Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Beschluss des Landgerichts Hannover vom 4.3.2015, Aktenzeichen 19 S 88/14.
Ausgangslage:
Mit Kindern in einer Mietwohnung ist das Potential für erhöhten Lärm im Haus in der Regel gesteigert. Wenn nun andere Mieter nicht unbedingt Kinderfreunde sind oder sich bei ihnen aus anderen Gründen ohnehin schon gewisser Ärger angestaut hat, kann es durchaus vorkommen, dass sie gegenüber dem Vermieter Ansprüche geltend machen auf Grundlage des Lärms als Mangel. Welche Optionen hat dann der Vermieter?
In der Regel stellt Kinderlärm keinen Mietmangel bzw. Grund für eine Abmahnung oder Kündigung dar:
Geht von einem Mieter nachweislich wiederholt und nachhaltig Lärm aus, kann der Vermieter grundsätzlich nach Ausspruch einer Abmahnung das Mietverhältnis wegen Störung des Hausfriedens kündigen. Anders wird die Lage weitestgehend beurteilt, wenn Kinder für den Lärm verantwortlich sind. Da Lärm von Kindern ein sozialadäquates Verhalten ist, werden darauf gestützte Kündigung in der Rechtsprechung meist für unwirksam erklärt.
Einige Urteile als Beispiel:
Kinderlärm in der Mietwohnung des Mehrfamilienhauses ist von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen (AG Frankfurt, Urteil vom 09. September 2005 – 33 C 3943/04, 33 C 3943/04 – 13 -, juris).
Kinderlärm im Rahmen normaler Wohnnutzung begründet keine fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Störung des Hausfriedens (LG Bad Kreuznach, Urteil vom 03. Juli 2001 – 1 S 21/01 -, juris).
Kleinkinderlärm ist sozialadäquat. Diesen müssen Mitbewohner in Mehrfamilienhäusern im Grundsatz hinnehmen. Es gibt kein Recht zu Minderung oder fristloser Kündigung (AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 11. November 2008 – 409 C 285/08 -, juris).
Ob eine Verletzung mietvertraglicher Pflichten darin zu sehen ist, dass insbesondere der fünfjährige Sohn des Mieters trotz des Verbotsschildes auf dem Garagenhof und nicht bloß auf dem angrenzenden Spielplatz (zusammen mit anderen Kindern) spielte und dabei den üblichen Spiellärm erzeugte, kann letztlich dahinstehen. Eine solche Pflichtverletzung erreicht jedenfalls nicht die in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgesehene Erheblichkeitsschwelle für eine wirksame Kündigung des Wohnraummietvertrages. Es liegt auch kein wichtiger Grund i.S.d §§ 543, 569 BGB vor (LG Wuppertal, Urteil vom 29. Juli 2008 – 16 S 25/08 -, juris).
Einige wenige Gerichte schließen eine fristlose Kündigung dagegen nicht grundsätzlich aus und halten sie für möglich:
Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 553 BGB wegen des Lärms der Kinder des Mieters setzt grundsätzlich eine Abmahnung und einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Abmahnung, erneutem Verstoß und Kündigung voraus (LG Halle (Saale), Urteil vom 11. Januar 2002 – 1 S 192/01 -, juris). Im Ergebnis hatte das Gericht die Kündigung nur wegen des fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs als unwirksam angesehen.
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 4.3.2015:
Auch wenn Kinderlärm grundsätzlich sozialadäquat und damit hinzunehmen ist, meint das Landgericht Hannover, dass bei unzumutbarer Intensität, Dauer und Zeit des Lärms auch unter Berücksichtigung des Spiel- und Bewegungsdrangs von Kindern eine fristlose Kündigung wirksam sein kann. Damit hat das Landgericht, wie auch zuvor das Amtsgericht, der entsprechenden Räumungsklage des Vermieters stattgegeben. Sozialadäquater Kinderlärm, das weiter zur Begründung, sei nur während der allgemeinen Tageszeiten hinzunehmen.
Kritik:
Erforderlich ist zunächst einmal immer die Grundsatzentscheidung, ob man Kinderlärm als sozialadäquat einstuft. Denn dann kann er keinen Verstoß gegen den Mietvertrag darstellen und ist generell hinzunehmen. Im Hinblick auf die Sozialadäquanz zwischen Lärm am Tag und in der Nacht zu unterscheiden, erscheint kaum möglich, denn Kinder schreien eben (üblicherweise aus anderen Gründen) auch und gerade nachts.
Selbst wenn man im Ergebnis dem Landgericht an dieser Stelle folgen und eine Sozialadäquanz von Schreien in der Nacht ablehnen würde, hätte darüber hinaus auch noch ein Verschulden geprüft werden müssen, um zu einem Vertragsverstoß zu gelangen. Vertragspartner sind nicht die Kinder, so dass es hier auf ein mögliches Verschulden der Eltern (in diesem Fall der alleinerziehenden Mutter) ankäme. Ausweislich der Entscheidung handelte es sich um eine alleinerziehende Mutter mehrerer Kinder. Es dürfte dieser Mutter (wie auch allen anderen Eltern) kaum möglich gewesen sein, Lärm der Kinder zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Verschulden kaum denkbar.
Fachanwaltstipp Mieter:
Wer Probleme mit Nachbarn oder dem Vermieter vermeiden will, sollte im Interesse eines störungsfreien Miteinanders im Haus die genannte Entscheidung ernst nehmen. Aus rein rechtlicher Perspektive dürften Mieter allgemein wenig zu befürchten haben. Das gilt möglicherweise dann nicht, wenn Sie im Bereich Halle oder Hannover wohnen. Hier sollten Sie Ihre Kinder darauf hinweisen, dass diese nachts ruhig sein müssen. Zumindest wenn Sie dies nachweislich getan haben, dürfte tatsächlich jedwedes Verschulden ausgeschlossen sein.
Fachanwaltstipp Vermieter:
In der Praxis wird Ihnen diese Entscheidung des Landgerichts Hannover nicht helfen. Es ist eine Einzelfallentscheidung, sie liegt neben der Spur und widerspricht sich bereits selbst. Wenn sie gleichwohl versuchen, Mieter wegen Lärmbelästigungen durch deren Kinder loszuwerden, gehen Sie ein erhebliches Risiko ein, am Ende mit einem verlorenen Prozess und entsprechenden Kosten sitzen zu bleiben. Möglich ist allerdings, unter Berufung auf die oben zitierte Entscheidung gegenüber den Mietern Druck zu machen, um diese wiederum anzuhalten, ihre Kinder zu beruhigen.
19.8.2015
Ein Artikel von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.
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