• 13. Dezember 2024

Sicher und effektiv: Wieder hat eine Kollusion von Pharmafia und Zulassungsbehörden Menschleben gekostet

ByJörg

Okt 21, 2024

Bereit für das nächste dejá vu?
Eines in: „sicher und effektiv“?
Eines, bei dem Zulassungsbehörden und Pharmafia einmal mehr Hand in Hand marschiert sind, um die Welt der Kranken um ein neues Medikament zu bereichern, das sie noch kränker macht, falls sie es überleben.
Dieses Mal geht es nicht um ein weitgehend harmloses Virus, das zur Gewinngenerierung der Pharmafia missbraucht wird, sondern um eine ernste, eine schwere, eine vererbare Krankheit:

Sichelzellenanämie – Hämoglobinopathie, eine vererbte Krankheit, bei der rote Blutzellen fehlgebildet, sichelförmig und starr sind, so dass sie perfekt geeignet sind, um Blutgefäße zu verstopfen, mit allem, was damit einhergeht.

Insofern ist die Sichelzellenanämie als „Durchblutungsstörung“ etwas unterklassifiziert, vor allem wenn man bedenkt, dass wiederkehrende Phasen, in denen der Erkrankte unter heftigen Schmerzen leidet, weil seine roten Blutzellen gerade kolludieren, um Organen oder Gelenken die Blutversorgung abzuschneiden, wiederkehrende Phasen die Sichelzellenanämie auszeichnen, so genannte vaso-occlusive crisis, wohl am besten mit Krisen aufgrund eines arteriellen Verschlusses übersetzt, VOCs, auf die wir im weiteren Verlauf zurückkommen, das Markenzeichen der Sichelzellenanämie, die mit einer ganzen Reihe von üblen Sekundär-Erkrankung einhergeht, sind, etwa:

  • Organinfarkte, Nekrosen;
  • Unterschenkelgeschwüre;
  • eine Neigung, an schweren Infektionen zu erkranken;
  • Sehstörungen bis zum Erblinden;
  • Milzvergrößerung;
  • Gallenblasenentzündung;
  • ein plötzlicher Zerfall von roten Blutkörperchen;
  • akutes Thoraxsyndrom
  • und vieles mehr – am Ende steht – wie bei schweren Erkrankungen üblich: der Tod.

5% der Weltbevölkerung haben die genetischen Anlagen, die notwendig sind, um an Sichelzellenanämie zu erkranken, einen Defekt auf einem Gen, das für die Bildung roter Blutkörperchen verantwortlich ist. In manchen Regionen der Welt sind es bis zu 25% der Bevölkerung, die diesen Gendefekt mit sich herumtragen. Problematisch wird der Gendefekt indes erst, wenn er homozygotisch vererbt wird, von Mutter und Vater an den Sprößling, der fortan an Sichelzellenanämie leidet, weitergegeben wird, eine Aufgabe, die vor allem in Verwandtenehen, wie sie in großem Stil nach Europa importiert werden, sehr erfolgreich gelöst wird. Wer sich über die vielen Probleme, die mit Cousinenheirat einhergehen, informieren will, der kann das hier und hier tun.

Quelle: Gelbe Liste

Deshalb ist Sichelzellenanämie auch für die Pharmafia interessant, denn Sichelzellenanämie ist ein Wachstumsmarkt, weil die Träger des entsprechenden Gen-Defekts per Migration aus Zentralafrika, dem Mittleren Osten bzw. Teilen Asiens in westliche Staaten importiert werden und dort zwangsläufig zu einer weiteren Verbreitung der Sichelzellenanämie beitragen.

Und weil das ein Wachstumsmarkt ist, deshalb versuchen sich eine Reihe von Unternehmen daran, Medikamente zu entwickeln, die es ermöglichen, Hoffnung auf Erleichtung von Beschwerden zu bewerben, eine Aufgabe, die dadurch erleichtert wird, dass es bislang keine Behandlung jenseits von Gentherapie und Stammzellentherapie, die beide ihre eigenen Probleme aufweisen, für Sichelzellenanämie gibt.

Wir erzählen in diesem Post die Geschichte von Oxbryta/Voxelotor, die einmal mehr zeigt, wie diejenigen, die den Schutz von Zulassungsbehörden vor ruchlosen Pharmafiosi am dringendsten benötigen, von eben diesen Zulassungsbehörden verkauft werden.

Beginnen wir unsere Geschichte mit diesem Beitrag:

Lehrer-Graiwer et al. (2020) feiern in ihrem Beitrag das Phase-III-Trial, das letztlich zur Zulassung von Oxbryta/Voxelotor durch die FDA geführt hat, weil dieses Trial gezeigt habe, wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen der privaten Industrie, gemeint ist die Pharmafia und der Zulassungsbehörde, gemeint ist die Food and Drug Administration der USA (FDA) doch gewesen sein. Und dass die Zusammenarbeit fruchtbar war und letztlich zur Zulassung von Oxbryta geführt hat, das hat die Veränderung des Endpunktes im Verlauf des Trials zur Ursache.

Der Endpunkt in einem klinischen Trial gibt die Bedingung an, unter der ein Trial als für das getestete Medikament als erfolgreich, bewertet werden kann. Soll ein Medikament vor Tod während eines viralen Infekts schützen, dann ist der Endpunkt in einem Trial, das diese Funktion des Medikaments testen soll, der Tod und man wird erwarten, dass in der medikamentierten Gruppe deutlich weniger Leute sterben als in der Kontrollgruppe. Im Hinblick auf Sichelzellenanämie war bislang in kliischen Trials der Endpunkt eine so genannte VOC, eine vaso-occlusive crisis, ein Verschluss von Blutgefäßen, der für den Betroffenen mit heftigen Schmerzen und einem Krankenhausaufenthalt einhergeht. Indes, bei Oxbryta/Voxelotor wurde dieser Endpunkt aufgegeben und durch einen neuen Endpunkt ersetzt, der die Schwere der Schmerzen die ein VoC ankündigen, zum Gegenstand hatte. Und gemessen an diesem Endpunkt ist Oxbryta/Voxelotor ein minderwertiges Medikament:

„At a prespecified interim analysis, the new PRO instrument, the SCD Severity Measure (SCDSM) utilized in the HOPE trial failed to demonstrate a drug effect, for two possible reasons: (1) baseline SCDSM scores were too low to reasonably detect a reduction; and (2) daily measurements introduced wide interpatient and intrapatient score variability that substantially reduced analysis power.“

Was tut, wenn das Medikament im klinischen Trial am ursprünglichen und bereits im Vergleich zu anderen klinischen Trials von Medikamenten zur Bekämpfung von Sichelzellenanämie aufgeweichten Endpunkt scheitert? Man schaut, was das Zeug bewirkt und definiert das, was man gefunden hat, als neuen Endpunkt.

Im Fall von Oxbryta/Voxelotor bedeutet das, dass der neue Endpunkt als verbesserte Produktion von Hämoglobin benannt wurde, etwas, was für Oxbryta/Voxelotor im klinischen Trial beobachtet wurde, auch wenn niemand weiß, ob dieser erhöhte Spiegel an roten Blutkörperchen auf Dauer irgend eine Verbesserung für die Kranken mit sich bringt. Am besten bringt dieses Nichtwissen, die EMA, die Oxbryta/Voxelotor infolge der Zulassung durch die FDA natürlich auch zugelassen hat, zum Ausdruck:

Quelle: EMA

Oxbryta/Voxelotor wurde in der EU zugelassen, weil es im klinischen Trial [nach der oben beschriebenen Veränderung der Anforderungen, so dass das Zeug irgendeine Wirkung zeigt] den Hämoglobin-Spiegel der Behandelten, zumindest 51% der Behandelten um rund 1 g per  dL erhöht hat:

Quelle: EMA

Wir wissen zwar nicht, so schreibt die EMA im ersten Kasten, ob diese Erhöhung auf Dauer irgend eine Verbesserung für die Lebensqualität der Betroffenen darstellt, und wir wissen nicht, ob die mit dieser Erhöhung verbundene „Verbesserung“, nicht eigentlich eine Verschlechterung ist, denn das Zeug reduziert die Fähigkeit roter Blutkörperchen, Sauerstoff abzugeben, aber wir lassen es dennoch zu. Eine Entscheidung, die man nachvollziehen kann, wenn man weiß, dass die meisten Zulassungsbehörden, dass EMA und FDA von der Pharmafia gekauft sind finanziert werden.

Auch der offizielle Beitrag, in dem die Ergebnisse des angesprochenen Phase-III-Trials veröffentlicht wurden, feiert genau diese Fähigkeit von Oxbryta/Voxelotor:

„Voxelotor 1500 mg resulted in rapid and durable improvements in haemoglobin concentrations maintained over 72 weeks and has potential to address the substantial morbidity associated with haemolytic anaemia in sickle cell disease.“

Die Rede ist von diesem Beitrag (und das Zitat entstammt diesem Beitrag):

Howard, Jo, Kenneth I. Ataga, Robert C. Brown, Maureen Achebe, Videlis Nduba, Amal El-Beshlawy, Hoda Hassab et al. (2021). Voxelotor in adolescents and adults with sickle cell disease (HOPE): long-term follow-up results of an international, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. The Lancet Haematology 8(5): e323-e333.

Alles Klasse.
Großartiges Medikament, das die Leiden von Patienten mit Sichelzellenanämie reduziert, nein, sie zu reduzieren verspricht. Indes, schon die offizielle Ergebnisveröffentlichung, die dem Trial angehängt ist, dämpft die Euphorie für diejenigen, die genau lesen, etwas:

„Serious adverse events unrelated to sickle cell disease were reported in 25 (28%) of 88 patients in the voxelotor 1500 mg group, 20 (22%) of 92 patients in the voxelotor 900 mg group, and 23 (25%) of 91 patients in the placebo group. Grade 3 or 4 adverse events were infrequent (ie, occurred in <10% of patients); anaemia occurred in five or more patients (two [2%] patients in the voxelotor 1500 mg group, seven [8%] patients in the voxelotor 900 mg group, and three [3%] patients in the placebo group). Of all 274 patients, six (2%) deaths occurred during the study (two deaths in each treatment group), all of which were judged as unrelated to treatment.“

Sechs Tote, vier davon in den Behandlungsgruppen, 5% der mit Oxbryta/Voxelotor Behandelten erleiden eine Anämie, also das, was angeblich verhindert wird, bei 3,2% in der Kontrollgruppe ist dies der Fall und je 25% erleiden schwere Nebenwirkungen, wobei man beachten muss, dass die Population des klinischen Trials aus Personen mit Sichelzellenanämie rekrutiert wurde, also aus bereits Erkrankten. In jedem Fall kann man diesen mageren Zahlen bereits entnehmen, dass Oxbryta/Voxelotor mit einem erhöhten Risiko, zu versterben oder anämisch zu werden, einhergzugehen scheint, und es zumindest keine selteneren schweren Nebenwirkungen in der Behandlungsgruppe und im Vergleich zur Kontrollgruppe gegeben hat. Viel Risiko, um den Hämoglobin-Spiegel zu erhöhen.

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Dessen ungeachtet ist die EMA und vor ihr bereits die FDA dieses Risiko stellvertretend für diejenigen, die das Zeug dann einnehmen müssen, eingegangen. Auch die Zulassung von Oxbryta/Voxelotor durch die FDA und nachfolgend durch die EMA ist kein Wunder, wenn man die systematische Weise, in der die Zulassung von der FDA vorbereitet wurde, in Rechnung stellt: 2015  wird Oxbryta als eines der Medikamente, das bervorzugt und schnell zugelassen werden soll, deklariert. Ebenfalls 2015 mit dem Titel einer „orphan drug“, eine weitere Methode, die Dauer der Zulassung zu verkürzen, ausgezeichnet. 2017 folgt die Klassifizierung als ein Medikament das zur Behandlung pedriatrischer Erkrankungen sehr wichtig ist, und 2018 die Einordnung des Medikaments als „breakthrough therapy“. Dass Oxbryta/Voxelotor dann am 25, November 2019 durch die FDA und am 14. Februar 2022 in der EU zugelassen wird, ist keine Überraschung, denn sowohl die FDA als auch die EMA, die Oxbryta/Vexolotor am 18. November 2016 zur „orphan drug“ erklärt hat, haben sich damit quasi auf eine Zulassung festgelegt.

Als Orphan Drug kann ein Medikament eingestuft werden, mit dem die Behandlung einer seltenen, schweren Erkrankung beabsichtigt ist. Interessant, schon angesichts der vier Toten und der 25% schweren Nebenwirkungen, die aus dem klinischen Trial berichtet werden, ist in diesem Zusammenhang noch, was die EMA als Nebenwirkungen von Oxbryta/Voxelotor angibt:

Quelle: EMA

Wir haben es also wieder einmal mit einem dieser sicheren und effektiven Medikamente zu tun, die zugelassen werden, weil sie etwas versprechen, von dem niemand weiß, ob sie es je halten können, die mit einigen, zum Teil erheblichen Problemen einhergehen, von denen wiederum gehofft wird, dass sie sich nicht materialisieren und wenn doch, na dann treffen sie andere. Einmal mehr wird ein Produkt auf Konsumenten losgelassen, für das es ein mehr als mangelhaftes Sicherheitsprofil gibt, und es wird auf die Konsumenten, in diesem Fall schwerkranke Menschen losgelassen, obschon es keine wirklichen Hinweise dafür gibt, dass das Zeug einen großen gesundheitlichen Nutzen erbringt.

Und es kommt, was kommen muss:

Die Marktzulassung von Oxbryta wurde gerade durch die European Medicines Agency ausgesetzt. Das Medikament ist vom Markt entfernt. Es darf nicht mehr verordnet oder eingesetzt werden. Sämtliche laufenden Trials mit dem „Medikament“ wurden ausgesetzt.

Und warum?
Weil Menschen, die mit Oxbryta/Voxelotor behandelt wurden, daran gestorben sind.
Sie erinnern sich vielleicht an das oben berichtete Ergebnis: 4 Tote im Verlauf eines Phase-III-Trials in den Behandlungsgruppen, zwei in der Kontrollgruppe. Das Ergebnis wurde vollkommen ignoriert und verschafft sich nun in der realen Welt Geltung, offenkundig so sehr, dass die Zulassungsbehörden sich beeilen, Oxbryta/Voxelotor vom Markt zu nehmen. Ein für die EMA und die FDA eher ungewöhnliches Verhalten, wenn man bedenkt, wie viele Tote die Zulassungsbehörden bei COVID-19 Shots unberührt gelassen haben. Aber natürlich ist die Population, die als an Sichelzellenanämie Erkrankte die Folgen einer Oxbryta/Voxelotor-Behandlung zu tragen haben, eine andere, eher eine, die mit Cousinenheirat auffällt und nicht zu den schon-länger-hier-Lebenden gehört.

Bleibt noch der Hersteller dieses „Medikaments“ nachzutragen:

Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Siehe da: Pfizer.

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Author: Michael Klein
Michael Klein

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