Nicht nur Amazon und eBay betroffen
JBM – Tausende von privaten Verkäufern auf Verkaufplattformen – wie Amazon, eBay & Co. – müssen demnächst mit dem Risiko der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens – im schlimmsten Fall sogar mit dem Besuch der Steuerfahndung selbst – rechnen. Grund hierfür sind in der Vergangenheit über Verkaufsplattformen abgewickelte Verkäufe als Privatperson, die sich jedoch bei genauem Hinsehen der Finanzbehörden als gewerbliche Tätigkeit darstellen.
Millionen von Deutsche kennen es: „Drei, zwei, eins – meins!“ Der eBay-Erfolgsslogan, an den sich fast jeder Deutsche erinnern mag – bis zum Schluss wurde geboten, gezittert und gejubelt. Lange Minen bei verlorenen Versteigerungen gehörten bei Käufern und Spekulanten ebenfalls dazu – Emotionen pur.
Weniger jubeln, sondern zittern und mit langer Mine dreinblickend darf nun wohl so mancher Verkäufer. Insbesondere sind diejenigen privaten Verkäufer betroffen, die in den Jahren nach 2003 – bewusst oder unbewusst – auffällig viel Verkäufe oder Umsätze von insgesamt mehr als 17.500 Euro pro Jahr erzielt haben.
Waren es anfänglich Bücher und Secondhand-Artikel, die über die Marktplattformen von Amazon, eBay & Co. „vertickert“ wurden, sind es inzwischen auch Yachten, Autos, Flugzeuge, Villen und vieles Kurioses mehr. Milliardenbeträge werden jährlich über diese Internetplattformen umgesetzt, an denen diese wiederum kräftig verdienen.
Zum Leid dieser Anbieter tummeln sich auf diesen Plattformen aber auch ungebetene Gäste: Kriminelle und potenzielle Steuerhinterzieher. Daher setzen die Finanzverwaltungen bereits seit Jahren spezielle Internetprüfer und Fahnder ein, da sich der Handel im Internet in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet hat – Verdachtsfälle auf Kriminalität und Steuerhinterziehungen drastisch gestiegen waren.
Die Steuerfahndung Hannover forderte im Jahr 2012 einen großen Internetanbieter auf, im Rahmen eines Sammelauskunftsverfahrens all´ jene Händler mit Klarnamen und Adressen, die einen Umsatz von mehr als 17.500 Euro im Jahr tätigten, zu benennen – allerdings ohne konkrete Ermittlungshandlungen gegen einzelne Verkäufer darzulegen.
Das Verfahren landete nach der Weigerung auf Herausgabe der Daten vor dem Niedersächsischen Finanzgericht. Das Finanzgericht erteilte erstinstanzlich dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Hannover eine Absage und ließ ein solches Sammelauskunftsverfahren nicht zu – der Internetriese wehre sich zu Recht, so die Richter. Darüber hinaus berief sich die Internetplattform auch auf eine vertragliche Klausel, wonach das hier in Deutschland ansässige Unternehmen mit einer in Luxemburg ansässigen Partnergesellschaft vertragliche Verschwiegenheit vereinbart hatte und darüber hinaus die Daten auf dem Server im Ausland gespeichert waren.
Die Parteien trafen sich erneut vor dem Bundesfinanzhof, der diese Entscheidung allerdings im Juli 2013 wieder aufhob und an das in Hannover ansässige Finanzgericht zurückverwies.
Aktuell kommt dasselbe Gericht wiederholt zu der gleichen Entscheidung, dass dieses Auskunftsersuchen rechtmäßig war – eine erneute Revision wurde nicht zugelassen. Wenn die Entscheidung Anfang September rechtskräftig wird, wovon Beobachter des Verfahrens nach dem jetzigen Stand ausgehen, könnten in den Steuerfahndungsstellen die „… Korken knallen“, wie der Volksmund sagt.
Hintergrund
Unter den Tausenden gewerblichen Verkäufern auf den Marktplattformen, wie eBay, Amazon & Co., tummeln sich seit deren Gründung neben Hehlern auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Anbietern, die sich als Privatverkäufer auf den Plattformen darstellen, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind.
Werden bei eBay die Anzahl der Verkäufe hingegen offen ausgewiesen, sind es bei Amazon nur die Anzahl von Kundenbewertungen, die auf eine mögliche verkaufte Menge – und somit auf eine mögliche gewerbliche Handlung – hinweisen. Die konkurrierende Verkaufsplattform Alibaba – kurz mit unter „& Co.“ laufend – ist für deutsche Ermittler hingegen fast gar nicht greifbar.
Dabei treten die Verkäufer selten mit ihrem tatsächlichen Namen auf, sondern überwiegend unter Pseudonymen. Das macht es den Fahndern der Finanzverwaltungen eben schwierig, gegen diese Verkäufer vorzugehen.
Einer aktuellen Umfrage des Internetanbieters eBay unter seinen Verkäufern zufolge sind inzwischen 20 Prozent aus Gründen einer Nebenerwerbsabsicht auf dem Portal präsent.
Seit Jahren müssen die Ermittler zusehen, wie Tausende als privat getarnte Verkäufer Jahr für Jahr insgesamt millionenschwere Umsätze tätigen, ohne beim Finanzamt steuerlich als gewerbliche Unternehmer angemeldet zu sein.
Viel schlimmer: Dem Fiskus entgehen dadurch jährlich Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer in Millionenhöhe.
Verkauft eine Privatperson gelegentlich Dinge aus dem eigenen Umfeld, so interessiert dies die Finanzbehörden nicht – die Anzahl von Verkäufen ist sehr begrenzt. Einige nutzen die Marktplattformen allerdings dazu, ihr Haushaltsgeld aufzufrischen, indem sie Waren einkaufen oder ersteigern, und anschließend zu einem höherem Betrag wieder veräußern. Und diese Handlungen sieht der Gesetzgeber bereits als unternehmerische Handlung an.
Als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gilt nämlich, wer eine gewerbliche Tätigkeit selbständig ausübt. Somit ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen – im Sinne des Umsatzsteuergesetzes – als gewerbsmäßig anzusehen, selbst wenn keine Gewinnerzielungsabsicht besteht.
Amazon, eBay & Co. mussten sich in der Vergangenheit auch immer wieder nachsagen lassen, dass deren Plattformen Kriminelle geradezu einladen, Hehlerware zu „vertickern“.
Seit Anfang 2015 haben eBay, Amazon & Co. ihre Regeln allerdings verschärft. So müssen Verkäufer sich gezielt offenbaren: Neben der Kopie des Personalausweises und Angaben zu Bankverbindungen müssen auch die Gewerbeanmeldung oder ein Handelsregisterauszug vorgelegt werden. Alles soll dazu dienen, die Verkäufer transparent zu erfassen – Kriminalität und Steuerhinterziehung zu minimieren.
Betroffene Personenkreise haben nun noch die Möglichkeit sich mit einer strafbefreienden Selbstanzeige vor den Folgen eines Steuerstrafverfahrens zu schützen, solange die Taten durch die Steuerfahnder noch nicht „entdeckt“ sind.
Entdeckt sind sie bereits schon dann, wenn die betroffenen Personen davon ausgehen müssen, bei einem Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung mit auf der Liste zu stehen.
Der Autor, Jeroen Breforth, ist als freier Dozent für Steuerstrafrecht, Forensiker in Wirtschaftsstrafsachen sowie Fachjournalist zum Thema Wirtschaftskriminalität und Steuerstrafrecht – zudem langjährig als Mitglied der Geschäftsleitung bei einer Steuerberatungsgesellschaft tätig. Ferner ist er als Ausbilder und Coach bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sowie bei den rechts- und steuerberatenden Berufen etabliert.
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