• 18. November 2024

Prof. Patzelt über ein letztes Aufbäumen der Macht bei Scholz und Biden

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Nov 18, 2024

Noch-Präsident Joe Biden genehmigte der Ukraine reichenweitenstarke Waffensysteme gegen Russland. Und der Rest der Ampel will umfangreich noch liegengebliebene Gesetzesvorhaben durchsetzen. Ist hier – vielleicht mit Blick auf den demokratischen Wechsel – eine politische Kultur kaputt gegangen oder gar eine Rechtslage verletzt worden?

Es ist Folgendes anders: Die Opposition zieht es vor, der Regierung nicht in den Weg zu treten. Die Regierung hat zwar keine Mehrheit. Aber Friedrich Merz hat auch keine, sozusagen zulässige, Mehrheit. Denn die einzige Mehrheit, die er hätte, wäre mit der AfD. Aber mit der kann, darf, soll, will er nicht. Infolgedessen gibt es keine Möglichkeit, die Regierung zu stoppen.

Normalerweise hätte in dieser Lage der Oppositionsführer ein konstruktives Misstrauensvotum auf den Weg gebracht und wäre zum Kanzler gewählt worden. Er hätte dann auch gleich erklären können: Wir werden so schnell wie möglich Neuwahlen herbeiführen, weil wir keine verlässliche Mehrheit haben. Aber weil sich die CDU durch ihre Brandmauerei um diese Machtmöglichkeit gebracht hat, muss sie sich jetzt von der SPD am Nasenring durch die politische Landschaft ziehen lassen.

Wenn jetzt die Reste-Ampel sagt, sie hätten noch über einhundert Gesetzes-Vorhaben umzusetzen, gibt es da nicht eine politisch-ethische Verantwortung, die man hier fallen lässt, um stattdessen in dieser Übergangsphase weitere ideologische Grundpfeiler einzurammen?

Nachdem abtretende Regierende wissen, dass sie auf absehbare Zeit keine Möglichkeit mehr haben Macht auszuüben, versuchen sie, so viel von dem, was sie gestalten wollen, jetzt doch noch zu verwirklichen. Das macht Joe Biden so, und das macht Olaf Scholz auch.

In Deutschland müsste man das zwar nicht hinnehmen, weil sich die Opposition gegen eine Regierung, die keine Mehrheit mehr hat, jederzeit durchsetzen kann – aber natürlich nur, wenn sie zur Zusammenarbeit willens ist. Die AfD wäre da wohl willens, doch die CDU ist das nicht, weil sie sich nämlich nicht traut. Folglich kann die SPD jetzt schalten und walten, wie sie will.

Das heißt, es gibt da schon einen Unterschied zwischen USA und Deutschland …

In den USA gibt es überhaupt keine politische oder sonstige Möglichkeit, Biden daran zu hindern, sein Amt auszuüben. Und wenn er politisch gestalten will, dann hat er noch einige Wochen im Amt.

Normalerweise würde man aus Respekt vor den politischen Gegnern dennoch keine scharfen neuen Akzente setzen. Wenn aber eine Gesellschaft abgrundtief polarisiert und ideologisiert ist, dann spielt so etwas wie Respekt auch dann keine Rolle mehr, wenn man dieses Wort dauernd im Munde führt wie der deutsche Bundeskanzler.

In Deutschland ließe sich der Kurs von SPD und Grünen politisch jederzeit stoppen. Keinerlei Rechtsnorm steht dem entgegen. Hier beobachten wir schlicht und einfach eine Selbstfesselung der Union, die um jeden Preis jegliche Unterstützung durch die AfD unterbinden will. Außerdem weiß die CDU, dass sie im Wahlkampf nichts anderes versprechen kann als eine neue Koalition mit der SPD. Also vermeidet sie eine Politik der verbrannten Erde und der abgebrochenen Brücken. Letztlich ist es für die Union alternativlos, den Kurs der jetzigen Regierung fortzusetzen, nur eben unter eigener Führung.

Danke für das Gespräch!

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Author:
Alexander Wallasch

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