Der Sozialist Salvador Illa ist zum Ministerpräsidenten Kataloniens gewählt worden. Der 58-Jährige lehnt eine Abspaltung der wohlhabenden Region im Nordosten Spaniens ab. 68 Mitglieder des Regionalparlaments in Barcelona stimmten für Illa, 67 gegen ihn.
Illa hatte sich durch unter anderem finanzielle Zugeständnisse und die Zusage einer Stärkung der katalanischen Sprache die Unterstützung der linken, gemäßigt-separatistischen Partei ERC gesichert.
Spanische Zeitungen schrieben von einer historischen Wahl, die eine neue Zukunft für die geplagte Region eröffne. Die größte Aufmerksamkeit erhielt aber ausgerechnet der prominenteste Vertreter der radikalen Separatisten, Carles Puigdemont.
Puigdemont war am Morgen nach fast sieben Jahren im Exil im Zentrum Barcelonas aufgetaucht. Umringt von führenden Politikern seiner Partei Junts ging er unbehelligt zu Fuß durch die Straßen und grüßte freundlich links und rechts. Die Polizei, die mit starken Sicherheitskräften vor Ort war, griff nicht ein, obwohl ein Haftbefehl gegen den 61-Jährigen vorliegt. Puigdemont war nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 und der anschließenden gescheiterten Abspaltung heimlich in einem Auto außer Landes geflohen.
Puigdemont spielt Katz und Maus mit der Polizei.
Anschließend hielt Puigdemont in unmittelbarer Nähe des Parlaments eine kurze Ansprache vor mehreren Tausend Anhängern, die ihm einen «institutionellen Empfang» bereiten wollten. «Heute bin ich hierhergekommen, um Sie daran zu erinnern, dass wir immer noch da sind, wir sind noch da, weil wir kein Recht haben, aufzugeben», sagte er in kämpferischem Ton und bezog sich auf seinen Kampf für die Unabhängigkeit Kataloniens. Die will er notfalls auch gegen den Willen und im Konflikt mit der Zentralregierung durchsetzen.
«Wir haben kein Interesse daran, in einem Land zu leben, in dem Amnestiegesetze nicht amnestieren», fügte Puigdemont hinzu. Damit kritisierte er die Weigerung von Teilen der Justiz, die vom Zentralparlament in Madrid beschlossene Amnestie für Separatisten auch auf ihn anzuwenden.
Kurz darauf begann im Parlament die Sitzung zur Wahl Illas. Puigdemont hatte wiederholt angekündigt, er wolle unbedingt an dieser Sitzung teilnehmen. Das sei sein demokratisches Recht als gewählter Abgeordneter, hatte er noch am Vortag in einer auf der Plattform X veröffentlichten Videobotschaft gesagt. Aber statt nach seiner Rede zum Parlament zu ziehen, wie die Polizei wohl erwartet hatte, wurde er von seinem Rechtsanwalt eilig hinter die Bühne gezogen und seither nicht mehr gesehen. Die Zeitungen «El País» und «La Vanguardia» berichteten, zwei Polizisten seien als mutmaßlicher Fluchthelfer festgenommen worden.
Während die Polizei sich Medienberichten zufolge darauf konzentrierte, ein Vordringen von Puigdemont ins Parlament zu verhindern und sogar Tunnel unter dem Parlamentsgebäude kontrollierte, fuhr Puigdemont offenbar unerkannt in einem weißen Auto des später festgenommenen Polizisten davon.
Polizei startet Großfahndung nach Puigdemont
Als die Polizei merkte, dass ihr Puigdemont entwischt war, löste sie eine Großfahndung unter dem Codenamen «Käfig» aus. An größeren Ausfallstraßen aus der Millionenmetropole am Mittelmeer wurden Straßensperren errichtet. Polizisten kontrollierten jedes Fahrzeug, das aus der Stadt herauswollte, wie im staatlichen TV-Sender RTVE zu sehen war. In einigen Fällen wurden die Kofferräume kontrolliert, Motorradfahrer mussten den Helm abnehmen. Sogar an der Grenze zu Frankreich wurde nach Puigdemont gesucht, falls er sich wieder ins Ausland absetzen wollte. Tausende Fahrzeuge standen bei sommerlicher Hitze in kilometerlangen Staus.
Die zuständigen Sicherheitskräfte hätten sich auf alle möglichen Entwicklungen vorbereitet, nur nicht auf eine erneute Flucht Puigdemonts, nachdem er ja freiwillig nach Spanien eingereist war, schrieb «La Vanguardia» unter Berufung auf Polizeiquellen. Alle Mitglieder der katalanischen Polizeieinheit Mossos d’Esquadra, einer Art Landespolizei, die für die Festnahme Puigdemonts zuständig war, seien erschüttert über das Versagen.
Haftbefehl gegen Puigdemont trotz Amnestie für Separatisten
Dass es trotz eines Amnestiegesetzes für Separatisten noch einen Haftbefehl gegen Puigdemont gibt, liegt an der umstrittenen Auslegung des Gesetzes durch den Ermittlungsrichter Pablo Llarena. Das Amnestiegesetz schließt Fälle persönlicher Bereicherung von einer Strafverschonung aus. Obwohl Puigdemont nicht vorgeworfen wird, öffentliche Gelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben, wirft ihm der Richter persönliche Bereicherung vor. Denn für Puigdemonts illegale politische Ziele bei dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 habe dieser statt eigenes Geld öffentliche Mittel verwendet. Das komme einer persönlichen Bereicherung gleich, lautet die Argumentation. Die juristische Klärung dieses Streits könnte Monate dauern.
Scharfe Kritik der konservativen und rechtsgerichteten Opposition
Illas Partei war aus der vorgezogenen Wahl im Mai als stärkste Kraft hervorgegangen. Das Regieren mit einer Partei, die Katalonien in die Unabhängigkeit führen will, dürfte jedoch schwierig werden. Für Spaniens sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez, der den Katalonienkonflikt mit Zugeständnissen und Dialog entschärften will, ist die Wahl Illas dennoch ein bedeutender Erfolg. Allerdings ist er auch auf die Stimmen von Junts im Zentralparlament angewiesen. Die konservative Opposition und rechtsgerichtete Parteien liefen weiter Sturm gegen seine Politik und warfen ihm erneut vor, Spanien in den Abgrund zu führen.
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