Es war einmal eine Grundidee der Bundesrepublik: Beamte – gerade Polizisten – sind nicht nur Befehlsempfänger. Sie sind Bürger in Uniform. Mit eigenem Gewissen, eigenem Kopf, eigener Verantwortung. Eine Lehre aus der deutschen Katastrophe des 20. Jahrhunderts: Nie wieder blinder Gehorsam. Nie wieder „Befehl ist Befehl“.
Heute klingt das wie ein Märchen aus einer untergegangenen Welt. Wer diesen Auftrag ernst nimmt, muss aufpassen. Steffen Janich, früher Polizist in Sachsen, heute AfD-Bundestagsabgeordneter, hat das erfahren. Die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden erklärte ihn für untragbar – Beamtenstatus weg.
Der Vorwurf: Er soll im April 2020 in sozialen Medien zu einem „Corona-Spaziergang“ in Pirna aufgerufen haben, obwohl damals die sächsische Corona-Schutzverordnung solche Versammlungen untersagte. Zudem soll er in verschiedenen Posts in Sozialen Netzwerken das politische System der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates insgesamt infrage gestellt haben.
Ich habe einmal gelernt – und als gesamtgesellschaftliche Errungenschaft betrachtet – dass es eine Tugend ist, alles infrage zu stellen. Ja, man muss alles infrage stellen, sonst endet jede Gesellschaft im Dogma. Heute aber gilt dieses Infragestellen als Vergehen, als Makel, als quasi-kriminelle Gesinnung. Dabei bedeutet „etwas infrage stellen“ nicht, zum Kampf dagegen aufzurufen – es bedeutet, den Kopf zu gebrauchen. Dass ein solcher Gedanke heute zum Karriereende, ja zur Vernichtung der beruflichen Existenz führt, ist für mich ein maximaler Schock.
Das ist nicht nur ein Schritt zurück, das ist ein Rückfall hinter die Aufklärung selbst – zurück in eine Denkordnung, in der Kritik als Gefahr und nicht als Grundlage des Fortschritts gilt. Und genau das wertet ein deutsches Gericht heute allen Ernstes als Verlust des staatlichen Vertrauens. Laut MDR entschied es: Wer so kritisch denkt wie der Beamte Janich, hat das Vertrauen des Staates verspielt.
Von Grundsätzen zu Gesinnungsprüfungen
„Nicht bereit, ihm nicht genehmes geltendes Recht durchzusetzen“ – so formulierten es die Richter. In anderen Zeiten hätte man das vielleicht „Gewissensentscheidung“ genannt. Heute ist es ein Kündigungsgrund. Dass Janichs Kritik im Kern die Corona-Politik traf, macht die Sache brisanter: Wir reden nicht von Gewalt, Korruption oder persönlicher Bereicherung – wir reden von einem politischen Dissens.
Man muss Janichs Ansichten nicht teilen, um den Mechanismus zu erkennen: Wer als Beamter öffentlich Zweifel äußert, setzt seine Karriere aufs Spiel. Und zwar nicht, weil er seine Arbeit schlecht macht, sondern weil er an der falschen Stelle das Falsche denkt – oder sagt.
Der schleichende Abstieg
Der „Bürger in Uniform“ war ein Versprechen: Der Staat bindet seine Macht an Menschen, die nicht blind gehorchen, sondern Verantwortung übernehmen – im Zweifel auch gegen ihre Vorgesetzten. Wenn aus diesem Leitbild eine Gesinnungsprüfung wird, sind wir nicht auf einem Nebenweg, sondern auf einer schiefen Bahn.
Früher war die Parole: „Wehret den Anfängen.“ Heute wird sie umgedreht: „Bestrafe die Anfänge“ – besonders dann, wenn es um Widerspruch gegen staatliche Narrative geht. Und das ist, gelinde gesagt, nicht der Weg zurück zu den Lehren aus unserer Geschichte. Es ist der Weg weg von ihnen.
Und wenn das so weitergeht, sollte man den Nachwuchs in der Polizei vielleicht gleich ehrlich ausbilden: „Sie sind nicht Bürger in Uniform – Sie sind Uniform in Bürgergestalt. Ihre Aufgabe: nicht denken, sondern tragen.“
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