Parallel zur politischen Kursbestimmung des konservativen Regierungschefs riefen Gewerkschaften landesweit zu Kundgebungen auf, es gab Streikandrohungen bei der Staatsbahn SNCF sowie im öffentlichen Dienst. Mit gravierenden Behinderungen wurde nicht gerechnet.
Nach zähen Sondierungen, die auf die vorgezogene Parlamentswahl im Juni folgten, hatte Präsident Emmanuel Macron den ehemaligen EU-Kommissar Barnier zum Regierungschef ernannt. Dieser bildete eine Mitte-Rechts-Regierung, die in der Nationalversammlung allerdings nicht über eine absolute Mehrheit verfügt. Deshalb könnte dem konservativen Regierungschef gleich im Anschluss an seine Regierungserklärung ein Misstrauensantrag des linken oder des rechten Lagers drohen.
Regierung vom Start weg in der Kritik
Von der Opposition hagelte es bereits massive Kritik an der Regierung, die trotz eines Siegs des Linksbündnisses bei der Wahl vor allem aus Politikern des Mitte-Lagers von Macron sowie aus Konservativen besteht. Ohne absolute Mehrheit wird die Regierung in der Praxis auch auf die Duldung des im Unterhaus stark vertretenen Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen angewiesen sein.
Am Tag seiner Ernennung hatte Barnier (73) eine politische Neuausrichtung Frankreichs angekündigt. Zu den Grundlinien seiner künftigen Politik sagte er, dass es ihm um eine Verbesserung des Lebensstandards der Franzosen und des Funktionierens der öffentlichen Dienste gehe, insbesondere der Schulen und des Gesundheitswesens. Ein weiterer Schwerpunkt sei mehr innere Sicherheit, eine Kontrolle der Einwanderung und die Förderung der Integration. Außerdem sollten Unternehmen und Landwirte sowie die wirtschaftliche Attraktivität Frankreichs gefördert werden.
Hohe Schulden treiben Frankreich in Klemme
Unabhängig von den politischen Lagerkämpfen erwartet Barnier als erste Herausforderung, für das hoch verschuldete Frankreich unter Zeitdruck einen Haushalt für das kommende Jahr auf die Beine zu stellen. Der neue Haushaltsminister sprach von einer besorgniserregenden Lage. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich. An einem drastischen Sparkurs in Frankreich mit seinen traditionell hohen öffentlichen Ausgaben führt eigentlich kein Weg vorbei und über die Frage möglicher Steuererhöhungen ist schon Streit entbrannt.
Druck auf Barnier gibt es auch in der Frage einer Rücknahme oder Überarbeitung der unpopulären Rentenreform von Präsident Macron, die dieser im vergangenen Jahr letztlich ohne Abstimmung im Parlament durchgedrückt hatte. Die Rentenreform ist auch ein Thema der heutigen Demonstrationen in Frankreich.
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