Am 22.01.2021 wurde aufgrund des § 18 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) verkündet, die dem Ziel dient, das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit zu minimieren und Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Wer sich davon erhofft hat, einen einklagbaren Anspruch auf Ausübung der Tätigkeit im Home-Office zu erhalten, wird enttäuscht. Tatsächlich existiert lediglich eine zu-nächst bis zum 15.03.2021 befristete Angebotsverpflichtung des Arbeitgebers.
Zentrale Vorschrift ist § 2 Abs. 4 der Verordnung, nach der der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten hat, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Der Wortlaut wirft mehr Fragen als Antworten auf. Möglicherweise ist das auch einer der Gründe, warum das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen FAQ-Katalog veröffentlicht hat. Adressat der Vorschrift ist jeder Arbeitgeber, sowohl der privatrechtlich agierende als auch der öffentlich-rechtliche. Die Verpflichtung ist auch unabhängig davon, wie viele Beschäftigte im Betrieb oder der Dienststelle tätig sind.
Arbeitgeber müssen in drei Stufen eine Prüfung vornehmen, ob sie verpflichtet sind, Beschäftigten anzubieten, ihre Tätigkeit im Home-Office auszuüben:
1. Liegt Büroarbeit oder eine vergleichbare Tätigkeit vor? Wenn ja:
2. Gibt es entgegenstehende Gründe zur Ausübung der Tätigkeit im Home-Office im Sinne des § 2 Abs. 4 der Verordnung? Wenn nein:
3. Verpflichtung zur Unterbreitung eines Home-Office-Angebots
Wesentlich ist zunächst die Art der Tätigkeit. Es muss sich um Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeit handeln. Als vergleichbare Tätigkeiten sieht das BMAS insbesondere – aber nicht zwingend – Arbeiten an, die unter Verwendung von Informationstechnologien aus dem Privatbereich der Beschäftigten heraus erbracht werden können. Noch offen ist die Frage, wie Tätigkeiten zu beurteilen sind, die sowohl Anteile enthalten, die geeignet sind, im Home-Office erbracht zu werden, als auch Tätigkeiten, die nur vor Ort im Betrieb / der Dienststelle möglich sind. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kann man hier argumentieren, dass dann zumindest für einen Teil der Tätigkeit die Verpflichtung zum Angebot besteht, diese im Home-Office auszuüben.
Bei den entgegenstehenden zwingenden betrieblichen Gründen kommen z.B. folgende in Betracht:
– Im Privatbereich des Beschäftigten sind die räumlichen und/oder technischen Voraussetzungen für Home-Office nicht gegeben;
– Die Tätigkeit besteht im Umgang mit besonderen sensiblen personenbezogenen Daten, deren Schutz im Home-Office nicht ausreichend gewährleistet ist;
– Betriebsabläufe würden erheblich eingeschränkt oder könnten gar nicht aufrechterhalten werden (z.B. die Bearbeitung papierhaft eingehender Dokumente, Tätigkeiten mit persönlichem Kundenkontakt)
Technische oder organisatorische Gründe, wie z.B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können i.d.R. nur vorübergehend bis zur Beseitigung des Verhinderungsgrunds angeführt werden.
Beschäftigte, die nach dieser Prüfungsabfolge ein Angebot zur Ausübung ihrer Tätigkeit im Home-Office erhalten, sind nicht verpflichtet, das Angebot anzunehmen. Sind sie damit einverstanden, muss eine Home-Office-Vereinbarung abgeschlossen werden z.B. mittels einer ergänzenden Regelung zum Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung. Die Ausgestaltung dieser Vereinbarungen ist den Vertragsparteien freigestellt, insbesondere besteht keine Vorgabe, einen Telearbeitsplatz gemäß § 2 Absatz 7 der Arbeitsstättenverordnung zu vereinbaren und einzurichten. Existieren im Betrieb bereits Betriebsvereinbarungen, die zum Inhalt haben, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, dem Wunsch nach Home-Office nachzukommen, werden diese Regelungen durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 der Verordnung verdrängt.
Fazit:
Ein Klagerecht des einzelnen Beschäftigten auf Beschäftigung im Home-Office existiert nicht. Allerdings sollen die Arbeitsschutzbehörden der Länder sowie die Unfallversicherungsträger die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben kontrollieren. Beruft sich ein Arbeitgeber z.B. auf dem Home-Office entgegenstehende zwingende betriebliche Gründe, so muss er nach § 22 Absatz 1 ArbSchG auf Verlangen der zuständigen Behörde diese Gründe darlegen.
Betriebsräten kommt hier eine besondere Aufgabenstellung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu: sie sollten ihren Überwachungsauftrag zur Einhaltung der Verordnung durch den Arbeitgeber nutzen. Sollten sie feststellen, dass der Arbeitgeber seinen Prüfungsauftrag nicht wahrnimmt und dokumentiert, warum Arbeitsaufgaben nicht im Home-Office ausgeübt werden können, sollten sie das ausdrücklich anmahnen und Abhilfe fordern. Wenn der Arbeitgeber der Aufforderung dann immer noch nicht Folge leistet, kann der Betriebsrat sich an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden.
Sigrid Britschgi
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