Nach dem historischen Gefangenenaustausch zwischen Russland, Belarus und mehreren westlichen Ländern hat Bundeskanzler Olaf Scholz 13 Freigelassene in Deutschland empfangen. «Das war sehr bewegend», sagte er anschließend am Flughafen Köln/Bonn. «Viele haben um ihre Gesundheit und auch um ihr Leben gefürchtet, das muss sehr klar gesagt werden und deshalb ist es auch wichtig, dass wir ihnen diesen Schutz jetzt hier ermöglicht haben.»
Bei der beispiellosen Aktion unter Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT wurden insgesamt 26 Gefangene ausgetauscht. Im Gegenzug für die Freilassung politischer Gefangener und Kremlkritiker ließen Deutschland, die USA und Partnerländer einen verurteilten Mörder und unter Spionageverdacht stehende Häftlinge aus Russland gehen. So überstellte Deutschland bei der Übergabe auf dem Flughafen der türkischen Hauptstadt Ankara Wadim K., den sogenannten Tiergartenmörder. Russland ließ unter anderen den wegen Spionage verurteilten «Wall Street Journal»-Korrespondenten Evan Gershkovich sowie prominente Oppositionelle wie Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin frei.
Herzlicher Empfang durch Putin auf dem Rollfeld
Auch der russische Präsident Wladimir Putin nahm die vom Westen freigelassenen Russen persönlich in Empfang. Der Kremlchef umarmte mindestens einen der Männer noch auf dem Rollfeld, wo die Präsidentengarde Spalier stand. «Ihr seid zu Hause, Ihr seid in der Heimat», begrüßte Putin die Freigelassenen und kündigte an, dass sie für staatliche Auszeichnungen vorgeschlagen würden.
In den USA wollen Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris neben Gershkovich auch ihre aus der Haft frei gekommenen Landsleute Paul Whelan und Alsu Kurmasheva am späten Donnerstagabend (Ortszeit) an einem Militärflughafen nahe Washington empfangen. Nach Angaben des Weißen Hauses sollen die drei um 05:30 Uhr (MESZ) ankommen.
«Aus Menschlichkeit Deal mit dem Teufel machen»
Vor allem die Freilassung des «Tiergartenmörders» Wadim K. sorgte bei aller Freude über die Freilassung der politischen Gefangenen für einen bitteren Beigeschmack. «Niemand hat sich diese Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben», sagte Scholz. Die schwierige Entscheidung sei von der Koalition nach sorgfältiger Beratung und Abwägung gemeinsam getroffen worden, der Oppositionsführer – Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) – frühzeitig informiert und nach eigenem Bekunden einverstanden gewesen.
Nach dem Treffen mit den Freigelassenen bezeichnete Scholz den Austausch als richtige Entscheidung. «Und wenn man da irgendwelche Zweifel hatte, dann verliert man die nach dem Gespräch mit denjenigen, die jetzt in Freiheit sind.»
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth schrieb auf X, manchmal müsse man «aus Gründen der Menschlichkeit mit dem Teufel einen Deal machen». Justizminister Marco Buschmann räumte ein, für die Freiheit der Gefangenen habe man schmerzhafte Zugeständnisse machen müssen. Mit Blick auf die Ausweisung des verurteilten Mörders Wadim K. sagte er: «Ein besonders bitteres Zugeständnis verantworte ich als Justizminister.»
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte den Gefangenenaustausch, warnte aber vor den Folgen solcher Deals. «Die russische Regierung könnte sich so zu weiteren politischen Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen ermutigt fühlen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen», sagte der stellvertretende Generalsekretär in Deutschland, Christian Mihr.
Unter den deutschen Staatsbürgern, die frei kamen, war der in Belarus zunächst zum Tode verurteilte und später begnadigte Rico K. Auch Patrick S., der nach Behördenangaben wegen Cannabis-Gummibärchen im Gepäck am Flughafen in Sankt Petersburg festgenommen worden war, wurde an Deutschland übergeben.
«Tiergartenmörder» zu lebenslanger Haft verurteilt
Der nun an Russland überstellte Wadim K. hatte 2019 in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten einen Georgier tschetschenischer Abstammung ermordet, der in Deutschland Schutz gesucht hatte. Das Berliner Kammergericht verurteilte ihn 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Kremlchef Putin nahm den Mörder öffentlich in Schutz, weil er aus russischer Sicht einen Staatsfeind beseitigt hatte. Russische Behörden hatten den Georgier als tschetschenischen Terroristen eingestuft.
Das vorzeitige Ende der Haft für den «Tiergartenmörder» wühlte auch die Hinterbliebenen des Opfers auf. «Das war eine niederschmetternde Nachricht für uns Angehörige», teilten diese über ihre Anwältin Inga Schulz der Deutschen Presse-Agentur mit. «Einerseits sind wir froh, dass jemandes Leben gerettet wurde. Gleichzeitig sind wir sehr enttäuscht darüber, dass es in der Welt anscheinend kein Gesetz gibt, selbst in Ländern, in denen das Gesetz als oberste Instanz gilt.»
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Author: [email protected]