Es gibt Artikel, die schreibt man mit der Frage im Hinterkopf: Ist das nun Satire oder schon Realität? Diese Zeilen gehören in jene Kategorie. Denn was das Bundesgesundheitsministerium jetzt vorschlägt, ist in seiner Mischung aus Gutgemeintheit, Bürgerverachtung und planwirtschaftlicher Gründlichkeit fast schon ein Kabarettprogramm: Beim Public Viewing und anderen großen Sommerveranstaltungen soll bitte auf Alkohol und Grillwürste verzichtet werden. Wegen der Hitze. Wegen der Gesundheit. Wegen uns allen.
Das ist kein Witz. Es ist die offizielle Linie eines Ministeriums, das sich offenbar weniger mit der Rettung des Gesundheitswesens beschäftigt als mit dem Erziehungsauftrag für Erwachsene. Das klingt nach Bürokratenhumor à la „Loriot“, ist aber todernst gemeint. Der neue Musterhitzeschutzplan empfiehlt unter anderem: kostenlose Sonnencreme, Schattenplätze, alkoholfreie Getränke und das Schließen von Sportplätzen bei Extremtemperaturen. Natürlich alles „dringend angeraten“. Noch kein Gesetz – aber ein Schritt in jene Richtung, in der der gute Rat schnell zur Pflicht wird.
Die politische Federführung liegt bei der neuen Gesundheitsstaatssekretärin Nina Warken. Erst wenige Wochen im Amt, macht sie dort weiter, wo Karl Lauterbach aufgehört hat: mit einem Staat, der seine Bürger für unfähig zur Selbstbestimmung erklärt. Tatsächlich stammt der große Hitzeschutzdrang aus Lauterbachs Amtszeit. Der SPD-Politiker hatte nach dem Abebben der Corona-Panik ein neues Lebensthema gesucht – und in der Hitzepanik gefunden. Wie zuvor bei der Pandemie wurde auch hier ein ganzer Apparat in Bewegung gesetzt: Konzepte, Pläne, Musterprotokolle.
Dass sein eigenes Ministerium diese Pläne später als „unzureichend“ entlarvte, ging unter. Dass es in erster Linie PR-Strategien statt Notfallkonzepte waren, wurde ebenfalls kaum thematisiert. Und so steht nun eine CDU-Ministerin für das Vermächtnis eines SPD-Ministers ein, als sei nie jemand anderes dort gewesen. Politische Aufarbeitung und Kurswechsel gehen anders.
Alte Hitze, neue Hysterie
Man fragt sich: Was hat sich eigentlich verändert? Die Sommer waren auch früher heiß. Schon in den 1930er-Jahren klagten Berliner Zeitungen über „unerträgliche Hitzewellen“. Die Leute schwitzten, fluchten, tranken ein Bier mehr. Niemand kam auf die Idee, deshalb eine nationale Agenda zu entwerfen. Heute dagegen braucht es eine „Taskforce Hitze“.
Der Unterschied liegt nicht im Thermometer. Er liegt im Selbstbild des Staates. Aus dem einstigen Ermöglicher individueller Freiheit ist ein Betreuer geworden. Ein Tutor. Ein Über-Ich im Behördengewand. Der Bürger wird nicht als Souverän gesehen, sondern als Mündel. Und wer Mündel verwaltet, denkt in Ermahnungen, nicht in Vertrauen.
Es ist derselbe Geist, der aus der Corona-Zeit vertraut ist: Erst stirbt das Vertrauen, dann wird die Kontrolle zum Ideal. Inzidenzen, Ausgangssperren, Maskenpflicht. Und nun: Hitzeschutzpläne mit alkoholfreien Empfehlungen.
Die schleichende Entmündigung
Man kann darüber lachen – oder sich sorgen. Denn hinter der absurden Idee, Bier und Grill wegen der Hitze zu verbannen, steckt ein Prinzip: Der Staat mischt sich nicht mehr ein, wenn es sein muss, sondern wenn er glaubt, dass es gut für uns ist. Das ist der Punkt, an dem Freiheit nicht mehr nur ausgehöhlt, sondern umerzogen wird.
Natürlich wird keiner verhaftet, weil er bei 33 Grad eine Bratwurst isst. Noch nicht. Aber die Normalisierung solcher Empfehlungen ist der erste Schritt zur moralischen Pflicht. Wer dann noch trinkt oder grillt, ist rücksichtslos. Klimasünder. Sozialschädlich. Und damit ein Fall für die nächste Runde der Regulierung.
Wenn der Sommer staatszertifiziert wird
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich die nächsten Stufen auszumalen: alkoholfreie Zonen bei Großveranstaltungen. Genehmigungspflicht für Gasgrills bei Hitze. „Grill-Detektive“ im Auftrag der Stadtverwaltung. Alles nur denkbar? Ja. Aber das waren Impfpflicht und Maskenzwang in Flugzeugen einst auch.
Am Ende bleibt der Eindruck eines Staates, der seine Bürger wie Kinder behandelt und sich wundert, dass sie sich auch so benehmen. Ein Sommer, der nach Verzicht schmeckt, nach Anweisung riecht und nach Misstrauen klingt. Der Grill ist aus, das Bier verboten. Dafür gibt es Schattenplätze und Sonnencreme.
Das klingt wie eine Wellnesskur. Es ist aber ein Erziehungsprogramm. Willkommen im Sommer 2025.
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