Von Kai Rebmann
Ist das (noch) Demokratie oder kann das weg? Joachim Paul (AfD) wollte sich am 21. September 2025 zum neuen Oberbürgermeister von Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) wählen lassen und wäre dabei wohl nicht völlig chancenlos ins Rennen gegangen. Doch daraus wird nichts, das steht schon gut sechs Wochen vor dem Urnengang so gut wie fest.
Der Wahlausschuss des Stadtrats, dem neben der amtierenden Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck noch sechs weitere Mitglieder von SPD,CDU, FWG und FDP angehören, hat den Kandidaten der AfD in seiner Sitzung am Dienstag aus dem Rennen genommen. Damit haben die Ludwigshafener Mitte September nur noch die Wahl zwischen vier verbliebenen Anwärtern auf die Nachfolge der scheidenden Steinruck, die seit ihrem Austritt aus der SPD im Sommer 2023 parteilos ist. Zur Wahl zugelassen wurden Klaus Blettner (CDU/FWG), Jens Peter Gotter (SPD), Michaela Schneider-Wettstein (Volt) und Martin Wegner (parteilos).
Das Votum gegen Paul fiel mit 6:1 Stimmen. Es bestünden Zweifel an der Verfassungstreue des Kandidaten, so dass dieser für das Amt des Rathauschefs nicht geeignet sei, so das Urteil. Der Wahlausschuss sieht sich in dieser Einschätzung auch durch entsprechende Empfehlungen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier sowie des Innenministeriums in Mainz bestätigt. So habe sich Paul unter anderem mehrfach mit Martin Sellner getroffen oder vor einem „Bevölkerungsaustausch“ im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof gewarnt, wie das Innenministerium auf eine explizite Anfrage der noch amtierenden OB Steinruck mitteilte.
Der AfD-Mann aus Koblenz kündigte unmittelbar nach der Entscheidung rechtliche Schritte an und sieht die Ludwigshafener „um ihre Stimme betrogen“. Tatsächlich rechneten sich die Blauen gute Chancen aus, den nächsten OB am Rhein zu stellen, nachdem man sich nicht zuletzt durch das gute Abschneiden bei der Bundestagswahl im Februar 2025, als die AfD auf Platz 2 hinter der CDU gelandet war, einiges an Rückenwind erhofft hatte.
Vorwürfe gegen AfD-Mann offenbar ganz plötzlich vom Himmel gefallen
Bemerkenswert: Ebenfalls am 23. Februar, also vor nicht ganz sechs Monaten, kandidierte Paul für das Amt des Landrats im Rhein-Pfalz-Kreis – damals ohne jede Beanstandung oder irgendwelche Zweifel an dessen grundsätzlicher Eignung für das angestrebte Amt. Woher kommt also der plötzliche Sinneswandel? Liegt es am Erstarken der AfD in den vergangenen Monaten und der damit wachsenden Sorge der Altparteien vor einem möglichen Wahlerfolg des „Krawallmachers“, wie Paul von seinen politischen Gegnern gerne bezeichnet wird?
Oder womöglich daran, dass der Mann auch nicht davor zurückschreckt, unbequeme Wahrheiten unverblümt auszusprechen, wenngleich mit markigen, manche würden sagen populistischen Worten – so am Beispiel Hemshof. Fakt ist, dass der Stadtteil in Ludwigshafen als klassischer „Brennpunkt“ gilt. Zu den Eckdaten dieses Bezirks gehören unter anderem ein Migrantenanteil von 50 Prozent – bei den Schulkindern sind es nahezu 100 Prozent – Jahr für Jahr eine Nichtversetzung von 25 Prozent der Erstklässler oder ein florierender Drogenhandel.
Nun sind aber weder Populismus noch Treffen – gerne auch mehrere – mit den vermeintlich „falschen“ Leuten ein Ausschlussgrund von Wahlen – oder sollten es in einer funktionierenden Demokratie jedenfalls nicht sein. Dementsprechend stellt Paul in einer ersten Reaktion auf seine Verbannung von den Stimmzetteln in Frage, ob die anstehende OB-Wahl jetzt noch als eine demokratische durchgehen könne. Dass das Innenministerium in Mainz und der Wahlausschuss in Ludwigshafen das anders sehen, spricht wohl Bände.
‚Demokratie‘ ganz neu definiert
Dazu passt, dass die Entscheidung medial durch wirklich alle Phrasen begleitet wird, die man sich in einem solchen Zusammenhang vorstellen kann. Ein besonders negatives Beispiel liefert die „Rheinpfalz“, die schwadroniert, der Fall in Ludwigshafen zeige, „wie schwierig der richtige Umgang mit der AfD geworden“ sei. Der „richtige Umgang“ mit dem politischen Gegner wäre es zweifelsohne, diesen inhaltlich zu stellen. Sofern man sich dazu in der Lage sieht – und nicht mittels durchsichtiger Manöver im Hintergrund.
Pauls Gegner wiederum bezeichneten diesen unter anderem als „Hardcore-Nazi“, schreibt das regionale Blatt weiter, weshalb es „nachvollziehbar“ sei, dass es Zweifel an der Verfassungstreue des AfD-Kandidaten gebe. Wie bitte!? Nur weil der politische Gegner (!) derartige Beinamen verwendet, soll das mit einer unabhängigen oder gar rechtssicheren Bewertung gleichgesetzt werden können?
Und natürlich darf in dem Artikel auch der Verweis auf „die wehrhafte Demokratie“ nicht fehlen. Die Frage sei, ob eben diese „wehrhafte Demokratie“ gegen die AfD vorgehen müsse, so wie diese es in Gestalt des Innenministeriums auch tut, oder ob man dem Wähler das letzte Wort gewähren sollte. Solche Fragen werden – und das ganz ernsthaft und ohne jeden Anflug von Ironie – aus der hohlen Hand in den Raum gestellt, wohlgemerkt ohne dass gegen Joachim Paul zum gegenwärtigen Zeitpunkt irgendetwas wirklich Handfestes vorläge.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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