Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat bei einem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Verteidigungsbündnisses leidenschaftlich für eine Aufnahme von beitrittswilligen Ländern wie der Ukraine geworben. In einer Rede vor Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sagte der Norweger, die Erweiterung des Bündnisses nach dem Ende des Kalten Krieges habe Europa geeint, den Weg zur Integration geebnet und Frieden und Wohlstand über den Kontinent gebracht. Wie damals müssten auch heute «Klarheit und Entschlossenheit» gezeigt werden, sagte er.
Zu den Diskussionen über die Aufnahme von Ländern wie Polen, Tschechien und Ungarn Ende der 90er Jahre erklärte Stoltenberg, auch damals hätten einige befürchtet, dass eine Erweiterung die Nato schwächen und Moskau provozieren würde.
Am Ende sei man aber für das Recht jeder Nation eingestanden, selbst über ihren Weg zu entscheiden und habe die Tür der Nato geöffnet. «Kaum eine Entscheidung in der modernen Geschichte hat Europa so tiefgreifend verändert», ergänzte er bei dem Festakt im Andrew W. Mellon Auditorium in Washington.
Mögliche Nato-Einladung für Ukraine ist Streitthema
Mit den Äußerungen zur Nato-Erweiterung stellte sich Stoltenberg zum Auftakt eines dreitägigen Gipfeltreffens klar auf die Seite derjenigen Bündnismitglieder, die dem Beitrittswunsch der Ukraine sehr offen gegenüberstehen und dem Land schnelle Fortschritte im Aufnahmeprozess ermöglichen wollen.
Positive Entscheidungen in diese Richtung werden allerdings vor allem wegen des Widerstandes von Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden nicht erwartet.
Andere Alliierte argumentieren, dass Russland klar und deutlich gezeigt werden sollte, dass es einen Nato-Beitritt der Ukraine nicht wird verhindern können.
Generalsekretär: Es gibt keine Option ohne Risiko
Stoltenberg rief noch einmal zu mehr Militärhilfe für die Ukraine auf. Die Unterstützung bringe Kosten und Risiken mit sich. «Denken Sie daran: Die größten Kosten und das größte Risiko bestehen, wenn Russland in der Ukraine gewinnt», warnte Stoltenberg. Dies würde nicht nur Russlands Präsidenten Wladimir Putin stärken, sondern auch andere autoritäre Führer im Iran, in Nordkorea und in China ermutigen.
«Die Zeit, für Freiheit und Demokratie einzustehen, ist jetzt. Der Ort ist die Ukraine», sagte er. Am besten sei man, wenn man «schwierige Entscheidungen mit politischem Mut und moralischer Klarheit» treffe.
Feier am Ort der Nato-Gründung
Der Festakt wurde im Andrew W. Mellon Auditorium organisiert und damit an dem Ort, an dem am 4. April 1949 mit dem Washingtoner Vertrag das Gründungsdokument der Nato unterzeichnet wurde. Stoltenberg sagte dazu: «Unser Bündnis wurde von Menschen gegründet, die zwei verheerende Weltkriege erlebt hatten. Sie kannten nur zu gut das Grauen, das Leid und die schrecklichen menschlichen Kosten des Krieges. Sie waren entschlossen, dass dies nie wieder geschehen sollte.»
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