• 15. November 2024

Weitergabe von Prozessunterlagen an die Nachbarn stellt keinen Kündigungsgrund dar

ByPressemitteilungen

Jul 13, 2015

Ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Amtsgerichts München vom 21.5.14, Aktenzeichen 452 C 2908/14.

Ausgangslage:

Wohnungskündigungen sind Gang und Gebe in Zeiten steigender Mieten, Vermieter können anschließend den Wohnraum an neue Mieter teurer vermieten. Aus dem Mietverhältnis ergeben sich für den Mieter abgesehen von der Mietzahlung auch einige Nebenpflichten. Außerdem muss bei dem Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis auch ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen. Die Verletzung von Nebenpflichten aber auch die Beschädigung des Vertrauensverhältnisses kann grundsätzlich eine Kündigung des Mietverhältnisses begründen. Eine Kündigung kommt in solchen Fällen aber nur für besonders schwere Verstöße in Betracht, da auch das Rechts des Mieters an der Wohnung unter dem Schutz des Grundgesetzes steht.

Der Fall:

Im vorliegenden Fall hatten die Mieter festgestellt, dass ihre Wohnung um 10% kleiner war, als sie laut Mietvertrag sein sollte. Eine solche Abweichung begründet ein dauerhaftes Mietminderungsrecht. Mit einer Klage auf Zahlung des nicht unerheblichen Differenzbetrages hatten die Mieter Erfolg. Im Rahmen des Prozesses wurde auch ein Sachverständigengutachten über die tatsächliche Wohnfläche eingeholt. Die Mieterin gab dann die entsprechenden Prozessunterlagen an ihre ehemaligen Nachbarn weiter. Diese wiederum verklagten den Vermieter ebenfalls erfolgreich auf insgesamt 15.000 € zu viel gezahlter Miete wegen Abweichungen bei der Wohnfläche.
In der Folge sprach der Vermieter eine außerordentliche und fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aus. Seiner Ansicht nach sei dadurch das Vertrauensverhältnis zerstört. Die beklagten Mieter hätten an die vormaligen Mieter vertrauliche Prozessunterlagen aus einem Verfahren zwischen den Parteien wegen der Wohnflächenabweichung an die Vormieter weitergegeben. Diese hätten erst durch die Weitergabe der Unterlagen von der Flächenabweichung erfahren und nur deshalb ihre Ansprüche erfolgreich geltend machen können. Der Vermieter argumentierte, dass das Verhalten der Mieter allein darauf gerichtet sei, ihm Schaden zuzufügen. Die Mieter räumten nicht, der Vermieter erhob Räumungsklage.

Das Urteil:

Die Räumungsklage wurde vom Amtsgericht München abgewiesen. Nach Meinung des Gerichts lag keine Pflichtverletzung der Mieter vor. Weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung sei gerechtfertigt. Es liege weder ein wichtiger Grund vor, noch ein berechtigtes Interesse des Vermieters, noch eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Mieter. Die Weitergabe der Prozessunterlagen einschließlich des Gutachtens und der sonstigen Beweismittel an die Vormieter, damit diese ihre – offenbar berechtigten – Ansprüche gegen die Vermieterin durchsetzen können, stelle keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar. Die Vormieter hätten ein Recht zur Akteneinsicht nach § 299 ZPO gehabt, da sie ein rechtliches Interesse daran besäßen, nämlich die Unterlagen in ihrem eigenen Prozess zu verwenden.

Bewertung:

Das Gericht sieht in dem Verhalten schon keine Pflichtverletzung der Mieter. Das kann man möglicherweise auch anders sehen. Ganz klar aber dürfte sein, dass es sich jedenfalls nicht um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass diese eine Kündigung begründen könnte. Trotzdem sollten Mieter immer sehr vorsichtig sein, wenn ihre Handlungen dem Vermieter möglicherweise Schaden zufügen. Das gilt grundsätzlich auch für Berechtigte anzeigen bei Strafverfolgungs- oder sonstigen Behörden. Auch das Aufhetzen anderer Mieter gegen den Vermieter kann im Extremfall gefährlich für den Bestand des Mietverhältnisses werden. Man darf auch nie vergessen, dass selbst bei einem letztlich obsiegenden Urteil der Mieter ein Räumungsprozess und die Ungewissheit über den Verbleib in der Wohnung immer eine hohe Belastung darstellen.

Quelle:

Urteil des Amtsgerichts München vom 21.5.14, Aktenzeichen 452 C 2908/14

Fachanwaltstipp Mieter:

Hier wäre auch die Mitteilung des Aktenzeichens an die ehemaligen Nachbarn ausreichend gewesen. Diese hätten dann über einen Rechtsanwalt das Urteil nebst der Entscheidungsgründe vom Amtsgericht anfordern können. Dies hätte unproblematisch zur Geltendmachung der Ansprüche ausgereicht. Ich empfehle Mietern immer eher einen defensiven Umgang. Dies umso mehr in Zeiten, wo zunehmender Missbrauch mit dem Instrument der Eigenbedarfskündigung betrieben wird.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Vermieter neigen in der Hitze des Gefechts häufig zu Kurzschlussreaktionen. Eine Kündigung ist schnell ausgesprochen. Die meisten Mieter lassen sich heute aber rechtlich beraten. Man muss daher immer auch einen möglichen Räumungsprozess im Auge haben. Wer mit fraglichen Kündigungen in einen solchen Streit geht, muss am Ende zumindest mit relativ hohen Kosten rechnen.

7.7.2015

Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

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