Wird ein arbeitstechnischer Zweck in mehreren Betrieben verfolgt und erledigt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in einem dieser Betriebe, spricht dies für seine Eingliederung in diesen Betrieb und gegen die Eingliederung in einen anderen Betrieb, in dem der gleiche arbeitstechnische Zweck verfolgt wird.
BAG, Beschluss vom 26.5.2021 – 7 ABR 17/20
(Leitsatz d. Verfasserin)
Die Arbeitgeberin gehört einem internationalen, in Sparten organisierten Konzern an. In Deutschland unterhält sie 19 Standorte mit über 700 Beschäftigten. Im Jahr 2010 wurde eine GmbH, die Softwareentwicklung des „Brands C“ durchführte und einen Betrieb in H und ein Büro in He hatte, auf die Arbeitgeberin verschmolzen. Das Büro wurde im Jahr 2012 geschlossen. Einer der dortigen vier Mitarbeiter ging in den Ruhestand; die anderen drei arbeiten seitdem für den Bereich „Brands C“ am Standort in S. Im Jahr 2012 gingen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat H davon aus, dass der Betriebsrat am Standort H für diese Arbeitnehmer zuständig bleibt. In der Folgezeit stellte die Arbeitgeberin für den Bereich „Brands C“ drei Arbeitnehmer neu ein und beschäftigt sie seitdem im Betrieb S. Die weiteren Beschäftigten dieses Betriebs erledigen andere Aufgaben. Seit dem Jahr 2018 vertritt die Arbeitgeberin die Auffassung, die 6 Arbeitnehmer seien nicht dem Betrieb H sondern dem Betrieb S zuzuordnen.
Der Betriebsrat H hat im vorliegenden Beschlussverfahren die Feststellung beantragt, dass ihm Beteiligungsrechte auch für die 6 Beschäftigten zustehen und die Arbeitgeberin verpflichtet ist, diesen die Teilnahme an den Betriebsversammlungen des Betriebs H zu ermöglichen. Ferner müsse sie die Regelungen einer für den Betrieb H abgeschlossenen Betriebsvereinbarung auf die 6 Beschäftigten anwenden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Anträgen stattgegeben. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin führte zur Aufhebung der Entscheidung des LAG und Zurückverweisung.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind die Anträge begründet, wenn die 6 Arbeitnehmer dem Betrieb H zuzuordnen sind. Die Betriebszugehörigkeit erfordert eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation. Dafür ist entscheidend, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs verfolgt. Das LAG hatte angenommen, dass es sich bei dem Betrieb H um einen Betriebsteil handelt, der durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sei. Da die Softwareentwicklung des „Brands C“ dort erfolge, seien die 6 Arbeitnehmer dem Betrieb H zuzuordnen. Dem ist das BAG nicht gefolgt.
Die Kernaussagen sind folgende: Auch wenn es sich beim Standort H um einen Betriebsteil handelt, ist für die Zuordnung des Arbeitnehmers zu der jeweiligen organisatorischen Einheit entscheidend, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck der Einheit verfolgt. Wenn, wie hier, der arbeitstechnische Zweck in mehreren Betrieben bzw. Betriebsteilen verfolgt wird, ist ein entscheidendes Indiz für die Zuordnung, wo der Arbeitnehmer seine Tätigkeit erledigt. Die Tatsache, dass die 6 Beschäftigten in dem Betrieb S arbeiten, spricht daher grundsätzlich für ihre Eingliederung in diesen Betrieb. Denn aus § 4 Abs. 1 BetrVG ergibt sich, dass die betriebliche Interessenvertretung ortsnah sein solle.
Daran ändert sich nach Ansicht des 7. Senats des BAG nichts, wenn die 6 Beschäftigten ihre Weisungen von einer Führungskraft erhalten, die am Standort H tätig ist. Unerheblich sei auch, welche Vorstellungen in Bezug auf die Zuordnung der 6 Beschäftigten die Betriebsparteien früher gehabt haben.
Die Zurückverweisung an das LAG ist erfolgt, weil die Anträge des Betriebsrats H dennoch zumindest teilweise Erfolg haben können. Denn in Betracht kommt, dass die 6 Beschäftigten in den Betrieb S und in den Betrieb bzw. Betriebsteil H eingegliedert sind. In diesem Fall muss das LAG auch prüfen, für welche Beteiligungsrechte welcher Betriebsrat zuständig ist.
Fazit:
Die Spartenorganisation von Unternehmen kann zu Schwierigkeiten bei der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung von Arbeitnehmern führen. Deshalb enthält § 3 BetrVG Möglichkeiten, abweichende Lösungen durch Tarifvertrag zu bilden.
Bei der Arbeitgeberin dieses Verfahrens bestehen solche Tarifverträge jedoch nicht. Die Zuordnung der 6 Beschäftigten zum Betrieb S erscheint auf den ersten Blick plausibel, denn tatsächlich soll die Interessenvertretung möglichst ortsnah sein. Andererseits soll sie aber auch effektiv sein. Möglicherweise werden die 6 Beschäftigten wegen ihrer Zugehörigkeit zum Team „Brands C“ durch den Betriebsrat H besser vertreten. Die Lösung, dass sie ggf. in beide Betriebe bzw. Betriebsteile eingegliedert sind, ist ebenfalls problematisch, weil sich dann die Frage stellt, wie die Zuständigkeiten der Betriebsräte abzugrenzen sind.
Ingrid Heinlein,
Vorsitzende Richterin am LAG a.D.
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