Autor, Rechtsanwalt und Staatsrechtler Prof. Ulrich Vosgerau mit einer ausführlichen Würdigung der tatsächlichen Bemühungen der politischen Klasse und der regierungsnahen Medien, eine neue Völkerwanderung vorwiegend aus muslimischen Ländern nach Deutschland zu unterbinden.
Haben Solingen und die Wahlerfolge der AfD tatsächlich nach zehn Jahren überwiegend illegaler Massenzuwanderung zu einem Umdenken geführt oder wird hier von den Etablierten nur wieder auf die nächsten Wahlen geschielt? CDU-Mitglied Prof. Vosgerau kritisiert die Politik der Ampel und er erklärt gleichzeitig, wie einfach es im Grunde genommen sein kann, wieder zum Recht zurückzufinden.
Alexander-Wallasch.de hat sich entschieden, dieses besonders umfangreiche Gespräch auch aus dramaturgischen Gründen in einem Stück zu veröffentlichen.
Wenn es die Bundesregierungen mit Blick auf eine überwiegend illegale Massenmigration zehn Jahre lang mit den deutschen Grenzkontrollen nicht hinbekommen hat, wollte man es vielleicht gar nicht hinbekommen?
Wenn man es absolut gewollt hätte, dann hätte man es gekonnt. Bereits im September 2015 – als der damalige Innenminister Thomas de Maizière eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen angekündigt hat – da rechnete eigentlich die ganze Welt damit und die deutsche Öffentlichkeit, dass sie jetzt die Zurückweisung der Asylbewerber an der Grenze erfolgt. Das wäre ja die rechtslogische Folge gewesen.
Es ist einfach die Gesetzeslage – §16 a Grundgesetz und § 18 Asylgesetz – dass Asylbewerber, die auf dem Landweg einreisen wollen, an der Grenze zurückzuweisen sind. Das ist vorher daran gescheitert, dass das Schengen-System galt und also systematische Grenzkontrollen verboten waren.
Aber in dem Moment, wo man den Schengen-Notstand ausruft und systematische Grenzkontrollen einführt, müsste die Rechtsfolge die Zurückweisung sein. Das gilt heute, und das galt auch schon 2015. Und es ist damals bekanntlich nicht gemacht worden. Das hat man mit unterschiedlichen Varianten begründen wollen. Letztlich ist es dann offengeblieben.
Und heute hat sich gezeigt, man will es schon wieder nicht. Es war vor drei Tagen im Schwange, dass jetzt die Grenzen geschlossen werden und Zurückweisung erfolgen. Und dann kam bald heraus: Das war wiederum überhaupt nicht geplant.
Nun will niemand gern hartherzig sein. Muss da nicht der im Herbst 2015 von Merkel angewandte bzw. eingeführte humanitäre Imperativ wirken, der als moralische Forderung über dem Gesetz steht?
Dem humanitären Imperativ wird schon durch Aufenthalt in einem anderen sicheren Drittstaat Genüge getan. Die sogenannten „Flüchtlinge“ müssten ja mehrere sichere Drittstaaten durchqueren, bevor sie zu uns kommen. Natürlich hat das mit dem humanitären Imperativ in Wahrheit überhaupt nichts zu tun, denn wir haben hier in der Tat – das hat Hans-Peter Schwarz im seinem letzten Buch 2018 schön herausgestellt – mit einer neuen Völkerwanderung zu tun.
Wir merken das schon daran, dass ja in der großen Mehrheit junge Männer kommen. Und gerade nicht das, was man sich unter „Flüchtlingen“ vorstellt, nämlich junge Frauen mit einem Schwarm von Kindern am Rock, während die Männer immer zu Hause bleiben müssen und dort nicht weggelassen werden, beispielsweise wenn Krieg ist oder dergleichen. Mit „humanitär“ hat das gar nicht zu tun. Das ist ein Völkerwanderungsphänomen, Völkerwanderungen werden immer von jungen Männern unternommen.
Ein Veto: Eine Völkerwanderung klingt für mich eher wie eine Naturkatastrophe. Aber diese Bewegungen kann man ja lenken, indem man zum Beispiel in den türkischen Lagern nahe der syrischen Grenze einfach mal eben die Bezahlkarte halbiert, wie im Vorfeld von 2015 real geschehen …
Man versucht es immer zu lenken. Schon die alten Römer haben ja bekanntlich versucht, die Völkerwanderung irgendwie zu lenken und in geordnete Bahnen zu leiten, es ist ihnen nur nicht wirklich gelungen.
Das klingt wie ein Ist-halt-so-Argument, das auch Angela Merkel für sich hätte nutzen können …
So würde ich das Wort nicht verstehen wollen, sondern „Völkerwanderung“ macht darauf aufmerksam, dass das, was uns auch durch die Medien erzählt wird – also mit dem freundlichen Gesicht und der Humanität – dass das größtenteils Phrasen sind. Und es geht in der Tat um Interessenauseinandersetzungen. Darum, dass Leute nicht zu Hause bleiben wollen, sondern hier zu uns kommen, um an unseren Ressourcen zu partizipieren. Also, ich würde das Wort „Völkerwanderung“ nicht so auslegen, dass das ein Naturphänomen ist, war es ja noch nie.
Ungarn, Dänemark und weitere EU-Länder haben ihre Netto-Zuwanderung quasi auf null gesetzt, wie geht das mit dem EU-Recht überein, wenn es nur die Deutschen wegen des EU-Rechts nicht können? Gibt es zwei verschiedene EU-Rechte?
Ja, ganz genau: Man wundert sich ja schon seit 2015, wie kann es sein, dass es angeblich unionale wie auch internationale völkerrechtliche Vorschriften gibt, die dann aber nur für Deutschland gelten.
In der Tat ist die Grenzschließung und die Herabführung der Asyleinwanderung auf null schon auf den ersten Blick mit dem Europarecht vereinbar. Denn die Dublin-III-Verordnung sieht ja vor, dass immer der Ersteinreisestaat zuständig ist und dass die Asylbewerber keineswegs eigeninitiativ durch Europa reisen dürfen. Das würde eben nur lange Zeit konterkariert durch das Schengen-Regime.
Nun haben andere europäische Länder das Schengen-Regime schon länger ignoriert. In Frankreich ist es so, dass Asylbewerber, die auf dem Landweg aus Italien einreisen wollen, dort alle aufgehalten und einfach zurückgeschafft werden. Das ist den Franzosen relativ egal, was der Europäische Gerichtshof (EuGH) dazu sagt. Und interessanterweise sagt der EuGH dann auch nichts dagegen.
Weiter können wir beobachten, dass Finnland einen massiven Grenzzaun aufgebaut hat nach Russland, weil eben von Russland Asylbewerber nach Europa kommen oder auch geschleust werden. Das ist nun wirklich auf den ersten Blick ein Gegensatz zum geltenden EU-Recht, welches bislang jedenfalls vorsieht, dass die Asylbewerber in den Ersteinreisestaat einreisen müssen dürfen.
Aber die Finnen sagen eben, wenn die Russen die Leute gezielt an die Grenze schaffen, dann ist das ein Missbrauch des Asylrechts, dann machen wir zu. Auch das wird bisher auf europäischer Ebene nicht gerügt. Was die Finnen machen geht also auf den ersten Blick mit dem europäischen Recht durchaus überein.
Wenn man auf den zweiten Blick noch einmal schaut dann wird die Sache noch viel interessanter: So hat vor einigen Tagen der Rechtswissenschaftler Peter Michael Huber in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) unter anderem darauf hingewiesen, dass das Schengen-Regime nichts anderes sei als der Versuch, die deutschen asylrechtlichen Regelungen, die seit 1993 gelten – seit der Änderung des Grundgesetzes und der Neufassung des jetzigen § 16 a Grundgesetz – auf ganz Europa zu übertragen.
Auf den ersten Blick ist das in der Tat auch richtig, weil in ganz Europa das Ersteinreiselandprinzip gilt und damit jede Notwendigkeit entfällt, dass Asylbewerber eigeninitiativ durch Europa reisen bis nach Deutschland. Es ist ja schön, wenn man eine Dublin-III-Vereinbarung macht und dort hineinschreibt, der Ersteinreisestaat sei immer zuständig. Aber wenn man dann gleichzeitig das Schengen-Regime einführt und systematische Grenzkontrollen verbietet, dann kann man das gar nicht umsetzen. Und darin ist dann schon angelegt, dass die Asylbewerber doch nach Deutschland weiterreisen. Zumal die EU dann ja auch zahlreiche weitere Regelungen nachgeschoben hat, nach denen die Asylzuständigkeit vom Ersteinreisestaat auf Deutschland übergeht, wenn eben die Rückführung nicht schnell genug gelingt, und das gelang ja praktisch nie.
Das scheiterte schon an der großen Masse der Asylbewerber. Das scheitert daran, dass sie den Pass weggeworfen haben. Oder das scheitert daran, dass die Ersteinreisestaaten diese Menschen nicht zurückgenommen haben. Da hat man fast den Verdacht, dass das schon frühzeitig einkalkuliert ist.
Aber lieber Herr Dr. Vosgerau, der europäische Gedanke impliziert doch nicht automatisch, dass sich Deutschland ohne jede EU-Außengrenze hier als Made im Speck einrichten darf …
Doch, auf den ersten Blick tut es das schon: Denn wenn das Ersteinreiselandprinzip festgelegt wird, dann ist die Verantwortung für die Ersteinreise in der Tat bei diesen Ländern. Es ist ja nicht so, dass die nur Lasten haben. Das sind ja Staaten wie Griechenland und Italien, die auch im erhöhten Maße aus Deutschland querfinanziert und quersubventioniert werden durch die EU.
Aber sie haben schon recht: Genau so wird das begründet. Man rekurriert hier etwa auf Artikel 80 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU, wo vom Solidaritätsprinzip die Rede ist. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass das Gesamtregelungssystem, was in der EU für die Asylbewerber gilt, als solches ganz einfach dysfunktional ist und eigentlich schon immer dysfunktional gewesen ist.
Und deswegen gibt es in den letzten Tagen den großen Konflikt unter den Völker- und Europarechtlern, ob man nicht die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze auch auf das Europarecht anwenden können soll.
Meines Erachtens kann man das: Das ist eine reine Selbstverständlichkeit. Denn es kann ja niemand in Abrede stellen, dass das europäische Primärrecht, der EU-Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der EU, nichts anderes sind als völkerrechtliche Verträge.
Wenn wir die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln anwenden wollten auf das Europarecht – was ich befürworten wurde – dann gilt auch, dass ein souveräner Staat, der sich zwar völkerrechtlich zu irgendetwas verpflichtet hat in Verträgen, sich immer die Frage stellen kann: Bin ich eigentlich der einzige Idiot, der sich daran noch hält, oder tun die anderen das auch noch?
Das ist ein wichtiger Unterschied zwischen einem Privatmann und einem Staat. Ein Privatmann dürfte in der Tat nicht sagen: Ich halte mich nicht mehr an die Straßenverkehrsordnung, weil die meisten anderen es ja auch nicht tun. Der Privatmann kann sich hier nur wünschen, daß die anderen Mal erwischt werden.
Aber die EU-Rechtsordnung ist – anders als viele Europarechtler glauben – keine hoheitliche „Straßenverkehrsordnung“ für untergeordnete Mitgliedstaaten, sondern ein völkerrechtliches Vertragswerk, aufgrund dessen zwar Sekundärrecht produziert wird, das aber dann nur kraft der Zustimmung souveräner Staaten in diesen und für diese gilt.
Und diese Zustimmung ist nicht unwiderruflich. Wenn Sie so wollen, gilt im Völkerrecht und unter souveränen Staaten eben auch der „Rechtssatz“: Verarschen kann ich mich alleine! Wenn ein Staat sich an gemeinschaftlich verabredete Regeln hält, sich dadurch letztlich dauernd selber schadet, und seine Vertragspartner tun das nicht und lachen sich kaputt über den gutmütigen deutschen Trottel, dann könnte ein souveräner Staat eben auch sagen: jetzt reicht es mir, jetzt nehme ich mir zumindest eine Auszeit von den Regeln, und ihr könnt Euch überlegen, wie’s dann weitergeht, entweder alle halten sich dran oder keiner!
Da würde ich noch einen Einspruch geltend machen: Es ist ja nicht so, dass das immer von außen kommt. Es waren ja deutsche Gerichte, die entschieden haben, dass wir niemanden mehr nach Griechenland zurückschieben können und keinen nach Italien zurückschicken dürfen. Und damit haben ja Griechenland und Italien zunächst nichts zu tun, dass wurde in Deutschland entschieden …
Das ist ganz richtig, das ist ein anderer Aspekt der Sache. In der Tat: Deutsche Gerichte haben es so entschieden, weil eben die Unterbringung in den Sammellagern in Griechenland nicht menschenwürdig sei. Deutsche Gerichte haben sogar entschieden, dass es schon genügt, dass auf Sizilien die Asylantenkinder nicht ohne weiteres auf die herkömmlichen staatlichen Schulen gehen dürfen, ganz einfach, weil es zu viele sind, und das soll dann jedenfalls schon ausreichen.
Gerade deswegen gilt, sobald ein Asylbewerber mal in Deutschland ist, entscheidet kein Polizist und auch kein Politiker mehr, ob er bleibt, sondern das entscheiden dann unabhängige Gerichte. Und die entscheiden immer Einzelfälle und fragen in jedem Einzelfall, ob nicht doch irgendetwas noch gegen die Abschiebung spricht.
Und so mag auch jeder Einzelfall gut vertretbar entschieden sein. Aber wenn sie 100.000 Einzelfälle, die in dieser Art entschieden worden sind, aufsummieren, dann kriegen wir Probleme, die kein Verwaltungsgericht mehr lösen kann. Und deswegen ist eben der einzige realistische Weg, dass man bereits das Betreten Deutschlands verhindert, dass man an der Grenze konsequent abweist. Denn wen man reinlässt, den wird man realistischerweise nicht wieder loswerden. Beim Reichelt habe ich ja schon darauf hingewiesen, daß ausweislich des Alten Testaments das biblische Paradies von „Engeln mit dem Flammenschwert“ bewacht wurde, die östlich davon ihr Militärlager hatten. Dort steht nicht, daß es im Innern des Paradises unabhängige Verwaltungsrichter gegeben habe, denn sonst wäre das Paradies wohl auch bald wegen Überfüllung geschlossen worden!
Warum wurde in den letzten zehn Jahren nicht daraufhin gearbeitet, ein einheitliche EU-Asylrecht und EU-weit einheitliche Sozialleistungen (angepasst an die Kosten des örtlichen Warenkorbs) zu schaffen? Wer könnte diese Einigung möglicherweise behindert oder gar verhindert haben?
Es hat keiner ein Interesse daran. Es war so: Wir haben uns immer über Staaten wie Griechenland und Italien beklagt, weil die einfach durchgewunken haben. In Italien wurden den Asylbewerbern sogar Bahnfahrkarten nach München spendiert vom Staat, damit sie schnell weg sind. Das haben wir zurecht als Rechtsbruch gerügt.
Die Italiener haben hingegen gesagt, diese ganzen Asylbewerber, die beispielsweise über Sizilien kommen, das sind ja gar nicht unsere Asylbewerber, die wollen alle nicht zu uns, die wollen alle nach Deutschland.
Genauso war es bei den Asylbewerbern vermeintlich oder angeblich syrischer Herkunft, die dann 2015/16 über Ungarn kamen. Aber da war es dann der umgekehrte Fall: Da versuchte Ungarn, das unionale Asylrecht anzuwenden, versuchte also, die Leute zu zwingen, in Ungarn zu bleiben und dort das Ergebnis ihres Asylverfahrens abzuwarten. Es waren aber diese Leute, die dann zu den Ungarn sagten: Geht aus dem Weg, wir wollen mit euch nichts zu tun haben, wir wollen ja nur durchmarschieren nach Deutschland.
Das wollten die Ungarn wiederum nicht dulden. Daraufhin kam es zu diesen hässlichen Fernsehbildern am Hauptbahnhof. Die Politiker rufen ja immer nach einer einheitlichen Regelung für ganz Europa, ohne die es nicht gehe und die wir dringend bräuchten.
Es wird diese einheitliche Regelung niemals geben, weil Griechenland, Italien und sonstige Ersteinreisestaaten wenig Interesse haben, Milliarden auszugeben und einen riesigen Aufwand zu treiben mit Polizei und Sicherheitsbehörden, um ihre Länder quasi abzuschotten, wenn sie doch wissen, die Leute wollen ohnehin nicht bei ihnen bleiben, die wollen alle nach Deutschland.
Deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als – hier kommt jetzt das gewöhnungsbedürftige Wort – Deutschland abzuschotten, also einen Zaun zu bauen. Das finde ich auch einen sehr gewöhnungsbedürftigen Gedanken, keine Frage.
Das würde dazu führen, dass die Asylbewerber sich rückstauen. Deswegen gab es ja schon die wütenden Proteste, zum Beispiel aus Österreich, die gesagt haben, wir würden keinen zurücknehmen. Aber die Frage stellt sich nicht, wenn man wirklich einen Zaun hat und die gar nicht erst rüberkommen.
Und dann, wenn dieser Rückstau erzeugt worden ist – das ist schon 2015 vorgeschlagen worden – dann würde sich das Asylproblem ganz schnell auflösen. Denn sobald die anderen Staaten merken, dass sie die Leute nicht einfach nach Deutschland weiterschieben können oder eigeninitiativ weiterreisen lassen können, sondern die Leute dann selber am Hals haben, wenn sie reinlassen. Dann wird wahrscheinlich dann bald auch an die Außengrenze abgeschottet, und dazu gibt es meines Erachtens mittelfristig überhaupt gar keine Alternative, weil es sich, wie gesagt um eine neue Völkerwanderung handelt. Richtig ist: das Abschotten auch der EU-Außengrenze würde derzeitigem EU-Recht widersprechen. Aber das würde Italiener, Griechen und Ungarn dann nicht weiter interessieren, sie würden einfach sagen: Das werden viel zu viele, wenn sie bei uns bleiben und nicht mehr nach Deutschland weiterreisen können!
Aber der Vorschlag von Friedrich Merz scheint mir doch der einzig gangbare zu sein: Erst, wenn ich einen nationalen Notstand ausrufe, kann ich das EU-Recht aushebeln …
Was die Ankündigung der Österreicher und wohl auch der Polen angeht: Wir reden jetzt nur über Abweisung, Zurückweisung direkt an der Grenze, wozu eben eine Grenzbefestigung unerlässlich ist, und eben auch eine durchgehende Grenzbefestigung, sonst würden die ja fünfzig Meter weitergehen über die grüne Grenze. Das ist verständlich. Es ist völlig klar, dass wir auch im Rahmen eines selbst ausgerufenen Schengen-Notstandes natürlich nicht Leute, die sind schon 30 Kilometer tief in Deutschland befinden, hier ergreifen und dann wieder zurück nach Österreich schieben können ohne die Einwilligung der Österreicher. Das ist völlig klar.
Es geht darum, dass zwischen Deutschland und Österreich ein Zaun ist. Und wenn dann einer auf der österreichischen Seite sagt, mach mal auf, ich will nämlich in Deutschland Asyl beantragen, das wir dann sagen: Nein, wir machen nicht auf, du bleibst in Österreich. Dagegen können wiederum die Österreicher nicht tun. Der Vorschlag von Friedrich Merz, der letztlich darauf abzielt, den Schengen-Notstand nach Artikel 25 ff. des Schengener Grenzkodex auszurufen, der ist natürlich besser als nichts. Aber er ist, wie man das heute modernerweise formuliert, keine wirklich nachhaltige Lösung. Denn es liegt im Begriff des Notstandes – hört man ja quais schon, dass man diesen „Notstand“ nicht für 20 Jahre ausrufen kann – dass er immer zeitlich eng befristet ist.
Und die Ausrufung des Schengen-Notstandes, der initiativ natürlich durch den Nationalstaat, durch den EU-Mitgliedsstaat gemacht werden kann, da hat dann schon nach drei Monaten die EU-Kommission ein Mitspracherecht, und er muss dann alle drei Monate immer sorgfältiger gegenüber der EU-Kommission begründet werden.
Ich meine, nach spätestens zwei Jahren kann der Notstand jedenfalls nicht mehr aus denselben Gründen ausgesprochen werden. Dann müsste man sich zumindest einen neuen Grund ausdenken, damit die EU-Kommission da überhaupt noch mitspielen könnte. Insofern ist der Notstand immer nur temporär, eine befristete Möglichkeit, niemals dauerhaft und nachhaltig.
In Wahrheit sind wir schon seit mindestens 20 Jahren in einem permanenten Asyl-Notstand. Und deswegen würde ich etwas anderes empfehlen. Wir sollten hier den ungarischen Weg gehen. Die Ungarn haben sich jetzt im dritten Vertragsverletzungsverfahren, das spezifisch über Asylfragen durch die EU-Kommission gegen sie angestrengt und geführt worden ist, auf etwas berufen. Und da waren sie dann wirklich nicht kompromissbereit. In vielen anderen Dingen haben sie der EU-Zentrale immer nachgegeben.
Die Ungarn wollten ja zwischendurch mal die Asylbewerber auf einem extraterritorialen Gebiet erstmal wohnen lassen und sie sozusagen formell nicht ins ungarische Staatsgebiet einlassen. Das ist dann am EuGH gescheitert, und da haben die Ungarn auch immer nachgegeben, haben alles mitgemacht.
Aber in einer Frage im dritten Vertragsverletzungsverfahren, da sind sie jetzt wirklich unnachgiebig. Sie sagen nämlich Folgendes: Sie sagen, wenn wir die europäischen asylrechtlichen Regelungen nicht nur irgendwie anwenden, sondern spezifisch in der Weise anwenden, wie der EuGH sie ausgelegt hat, dann führt das dazu, dass wir die Zusammensetzung unserer Bevölkerung effektiv überhaupt gar nicht mehr kontrollieren können. Wir können erstens nicht kontrollieren, wer überhaupt bei uns einreist, und wir können zweitens Leute, von denen wir nie wollten, dass sie einreisen, die dann dennoch eingereist sind, diese Leute können wir auch nicht wieder loswerden, wenn wir alle Regelungen, die auf europäischer Ebene inzwischen gelten, so anwenden, wie ausgerechnet der EuGH sie angewendet wissen will.
Und die Ungarn sagen das auch nicht aus dem hohlen Bauch heraus. Sie haben ausdrücklich ihr nationales Verfassungsgericht gefragt. Und das nationale Verfassungsgericht hat ihnen auch bestätigt, dass hier sozusagen eine absolute Grenze der Integration verläuft aus Sicht des ungarischen Verfassungsrechts.
Denn – und das teile ich, und das gilt auch in Deutschland – es gibt etwas, was noch über dem EU-Recht steht. Das EU-Recht steht im Großen und Ganzen über dem nationalen Recht, auch über dem nationalen Verfassungsrecht. Aber dafür gibt es Grenzen, und eine dieser Grenzen ist zum Beispiel das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Das Hauptprinzip des heutigen modernen Völkerrechts bedeutet eben, dass ein Volk, das das Selbstbestimmungsrecht hat, die Zusammensetzung der eigenen Bevölkerung im eigenen Land kontrollieren und bestimmen kann. „The Country is the people in it“, so würde ich das ausdrücken.
Und deswegen sollten wir uns eher auf das Völkerrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Völker berufen, das auch in unserer Verfassung, im Grundgesetz, besonders gut abgebildet ist, etwa in der sogenannten Selbstbestimmungsgarantie aus Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Außerdem auch noch in der Präambel und im Artikel 146 des Grundgesetzes, also überall da, wo das deutsche Volk als verfassungsgebende Gewalt apostrophiert wird.
Der UN-Flucht-und-Migrationspakt wird – obwohl theoretisch nicht bindend – von den meisten Unterzeichnern als bindende Willenserklärung verstanden; als über den nationalen Gesetzen stehend. Aber wer hat diesen Pakt formuliert? Der UNHCR nennt hier „thematische Diskussionen mit Flüchtlingen, UN-Mitgliedsstaaten, NGOs, Experten, akademischen Einrichtungen und weiteren maßgeblichen Akteuren.“ Die Entstehungsgeschichte des Pakts ist vom UNHCR teilweise dokumentiert worden https://www.unhcr.org/events/thematic-discussions . Haben sich bestimmte Interessengruppen und Ideologien via UN über nationales Recht hinweggesetzt? Müssen wir als Kritiker dieser Massenzuwanderung seit 2015 nicht viel mehr auf diese EU- und UN-Geschichten schauen?
Ja, und erst recht ist die Frage interessant, wer das Recht eigentlich auslegt und wer die Öffentlichkeit über die Auslegung dieses Rechts informiert. Wir kennen von Luhmann den bekannten Satz: Was wir über die Welt wissen, das wissen wir über die Massenmedien oder von den Massenmedien.
Und jetzt gilt eben spezifisch auch: Was wir über die Auslegung des Verfassungsrechts, des Unionsrechts und des Völkerrechts wissen, das wissen wir ebenfalls über die Massenmedien.
Es ist ein entscheidendes Phänomen, dass wir seit etwa fünfzehn Jahren eine Art Verfassungsrevolution erleben. Und diese Verfassungsrevolution, die kommt ohne eine Änderung des Grundgesetzes aus und beruht allein auf einer Umdeutung der Begriffe des Grundgesetzes.
So zum Beispiel, dass die Menschenrechte und die Menschenwürde von Abwehrrechten gegen den Staat – was ja sind – umgedeutet werden zu einem Verhaltenskodex, zu einem Verhaltenskatechismus, an dem der Staat die Bürger messen kann.
Und ähnliches gilt natürlich auch im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Da stellen wir ja fest, dass gewissermaßen Parolen, die bis Mitte der 90er Jahre noch als politische Slogans einer staatsfeindlichen Szene galten, wie zum Beispiel „Refugees welcome“ oder „Kein Mensch ist illegal“ oder „Bleiberecht für alle“ oder dergleichen, dass solche Sätze unter der Hand seit 2015 eigentlich Staatsdoktrin geworden sind.
Und zwar nicht, weil irgendwelche Gesetze insofern geändert worden sind oder gar die Verfassung, sondern weil eben diese Sätze als moralische Leitlinien in diese bestehende Rechtsnorm einfach hineingelesen werden und ihnen unterlegt werden. Was 1995 noch die verrückte Utopie von Staatsfeinden war, galt 2015 als die politische Moral der „Mitte“ – wobei sich weniger die Bevölkerung neu sortiert hatte, sondern der öffentlich-rechtliche Rundfunk war von den Grünen übernommen worden.
Das ist eine Verfassungsrevolution, die nicht einmal von Juristen gemacht wird, sondern von Journalisten. Diese Verfassungsrevolution wird von Medien gemacht. Und die wird auch von NGOs gemacht, die allesamt staatlich bezahlt sind.
Zehn Jahre Diffamierung, Ausgrenzung und Diskreditierung von zuwanderungskritischen Stimmen. Banken gekündigt, auf dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt, im öffentlichen und privaten Umfeld diffamiert – welche Widergutmachung kann den Betroffenen hier gerecht werden?
Darüber kann man viel nachdenken. Das wäre aber ein utopisches Nachdenken. Denn es sieht ja in diesem Corona-Zusammenhang so aus, dass eine wirklich durchgreifende Aufarbeitung einschließlich einer Wiedergutmachung daran scheitert, dass alle beteiligt waren und alle mitgemacht haben …
… spannend finde ich hier, dass sie Corona ins Gespräch bringen obwohl ich nach Zuwanderungskritik gefragt hatte …
Das ist natürlich beides! Bei den zuwanderungskritischen Stimmen ist es dann, glaube ich teilweise nicht ganz so gravierend wie bei Corona gewesen. Da bin ich ja auch selbst betroffen. Ich konnte ja 2018 nicht Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup werden, weil ich eben diejenigen Forderungen rechtspolitischer Art vertreten habe, die heute in aller Munde sind und heute Leitlinie bei der CDU sind. Aber damals konnte ich nicht Professor werden.
Ich habe noch einen Brief an Host Seehofer geschrieben, der ja von mir als bayerischer Ministerpräsident den Slogan „Herrschaft des Unrechts“ übernommen hatte und der inzwischen Bundesinnenminister war, und habe ihn gefragt, wie kann das sein, dass Du sogar als Bundesinnenminister amtieren darfst, wohingegen ich angeblich ungeeignet bin, als Professor Polizisten zu unterrichten?
Aber ob es einen wundert oder nicht, er hat mir nicht geholfen. Natürlich kann ich jetzt auch fragen, ob mir jetzt mein Professorengehalt seit Herbst 2018 nachgezahlt wird, weil ich eben offenbar doch richtiggelegen habe. Aber wir wissen natürlich alle, dass das realistischerweise nicht passiert.
Nun gibt es auch Journalisten wie Roland Tichy und mich, denen solche Ausgrenzungen und Diffamierungen ab 2015 kontinuierlich passiert sind. Tichy hat etliche Jobs verloren. Und ich habe quasi ein Berufs- und Arbeitsverbot in den sogenannten Mainstream-Medien, weil ich natürlich ab 2015 mit einer zuwanderungskritischen Haltung keinen einzigen Satz mehr verkaufen konnte. Wir wurden sogar gezwungen, uns neue Betätigungsfelder selbstständig zu gründen. Deswegen gibt es unsere Seiten und Blogs. Das war ja nicht, weil wir das so gerne gemacht haben, sondern weil wir sonst hätten zum Sozialamt gehen müssen. Ich muss manchmal lachen über unsere Corona-Maßnahmenkritiker – der ich ja auch bin – die 2020 mit der Heulerei angefangen haben. Da hätten wir schon fünf Jahre lang Krokodilstränen vergießen oder einfach weiterarbeiten können, was wir dann gemacht haben …
Bei Roland Tichy ging es nach meiner Erinnerung primär um den Euro. Ich meine, er war Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, und dann haben sich die dahinterstehenden Kräfte, Verlage oder Verleger überlegt, dass die Wirtschaftswoche jetzt streng auf Pro-Euro-Kurs geht, was wir auch im Sinne mancher Großunternehmen war, und das hat er dann nicht mitgemacht.
Da ging es wohl um die politische Ausrichtung eines Magazins. Das passiert im Mainstream täglich. Aber es geht hier ganz konkret um die Zeit ab 2015, um Zuwanderungskritik, wo man regelmäßig als „Nazi“ beschimpft wurde. Die Kritik an der Zuwanderung hat die Schwierigkeiten bereitet. Da ging es ja nicht um Euro-Kritik. Da ging es ja um verschiedene andere Dinge: Mit den falschen Leuten gesprochen, mit den falschen Leuten Interviews geführt, die falschen Sätze gesagt und so weiter. Das ging ja über viele Jahre …
Ja, ich kenne das auch alles. Man denkt auch manchmal an Manfred Brunner, einen der frühen Eurokritiker, hochrangiger EU-Beamter, der ganz genau vorausgesagt hat, wohin die Währungsunion politisch führen müsse, und dem dann vorgehalten worden ist, allen voran von Wolfgang Schäuble, er habe ja gar keine Ahnung vom Europarecht, sonst müsste er ja wissen, dass diese Staatenrettung und das Eintreten für andere Staaten und Staatsschulden gerade im Europarecht verboten ist. Brunner hatte eben durchschaut, dass das politisch nicht durchhaltbar sein würde, wenn es einmal soweit ist, dass ein EU-Staat pleite ist.
Danke für das Gespräch!
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Author:
Alexander Wallasch