[pd-f/cg] Als der dänische Radprofi Bjarne Riis 1997 das Amstel Gold Race gewann, wusste er nicht nur, wie schnell sein Herz pochte. Er hätte auch in jeder Minute des Rennens genau sagen können, wie viel Power er auf die Pedale brachte. Damit war Riis, der im gleichen Jahr die Tour de France gewann, Pionier einer neuen, wissenschaftlichen Trainingsmethode im Rennen: der wattbasierten Leistungsmessung.
Worum es geht, ist schnell erklärt: Spezielle Sensoren, meist sogenannte Dehnmessstreifen, registrieren mikrofeine Verformungen an Bauteilen wie der Tretkurbel, der Hinterradnabe oder der Pedalachse. So wird das vom Fahrer eingebrachte Drehmoment gemessen. Zusammen mit der Trittfrequenz ergibt sich daraus die in Watt gemessene Leistung.
Messen ohne Verzögerung
Bevor Radsportler die Möglichkeit hatten, objektive Daten ihrer Leistung zu erhalten, standen ihnen nur zwei Messgrößen zur Verfügung: das subjektive Belastungsgefühl und die zahlreichen Einflussgrößen unterliegende Herzfrequenz – kein verlässlicher Gradmesser für den „Output“ eines Sportlers.
Die Wattzahlen aus dem Powermeter zeigen dagegen eindeutig an, was der Sportler in genau diesem Moment leistet. Drückt man bei gleichbleibendem Tempo einen kurzen Hügel hoch, schnellen die Wattzahlen sofort nach oben, während der Herzschlag nur verzögert reagiert. Das macht die Leistungsmessung zum idealen Trainingsinstrument.
Längst machen Sportwissenschaftler und Trainer ihren Klienten Vorgaben in Form von Leistungsbereichen und lassen sie nicht mehr nach Pulswerten trainieren. Intervall- oder Grundlagentraining lässt sich anhand der Wattwerte exakt dosieren, unabhängig von Faktoren wie Wind, Streckenprofil und gefühlter Belastung.
Auch als Hobbysportler effizient trainieren
„Dass Wattmessung im Amateursport bisher nur eine kleine Rolle spielt, hat auch mit den Kosten zu tun“, sagt Stefan Scheitz, Geschäftsführer des Radsportgroßhandels Sport Import, der die Powermeter von Quarq und Powertap vertreibt. Rund 800 Euro werden mindestens fällig für einen Wattmesser.
„Hobbyfahrer denken außerdem oft, dass sich bei ihren geringen Trainingsumfängen die Wattmessung nicht lohnt“, ergänzt Scheitz – ein Irrtum, denn gerade die wenige Trainingszeit sollte möglichst effizient genutzt werden. Freilich ist ein Powermeter der Endpunkt, nicht der Anfang: Ein Leistungsmesser nutzt dann, wenn man im Training an einen Punkt kommt, an dem die Umsetzung von Trainingsvorgaben oder die Auswertung geleisteter Einheiten ohne die Wattmesstechnik nicht mehr möglich ist.
Kurbel, Nabe, Pedal oder Kettenblatt?
Die Messtechnik ist inzwischen ausgereift und in unterschiedlichsten Varianten verfügbar. „Standard sind Tretkurbelsysteme wie das der Sram-Tochterfirma Quarq“, erklärt Mareen Werner, bei Sport Import Expertin für Training und Leistungsdiagnostik. Beliebt, weil einfach zu nutzen, sei daneben die Powertap-Kraftmessnabe. „Der Hersteller bietet auch fertige Laufradsätze an, die man an unterschiedlichen Rädern nutzen kann“, so Werner. Die jüngste Entwicklung sind ebenfalls sehr einfach zu montierende pedalbasierte Systeme, wie etwa die „Keo Power“-Reihe von Look (ab 999,95 Euro), oder die Kettenblattlösung „C1“ von PowerTap (799 Euro), die ähnlich wie ein Kurbelsystem funktioniert und Ende des Jahres in Europa erhältlich sein wird.
Die Leistung auf die Straße bringen
Letztendlich aber wollen wohl alle Radsportler die eingesetzte Kraft effektiv in Tempo verwandeln. „,Power-Transfer“ ist ein wichtiges Thema“, urteilt Mareen Werner. „Große Bedeutung kommt hierbei etwa den Schuhen zu. So bietet Bont mit dem ,Blitz“ (199,95 Euro) einen ergonomisch optimierten Radschuh an, der durch Erhitzen genau angepasst werden kann und dadurch die Kraftübertragung optimiert.“
Wer seine Leistungsfähigkeit in möglichst hohes Tempo verwandeln will, kommt auch um die Verringerung des Luftwiderstandes nicht herum. „Aerodynamisch optimierte Laufradsätze wie die Zipp 404 Firestrike (ab 1.450 Euro) können gegenüber Standard-Rädern 15 bis 20 Watt einsparen“, weiß Geraldine Bergeron von Sram. „Bei Wind sind diese Vorteile schon bei Geschwindigkeiten ab 30 km/h zu spüren.“
Auch bei der Bereifung lassen sich zweistellige Wattzahlen einsparen. „Im Vergleich mit Schlauch- und Faltreifen weisen gut konstruierte Tubeless-Reifen einen viel geringeren Rollwiderstand auf“, verrät Peter Krischio, Produktmanager für den Rennradbereich bei Schwalbe. Durch den Verzicht auf den Schlauch sinke die innere Reibung des Systems. „Wer gleichzeitig Luft- und Rollwiderstand minimieren will, sollte außerdem aerodynamisch optimierte, breite Felgen wählen“, ergänzt Zahn. „Ein weites Felgenbett führt dazu, dass die Reifenaufstandsfläche kürzer und breiter wird, was die Verformung des Reifens beim Abrollen verringert.“
Mit optimiertem Material das Beste aus seiner Leistung zu machen, kann viel bringen, wie man sieht. Wer aber mehr draufhaben möchte, muss vielleicht doch dem Beispiel von Bjarne Riis folgen. Aber bitte nur in Bezug auf fortschrittliche Trainingsmethoden, nicht bei der medizinischen Präparation …
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