Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Der Hype um den verurteilten Volksverhetzer Liebich ist etwas abgeflaut. Zeit für eine nüchterne Betrachtung.
Der Aktivist Liebig, mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt, ließ sich jüngst offiziell als Frau eintragen – nicht etwa, weil er sich dafür hält, sondern um das neue Selbstbestimmungsgesetz ad absurdum zu führen. Öffentlich trat er teils in Frauenkleidern auf und erklärte, er wolle damit zeigen, dass jeder Mann sich mit einem Gang zum Amt Zugang zu Frauenräumen oder -rechten verschaffen könne. Wegen seiner früheren Verurteilungen droht ihm eine Haftstrafe, zugleich aber löste seine Aktion die erste ernsthafte Debatte über möglichen Missbrauch des Gesetzes aus.
Liebich hat ein aus einem ideologischen Exzess entstandenes Gesetz als so absurd und gefährlich entlarvt, wie es ist, indem er es benutzte. Damit hat er erreicht, was alle Kritiker nicht geschafft haben. Das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz sieht vor, dass jeder Mann und jede Frau ihr Geschlecht mit einer einfachen Ansage vor dem Standesamt ändern kann – und das jedes Jahr. Der Bevölkerung werden drastische Strafen bis zu 10.000 € angedroht, wenn die Person, die eben ihr Geschlecht geändert hat, mit ihrem wirklichen Geschlecht angesprochen wird. So wird die Bevölkerung kriminalisiert, nur weil sie biologische Tatsachen exakt benennt. Sie wird also per Gesetz zum Lügen verpflichtet. Wehe dem, der den jährlichen Geschlechtswechsel nicht rechtzeitig mitkriegt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Liebich hat nur getan, was ihm per Gesetz ermöglicht wurde. Dabei hat er sogar Zugeständnisse gemacht, indem er sich als Frau verkleidete. Das wäre nicht nötig gewesen. Meines Wissens enthält das Gesetz keine Bestimmung, dass man Frauenkleider anlegen muss, wenn man sich als Frau ausgibt.
Da ist Möchtegern-Totschlägerin Maja in Ungarn konsequenter. Sie sieht immer noch aus wie ein Jüngling, der er nicht mehr sein will. Ob Maja zugemutet werden wird, ihre zu erwartende Strafe, die bis zu 24 Jahre betragen kann, in einem Männergefängnis zuzubringen, ist meines Wissens noch nicht diskutiert worden, aber den Ungarn wäre das zuzutrauen. Auch Maja hat ihr Geschlecht nach der Straftat, die Simon begangen hat – indem er als Mitglied der „Hammerbande“ in Budapest angebliche ungarische Neonazis zusammendrosch und lebensgefährlich verletzte – einfach ihr Geschlecht geändert. Die Gefängniszelle des Hammerbanden-Mitglieds ist inzwischen zur Pilgerstätte von Politikern geworden, und in den Medien wird eifrig über die Antifaschist*in berichtet. Sogar ein Unterstützungskomitee gibt es, dem zahlreiche Politik- und Kulturschaffende angehören.
Das wird Liebich nicht passieren. Während es bei Maja nicht als Problem angesehen wurde, dass sie versucht hat, durch Geschlechterwechsel das Verbrechen, für das die Person jetzt vor Gericht steht, zu verharmlosen, ist bei Liebich das Gegenteil der Fall. Sogar unser Innenminister hat sich geäußert: „Das ist ein Beispiel für den sehr simplen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes.“ Er musste allerdings hinzusetzen, dass davor immer gewarnt wurde.
Allerdings wurden alle Kritiker nach inzwischen gewohnter Manier als „rechts“ oder transphob diffamiert. Man wollte nicht hören, dass dieses Gesetz missbraucht werden könnte, indem sich Männer in Frauen-Umkleideräume, Frauen-Saunen, ja sogar Frauenschutzhäuser Zutritt verschaffen könnten. Um die beunruhigte Bevölkerung zu beruhigen, wurde gelogen, dass sich die Balken biegen. Es gelte das Hausrecht, also sei es nicht möglich, sich zu Frauensaunen Zutritt zu verschaffen. Der Ampel-Queer-Beauftragte Sven Lehmann relativierte diese Aussage eines FDP-Politikers sofort, indem er den Medien in den Block diktierte, das Selbstbestimmungsgesetz sei gegenüber dem Hausrecht höherwertig. Prompt wurde – das Gesetz war meiner Meinung nach noch nicht in Kraft – die Betreiberin eines Frauenfitnessstudios verklagt, weil sie einer „Transfrau“ den Zugang verweigerte. Die „unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“, Ferda Ataman, schlug als „Kompromiss“ vor, der Person Schmerzensgeld zu bezahlen. Die Betreiberin lehnte das ab. Der Fall ging vor Gericht. Eine andere Transfrau verklagte mehr als 200 Firmen auf Schmerzensgeld und bekam es zugesprochen. Das ist der Missbrauch, den das Gesetz ermöglicht, was aber nicht zu einer Änderung des Gesetzes geführt hat. Die soll nun laut Innenminister Dobrindt erfolgen.
Top-Journalisten wie Nikolas Blome machen sich bereits öffentlich Gedanken, wie man das Selbstbestimmungsgesetz vor den Liebichs retten könnte. Er stellt sich eine Art Gesinnungstest vor, der verhindern soll, dass rechte Personen das Gesetz für sich nutzen. Dass laut Grundgesetz alle Menschen das gleiche Recht haben, hat Blome offenbar vergessen.
Wenn es jetzt wirklich eine „Anpassung“ geben sollte, ist das Liebichs Verdienst, obwohl die einzige wirkliche Lösung eine Abschaffung des Gesetzes wäre.
Aber dafür braucht Deutschland erst eine Regierung, die wieder zur Vernunft zurückgekehrt ist.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Das neue Buch „Ist mir egal“ zu Merkel können Sie hier vorbestellen.
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