„Wählbarer als die AfD für viele“, Frau Wagenknecht, ist das auch Teil ihres Erfolgs, dass sie ein bisschen wahrgenommen werden wie eine AfD light?
Ich glaube nicht, dass wir wahrgenommen werden wie eine AfD light, sondern es gab eine riesige Repräsentationslücke im deutschen Parteiensystem. Das haben wir ja auch gespürt im Vorfeld, das habe ich auch in diesem Wahlkampf gemerkt. So viele Menschen haben mir gesagt, sie wissen jetzt endlich wieder, was sie wählen sollen. Sie wünschen sich natürlich eine Politik für mehr Diplomatie, für Frieden, gegen US-Raketen.
Sie wünschen sich aber auch mehr Gerechtigkeit hier konkret in Thüringen, natürlich auch Lösungen gegen Unterrichtsausfall, für weniger Bürokratie, für kleine und mittlere Unternehmen.
Und deswegen haben wir ja das BSW gegründet, weil wir davon ausgehen, dass viele Menschen sich so eine Politik wünschen, dass sie unzufrieden sind mit dem, was bundesweit passiert. Dass sie vor allem auch unzufrieden sind mit dieser Ampel. Aber die CDU ist für sie keine Alternative, und deswegen haben wir, glaube ich, auch diese sehr, sehr guten Ergebnisse, über die ich mich riesig freue und für die ich mich bei allen Wählerinnen und Wählern sehr bedanke.
Sie sind aus dem Stand sehr erfolgreich, zweistellig in beiden Ländern, und jetzt sehen wir die schwierigen Verhältnisse ja in Thüringen zu einer Koalitionsbildung. Sie sind heute Abend ja auch in Erfurt. Wir haben vorhin Katja Wolf, die Spitzenkandidatin gehört, die jetzt im Vorfeld nicht so klang, als wäre sie sehr abgeneigt, mit der CDU zusammenzugehen, um Thüringen mitzuregieren. Werden Sie das zulassen? Werden Sie das verhindern? Bündnis mit der CDU?
Nein, die Thüringerinnen und Thüringer erwarten natürlich jetzt auch, dass eine stabile Regierung gebildet wird. Und wir werden jetzt noch sehen, es werden sich sicherlich im Laufe des Abends die Prozente noch ein bisschen marginal verschieben. Dann wird man sehen, was mögliche Mehrheiten sind, wenn man da braucht oder auch nicht braucht.
Und ich hoffe natürlich, dass die CDU sich auch ihrer Verantwortung bewusst ist, dass wir hier in Thüringen eine gemeinsame Grundlage finden. Was wir natürlich nicht machen werden, ist eine Regierung, die die Menschen enttäuscht. Sondern wir möchten eine Regierung, die gerade diese Hoffnungen, auch diese Erwartungen erfüllt, die die Menschen jetzt auch in uns legen.
Und die natürlich auch bundesweit und bundespolitisch ihre Stimme erhebt und ihr Gewicht in die Waagschale wirft, um eine andere Außenpolitik in Deutschland zu erreichen, um mehr Frieden, mehr Diplomatie zu erreichen. Also, beides ist uns sehr, sehr wichtig, und da sind wir uns natürlich auch völlig einig im BSW. Das werden unsere Bedingungen für eine Regierung sein. Wir hoffen, dass das mit der CDU und den anderen Parteien, die man da braucht – wahrscheinlich mindestens die SPD – dass das gelingen kann.
Und das ist dann schon ein hoher Preis, den sie nennen. Ich will noch mal nachfragen: Das ist natürlich auch ihr persönlicher Erfolg heute. Dass BSW bei diesen Wahlen so erfolgreich zu machen. Katja Wolf weist allerdings schon darauf hin, dass man sich ein bisschen vor Wagenknecht-Personenkult hüten müsse. Das dürfe dann auch nicht die Dauerlösung sein. Ich will man ganz einfach fragen, müssen sie sich noch mal umbenennen?
Also, wir machen keinen Personenkult. Aber natürlich ist es so, dass junge Parteien, neue Parteien oft das Problem haben, dass die Menschen ja gar nicht wissen, wofür stehen sie? Bei mir wissen die Menschen, wofür ich stehe. Und ich habe ihnen auch das Versprechen gegeben, wenn wir in Thüringen gewählt werden, dann bekommen sie eine Politik, die sie auch mit mir verbinden, mit meinem Namen, denn dafür stehen ja auch unsere Spitzenkandidaten, dafür steht unsere Landesliste, und das wollen wir jetzt gemeinsam umsetzen.
Und dass wir irgendwann einmal – das haben wir auch immer gesagt – nach der Bundestagswahl nach einem anderen Namen suchen, ist natürlich eine andere Frage. Wir haben jetzt eine Partei auf den Weg gebracht, die die bundesdeutschen politischen Verhältnisse durcheinanderwirbelt. Die will ja auch in 20 oder 30 Jahren noch präsent sein. Dann werde ich vielleicht doch nicht mehr Politik machen. Insoweit ja, irgendwann benennen wir uns um.
Aber jetzt erst mal bin ich sehr, sehr froh, dass so viele das unterstützen, was wir vertreten, dass so viele Wählerinnen und Wähler uns hier ihr Vertrauen gegeben haben. Und das müssen wir jetzt auch als Auftrag verstehen und dürfen die Menschen nicht enttäuschen.
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Und in ihrer Freude mogelt sich so ein bisschen auch schlechtes Gewissen darüber, dass sie ihre langjährige Partei, DIE LINKE, geradezu geschreddert haben?
Die Verluste, die Wahlniederlagen der Linken, die fingen ja nicht an, weil wir ausgetreten sind. Sondern die Wahlniederlagen fingen an und waren einer der Gründe, warum wir uns irgendwann überlegt haben, wenn die Linken das Vertrauen der Menschen nicht mehr erreicht, weil sie auf die falschen Themen setzt, ob man ein neues Projekt beginnt.
Solange ich in der Linken war, hat man mich immer für die Wahlniederlagen verantwortlich gemacht. Jetzt müssen sie wirklich andere die Verantwortung übernehmen.
Jetzt wird diskutiert, dass AfD und BSW durchaus Schnittmengen haben in der Klima-, der Innenpolitik, in der Außenpolitik, in der Gesellschaftspolitik – bleibt es dabei, dass sie eine Koalition mit der AfD ausschließen? Das wäre ja auch eine Mehrheit, zum Beispiel in Sachsen mit der AfD …
Naja, es gibt auch Schnittmengen der AfD mit anderen Parteien. Ich glaube, dass die wenigsten das berücksichtigen, dass zum Beispiel die AfD auch für eine sehr, sehr starke Aufrüstung ist. Sie unterstützt das 2-Prozent-Ziel der NATO. Sie möchte sogar noch mehr Geld für Waffen ausgeben. Sie hat auch in der Wirtschaftspolitik durchaus Parallelen zu CDU und FDP.
Also die Frage ist doch, was ist richtig und nicht, wer vertritt etwas? Und dass die AfD eine der Parteien ist – wie übrigens ich auch persönlich – die seit Jahren zum Beispiel kritisiert haben, dass es diese unkontrollierte Migration gibt – die AfD hat das mit rassistischen Dingen überhöht – aber sie hat dieses Thema gesetzt.
Es war ein Riesenfehler, dass alle anderen Parteien das immer lange Zeit verweigert haben, dass man in die rechte Ecke gestellt wurde, wenn man gesagt hat, wir schaffen es nicht. Das überfordert uns.
Jetzt sind die meisten Parteien eingeschwenkt, nicht wegen der AfD, sondern weil die Probleme offensichtlich sind. Aber das zeigt doch, dass auch der Umgang mit der AfD, den wir in den letzten Jahren gepflegt haben, dieser hysterische Umgang – dass alle Positionen, die die AfD vertritt, tabu sein müssen, weil es die AfD vertritt – das macht sie immer stärker.
Und ich möchte, dass wir eine vernünftige Politik in Deutschland bekommen, die die Probleme löst für die Menschen, damit tatsächlich auch Demokratie lebt. Weil Demokratie bedeutet doch, dass die Interessen und das, was die Mehrheit möchte, sich durchsetzen.
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Author:
Alexander Wallasch