• 15. November 2024

Kriminelle im Bundestag – oder Instrumentalisierung des Rechtssystems?

ByJörg

Okt 15, 2024

Sitzen im Bundestag Kriminelle?
Eine zweideutige Frage, denn sie kann als Aufforderung zu einer Bewertung der dort Versammelten oder als Aufforderung zur Abgabe einer Einschätzung hinsichtlich rechtskräftig Verurteilter angesehen werden.
Wir haben uns in diesem Post diejenigen Abgeordneten vorgenommen, deren Immunität auf Empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und auf Antrag des Bundesministerium für Justiz aufgehoben wurde (oder auch nicht).

Eine vergleichbare Analyse hat abgeordnetenwatch für die Legislaturperioden con 2009 bis 2021 durchgeführt. Die Ergebnisse von Abgeordnetenwatch und unsere Ergebnisse haben wir in der folgenden Abbildung zusammengestellt: Sie zeigt die Zahl der Abgeordneten, für die die Aufhebung der Immunität in der jeweiligen Legislaturperiode vom Bundesjustizministerium beantragt wurde, um die Durchführung eines Strafverfahrens gegen den jeweiligen Abgeordneten zu ermöglichen:

In der laufenden Legislaturperiode wurde die Immunität von 10 Bundestagsabgeordneten aufgehoben bzw. der Antrag zur Aufhebung der Immunität von 10 Bundestagsabgeordneten gestellt. Betroffen sind sechs Abgeordnete der AfD (unten im Einzelnen), drei der FDP und Claudia Roth, Grüne/B90. Die Immunität der Abgeordneten von AfD und FDP wurde vom Bundestag aufgehoben, die von Claudia Roth nicht.

Roth ist Gegenstand eines der seltenen Fällen, in denen die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten die ordentliche Durchführung eines Strafverfahrens, die das Bundesjustizministerium beantragt hat, VERHINDERT. Worum es im Fall von Claudia Roth konkret gegangen ist, ist unklar, denn die Vorwürfe, die Bundestagsabgeordneten gemacht werden und normalerweise zur Aufhebung der Immunität führen, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, der Öffentlichkeit also vorenthalten.

Wie die Öffentlichkeit im Dunkeln gehalten wird, das kann man in den entsprechenden Plenarprotokollen nachlesen. Wir haben die Stelle herausgesucht, bei der die Durchführung eines Strafverfahrens gegen Claudia Roth vom Bundestag torpediert wird:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung – Drucksache 20/5621 – zu einem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens erweitert und diese als Zusatzpunkt 10 aufgerufen werden. Dieses Verfahren entspricht der langjährigen Praxis des Deutschen Bundestages. Ich gehe davon aus, dass wir auch heute so verfahren.

Dann ist dieser Punkt damit aufgesetzt.

Ich rufe auf den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 10:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss)
Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens Drucksache 20/5621

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Der Ausschuss empfiehlt, die Genehmigung nicht zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der FDP-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der AfD-Fraktion angenommen.

So schnell geht es, wenn etwas vertuscht werden soll. Wer dennoch wissen will, worum es tatsächlich geht, der muss selbst recherchieren, was wir auch getan haben. Das Ergebnis der Recherche ist in gewisser Hinsicht ernüchternd, denn es lässt den Verdacht zu, dass Abgeordnete der AfD differenziert behandelt werden, vielleicht am deutlichsten zu sehen im Fall von Stefan Brandner, dessen Immunität aufgehoben wurde, weil er einen Schreiber des Spiegels als Faschistin bezeichnet hat. Derartige Streits, die eine Beleidigung zum Gegenstand haben sollen, sind in der Regel ein Fall, in dem ein Staatsanwalt eine Einstellung des Verfahrens, ohne oder mit einer kleinen Gegenleistung durch denjenigen, der einer Straftat bezichtigt wird, vorschlägt und den Anzeiger, wenn er denn partout keine Ruhe gibt, auf den Privatklageweg hinweist. Wollte sich eine Staatsanwaltschaft mit jedem Fall befassen, in dem sich irgend ein Pflänzchen beleidigt vorkommt, dann wäre die entsprechende Staatsanwaltschaft schnell lahmgelegt.

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Man muss sich also fragen, warum sich ein Staatsanwalt mit einem Verfahren wegen einer weitgehenden Nichtigkeit gegen Stefan Brandner belastet. Tut er es, weil Brandner ein Bundestagsabgeordneter ist, oder tut er es, weil Brandner ein Bundestagsabgeordneter der AfD ist?

Staatsanwälte unterstehen der Weisung von Justizministern, das nur nebenbei angemerkt. Dieselbe Frage stellt sich im Fall von Martin Erwin Renner, der einen Ladenbesitzer im Streit um das Tragen einer Maske beleidigt haben soll. Ist es wirklich die Aufgabe eines Staatsanwaltes und nachfolgend eines Bundestages, sich mit derartigen Lappalien zu befassen? Was ist mit Kay-Uwe Ziegler, ebenfalls AfD, dessen Fall wir unten ausführlich berichten. Er hat Coronabeihilfen bezogen, um seine drei Läden über Wasser zu halten, die Hilfen mittlerweile mit Zinsen zurückgezahlt und ein Staatsanwalt in Sachsen-Anhalt ist dennoch der Ansicht, man müsse Ziegler verfolgen, weil er nach Ansicht des Staatsanwalts Hilfszahlungen für ein Unternehmen, das auch ohne Corona-Maßnahmen insolvent geworden wäre, in Anspruch genommen habe. Eine geradezu abenteuerliche Rechtskonstruktion, die den Anfangsverdacht von Verfolgungseifer mehr als begründet.

Besonders absurd ist die Strafverfolgung von Stefan Protschka, der Markus Söder als „Södolf“ und als „Landesverräter“ bezeichnet hat. Söder hat deshalb Strafanzeige erstattet, und die Staatsanwaltschaft gibt sich dafür her, den Kindergartenstreit zu verfolgen. Wenn Söder mit Protschka ein Hähnchen zu rupfen hat: Warum ruft er dann den großen Bruder, trifft sich nicht statt dessen mit Protschka, um die Sache mit Fäusten und unter Männern auszumachen, wobei zuweilen die Fäuste durch gefüllte Bierkrüge ersetzt werden können? Weshalb müssen derartige Nichtigkeiten, die dann mit großem Brimborium in der MS-Presse inszeniert werden, Ressourcen von Staatsanwälten abziehen?

Wie lächerlich Verfahren sind, wie sie Markus Söder angestrengt hat, wird anhand von historischen Beispielen deutlich, anhand von Redeschlachten im Bundestag und anhand von Abgeordneten und Ministerpräsidenten, die keinerlei Probleme damit hatten, mit harten Bandagen und zuweilen auch mit verbalen Tiefschlägen mit einander zu streiten, ohne dass sich eine Streitpartei in die Schmollecke zurückgezogen und den Staatsanwalt zur Hilfe gerufen hat.

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Neben den beschriebenen Nichtigkeiten, die zusammengenommen den Verdacht aufkommen lassen, bei AfD-Abgeordneten werde jede Nichtigkeit zum Anlass genommen, um deren Immunität aufzuheben und sie einer Strafverfolgung zu unterziehen, finden sich auch handfeste Vorwürfe der Steuerhinterziehung (FDP), Untreue in vier Fällen (FDP), abermals Steuerhinterziehung (FDP), sowie der Bestechlichkeit und Gelkdwäsche (AfD) und somit vier Fälle, bei denen man schon eher die Notwendigkeit einer Strafverfolgung erkennen kann und wenn sie nur darin besteht, den Abgeordneten die Möglichkeit zu geben, einen Verdacht, der gegen sie vorgebracht wird, vor Gericht zu entkräften.

Umso erstaunlicher, dass man im Fall von Claudia Roth nicht einmal dieses Bemühen zu haben scheint … Die Analyse von Abgeordnetenwatch für die 19. Legislaturperiode hat, mit Ausnahme eines Verfahrens, in dem es um einen Verstoß gegen das Parteiengesetz geht, natürlich ist ein AfD-Abgeordneter Gegenstand dieses Verfahrens, weitgehend Straftaten wie Betrug, Untreue, unterschiedliche Varianten von Korruption zu Tage befördert, was einmal mehr die Ungewöhnlichkeit mancher der Fälle darstellt, bei denen in der 20. Legislaturperiode die Immunität von Abgeordneten aufgehoben wurde oder auch nicht …

Wie auch immer: Im folgenden haben wir eine Aufstellung der Abstimmungen, die in der 20. Legislaturperiode bislang stattgefunden haben und die die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten, um ein Strafverfahren zu ermöglichen, zum Gegenstand hatten:

  • Stefan Brandner, AfD (BT-Drucksache 20/13290); 10. Oktober 2024;
    Grund: Brandner hat Ann-Kathrin Müller, eine Angestellte des SPIEGEL als Faschistin bezeichnet.
  • Claudia Roth, Grüne/B90 (BT-Drucksache 20/5621); 9. Februar 2023 – Der Bundestag hat gegen die Stimmen der AfD-Fraktion die Aufhebung der Immunität abgelehnt.
    Damit kann das zugrundeliegende Strafverfahren gegen Roth nicht durchgeführt werden;
  • Martin Erwin Renner, AfD, (BT-Drucksache 20/4424); 10. November 2022
    Renner wird vorgeworfen, einen Ladenbesitzer im Verlauf eines Streits um das Tragen einer Maske, das Renner abgelehnt hat, beleidigt zu haben.
  • Kay-Uwe Ziegler, AfD, (BT-Drucksache 20/3991); 13. Oktober 2022

    Aus der Tagesschau:

    „Der Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt selbst erklärte schriftlich, die Ermittlungen gegen ihn würden damit begründet, dass er im März 2020 als Geschäftsführer Corona-Soforthilfen in Höhe von 12.096 Euro unberechtigt beantragt und erhalten haben soll. Anfang August 2021 seien einschließlich Zinsen und Kosten 12.845,30 Euro zurückgezahlt worden.

    „Der Vorwurf strafrechtlich relevanter Handlungen ist absurd“, erklärte Ziegler. Wie er dem MDR mitteilte, habe er die Hilfen beantragt, um Miet- und Energiekosten seiner drei Läden decken zu können. Zu diesem Zeitpunkt waren die Läden bereits seit einigen Tagen durch landesweite Anordnung Corona-bedingt geschlossen. Der Vorwurf lautet, das Unternehmen sei auch ohne Corona-Notlage kaum überlebensfähig gewesen, weshalb Ziegler kein Geld hätte erhalten dürfen.“

  • Petr Bystron, AfD, (BT-Drucksache 20/2665), 7. Juli 2021
    Grund: Wie oben, Vorwurf der Bestechlichkeit und Geldwäsche.

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Author: Michael Klein
Michael Klein

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