt, bei denen Scholz kaum mithalten kann: Er sagte Hilfe für den Ausbau einer Gas-Pipeline und die Errichtung mehrerer Wasser- und Atomkraftwerke zu.
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