Die seit einer Woche anhaltende ukrainische Überraschungsoffensive in die Region Kursk in Russland, scheint Erfolge vorweisen zu können. „In Russland! Ukrainer rücken mit deutschen Panzern vor“, frohlockte „Bild“ in schrecklichster “Wochenschau”-Manier und einer unfassbaren historischen Taktlosigkeit. Die aktuelle Lage ist dennoch unübersichtlich. Alexej Smirnow, der Gouverneur von Kursk, erklärte am Montag, die Ukraine kontrolliere 28 Siedlungen in der Region, der Einfall sei etwa zwölf Kilometer tief und 40 Kilometer breit. Aus der Ukraine hieß es, man habe 1000 Quadratkilometer russischen Gebietes eingenommen. Die russische Regierung ließ mindestens 200.000 Menschen evakuieren, schickte Reservetruppen und verhängte eine Sicherheitssperre. Die russischen Flüchtlinge sollen nun in ein von Russland besetztes Gebiet in der Ukraine gebracht werden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete, die Operation in Russland sei eine Frage der ukrainischen Sicherheit. Die Region Kursk sei von Russland genutzt worden, um viele Angriffe gegen die Ukraine zu starten.
Der ukrainische Außenamtssprecher Heorhij Tychyj erklärte, die Offensive werde beendet, wenn Russland einem „gerechten Frieden“ zustimme. „Je eher Russland der Wiederherstellung eines gerechten Friedens zustimmt, desto eher werden die Angriffe der ukrainischen Verteidigungskräfte auf russischem Territorium aufhören“, so Tychyj. Er betonte, der Vorstoß sei „absolut legitim“, insbesondere im Rahmen des in der UN-Charta festgelegten Selbstverteidigungsrechts“. Die Ukraine verfolge nicht das Ziel, russisches Gebiet zu annektieren, sagte Tychyj weiter. Im Gegensatz zu Russland sei die Ukraine „nicht auf fremdes Eigentum angewiesen“ Die Offensive könnte sich jedoch als Pyrrhussieg erweisen. Denn zum einen werden dadurch die ohnehin schwer bedrängten ukrainischen Streitkräfte an anderen Frontabschnitten geschwächt, zum anderen wird Russland alles tun, um sein angeknackstes Prestige mit einem massiven Gegenschlag wiederherzustellen. Darauf bereitet man sich nun auch bereits vor, vor allem in Form massiver russischer Raketenangriffe. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, drohte eine harte Antwort an, die „nicht lange auf sich warten lassen wird“. Tatsächlich ist die Offensive ein Vabanque-Spiel Selenskyjs und letztlich ein Zeichen von Schwäche, um den russischen Druck an anderen Orten abzumildern und den Abzug von Truppen zu erzwingen.
Gereizter Riese droht zurückzuschlagen
Überdies besteht die Gefahr, dass Russland sich durch die Offensive noch mehr gereizt sieht und irgendwann doch auf mindestens begrenzte nukleare Angriffe zurückgreift. Bei den europäischen Maulhelden hält sich die Freude über den ukrainischen Vormarsch dann auch unmissverständlich in Grenzen. Sogar die britische Regierung stellte eilends klar, dass man weiterhin keine Genehmigung für den Einsatz von „Storm Shadow”-Marschflugkörpern im Rahmen der Kursk-Offensive erteilen werde. Auch der italienische Außenminister Antonio Tajani bekräftigte, dass italienische Waffen nicht für einen Angriff auf Russland verwendet werden dürften. Ausgerechnet aus Deutschland kamen jedoch keine solchen Einschränkungen. Obwohl man auch hier völlig von der Offensive überrascht wurde, teilte das Verteidigungsministerium in geschichtsvergessener Verantwortungslosigkeit mit, es gebe keine grundsätzlichen Hinderungsgründe für einen Einsatz der von Deutschland gelieferten Waffen. Ein Sprecher sagte: „Das Völkerrecht sieht das so vor, dass sich ein verteidigender Staat auch auf dem Gebiet des Angreifers wehren darf. Das ist eindeutig, auch aus unserer Sicht. Und es gibt keine darüber hinausgehenden Auflagen für die Nutzung von Waffen, zumindest was Abgaben aus dem Bestand der Bundeswehr angeht, die dort erteilt worden sind und die zu beachten wären. Da gibt es keinerlei Hindernisse und da ist die Ukraine frei in der Wahl ihrer Möglichkeiten.“ Diese Aussagen zeigen wieder einmal, dass dieses Land in den Händen von völlig verantwortungslosen Hasardeuren ist.
Dass von ukrainischer Seite aber vermehrt von Frieden gesprochen wird, zeigt, dass hinter allem Säbelrasseln Erschöpfung und das Unvermögen stehen, den Krieg noch lange fortzusetzen. Offenbar will man vor allem seine Position am Verhandlungstisch verbessern. Ob dies gelingen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin zeigen Italien und die Schweiz, dass die Vernunft noch nicht völlig aus Europa verschwunden ist. Beide Länder wollen eine Friedenskonferenz in der Schweiz vorantreiben, an der diesmal endlich auch Russland teilnehmen soll. Eine gewisse Kehrtwende scheint sich also zumindest abzuzeichnen, wenn das -inzwischen aber längst irrelevante- Deutschland seinen außenpolitischen Blindflug auch unverdrossen fortsetzt. (TPL)
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Author: Kurschatten
Journalistenwatch