Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck zum Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.03.2015, Aktenzeichen 54 Ca 14420/14.
Ausgangslage:
Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns versuchen Arbeitgeber mit verschiedenen Methoden diesen zu umgehen oder zumindest den Schaden gering zu halten. Trinkgeldkassen und Gutscheine als Aufstockung hin zum Mindestlohn lassen sich relativ schnell als unzulässige Methoden entlarven. Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine Unzulässigkeit der Maßnahme, bzw. eine Umgehung des Mindestlohngesetzes nicht ohne weiteres auf der Hand liegen. Teilweise werden die Unklarheiten durch unzureichende Regelungen im Mindestlohngesetz gefördert.
Fall:
Eine Arbeitnehmerin wurde gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt. Darüber hinaus erhielt sie ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Wegen der Einführung des Mindestlohns sprach die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine Änderungskündigung aus. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis und bot der Arbeitnehmerin gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin.
Urteil:
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Das Arbeitsrecht laut Pressemitteilung: Der gesetzliche Mindestlohn soll unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche
Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.
Gegen das Urteil ist die Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Bewertung:
Das Urteil dürfte zutreffend sein. De facto handelt es sich um eine Änderungskündigung mit der unmittelbaren Folge einer Vergütungsherabsetzung. Soweit der Arbeitgeber als Kündigungsgrund die Einführung des Mindestlohngesetzes heranzieht, muss dies scheitern. Andernfalls würde der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung konterkariert. Änderungskündigungen mit der Folge einer Vergütungsherabsetzung werden von den Arbeitsgerichten im übrigen regelmäßig kassiert.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Einseitige Maßnahmen wie die Änderungskündigung werden in vielen Fällen allein deshalb nicht zum Erfolg führen, weil die Arbeitnehmer vor Gericht aus den oben aufgeführten Gründen gute Erfolgsaussichten haben. Arbeitgeber sollten vielmehr überlegen, ob nicht eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages herbeigeführt werden kann. Diese wird vom Gericht nämlich nicht überprüft und ist, soweit der Mindestlohn insgesamt eingehalten wird, auch nicht mehr anfechtbar. Natürlich wird man dem Arbeitnehmer hier als Gegenleistung auch etwas anbieten müssen.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wenn der Arbeitgeber unzulässige Umgehungsversuche startet, müssen Arbeitnehmer wachsam sein. Das Wichtigste ist, nicht unüberlegt etwas zu unterschreiben. Von einem solchen Änderungsvertrag kommt man in der Regel nicht mehr weg. Eine Änderungskündigung muss innerhalb der vom Arbeitgeber gesetzten Frist unter Vorbehalt angenommen und dann per Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang angegriffen werden. Wenn der Arbeitgeber einfach einseitig unzulässige Verrechnungen vornimmt oder nicht den vollen Mindestlohn zahlt, kann vor Gericht einfach auf die Differenz geklagt werden. Ausschlussfristen sollten vorsichtig beachtet werden. D.h. man sollte nicht zu lange warten.
Quelle:
Pressemeldung Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 04.03.2015, Aktenzeichen 54 Ca 14420/14
12.4.2015
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