Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen.
Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen
Ausgangslage:
Bei Mängeln an der Mietsache kann der Mieter neben den Ansprüchen auf Instandsetzung auch die Mietminderung geltend machen. Schließlich gilt es zusätzlich aber auch noch das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen, das an einem weiteren Betrag des Mietzinses besteht. Mit dem Zurückbehaltungsrecht soll Druck auf den Vermieter ausgeübt werden können, um ihn zur Beseitigung der entsprechenden Mängel zu bewegen. Hat dieser die Instandsetzung nach vorgenommen, wird der Betrag, den der Mieter zurückgehalten hat, nachgezahlt. Die Gerichte sind in Urteilen im Hinblick auf die Höhe des entsprechenden Betrages sowie dem Zeitraum der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts stark voneinander abgewichen. Gerade dann, wenn der Vermieter wegen überhöhter Mietminderung gekündigt hatte, konnte die Frage, ob und in welcher Höhe neben der Mietminderung ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins bestand, entscheidend sein dafür sein, ob der Mieter die Wohnung verliert.
Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
In einem Urteil vom 17. Jini 2015 – VIII ZR 19/14 – hat sich der Bundesgerichtshofs nun etwas zum Zurückbehaltungsrecht geäußert und dabei insbesondere klargestellt, dass entgegen der bis dahin vielfach vorherrschenden Annahme das Zurückbehaltungsrecht nicht pauschal in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrags bis zur Beseitigung der Mängel besteht.
Ausgangspunkt ist Verhältnis von Leistung und Gegenleistung:
Grundsätzlich gewährt § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der gesamten Gegenleistung. Hat allerdings eine Partei die von ihr geschuldete Leistung – wie vorliegend die Klägerin – teilweise erbracht, so kann die Gegenleistung gemäß § 320 Abs. 2 BGB insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 -, juris).
Im Hinblick auf die Höhe des Zurückbehaltungsrechtes gilt es zu berücksichtigen, dass der Mieter regelmäßig das mangelhafte Mietobjekt schon genutzt hat und darüber hinaus auch schon die Mietminderung zu seinen Gunsten in das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eingreift. Weiter führt auch der Charakter des Mietverhältnisses als Dauerschuldverhältnis zu einer Beschränkung des Minderungsrechts, so der BGH:
„Anders als etwa beim Kauf- oder Werkvertrag, bei dem durch die Mängelbeseitigung die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung vollständig möglich ist, kann bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete das mangelbedingte Ungleichgewicht nur für die Zukunft beseitigt werden. Für die bereits abgelaufenen Zeitabschnitte verbleibt es zwangsläufig bei der mangelbedingt eingeschränkten Gebrauchstauglichkeit. Für diese abgelaufenen Zeitabschnitte ist dem Äquivalenzverhältnis aber bereits dadurch (abschließend) Rechnung getragen, dass der Mieter gemäß § 536 BGB nur eine geminderte Miete zu zahlen hat. Die Besonderheit, dass das Zurückbehaltungsrecht angesichts des Charakters der Miete als Dauerschuldverhältnis nur auf zukünftige Nutzungszeiträume abzielen kann, ist bei der Bemessung des Umfangs des Zurückbehaltungsrechts im Rahmen des § 320 Abs. 2 BGB zu beachten. Es ist daher grundsätzlich verfehlt, das Leistungsverweigerungsrecht des Wohnraummieters aus § 320 BGB ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mangelbeseitigungskosten zu bemessen“ (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 -, juris).
Fazit:
Auch das Zurückbehaltungsrecht, mit dem in der Vergangenheit bei überhöhter Mietminderung und anschließender Kündigung gelegentlich ein Mietverhältnis noch gerettet werden konnte, ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs keine Allzweckwaffe mehr. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass im vom BGH entschiedenen Fall der Zeitraum sehr lang (drei Jahre) war. Das entscheidende Gericht hat wie bei der Mietminderung einen weiten und schwer überprüfbaren Spielraum im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 -, juris).
Fachanwaltstipp Mieter:
Ich empfehle grundsätzlich bei Mietminderungen immer die Zahlung unter Vorbehalt und die anschließende Klage nach erfolgloser Fristsetzung auf Instandsetzung und Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und eine Kündigung erfolgte, kann aber nach wie vor über die Argumentation mit dem Zurückbehaltungsrecht eine überhöhte Mietminderung aufgefangen werden. Das allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Jahrelange Mietminderungen unter Inkaufnahme des Mangels sind also weiterhin äußerst riskant.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Vermieter haben bei Mietminderungen ein scharfes Schwert in der Hand. Der Bundesgerichtshof hält auch schon geringfügige Irrtümer des Mieters über die Höhe der Mietminderung für schuldhaft und entsprechende Rückstände für kündigungsbegründend. Solange der Gesetzgeber hier nicht zu Gunsten der Mieter schützend eingreift, empfiehlt sich in Streitfällen immer eine Kündigung. Dies erhöht den Druck auf den Mieter erheblich, wenn das Mietverhältnis anderweitig nur zu deutlich schlechteren Konditionen für den Mieter, insbesondere zu deutlich höherem Mietzins fortgesetzt werden kann.
23.9.2015
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