Es beginnt, wie so oft, ganz harmlos. Die Sonne scheint. Die Menschen gehen raus. Ein paar Grad mehr auf dem Thermometer – in normalen Ländern ein Grund zur Freude. In Deutschland? Ein Fall für die Epidemiologen, Krisenstäbe und Gesundheitsministerien.
Der neueste Höhepunkt: „Schon 20 Grad können lebensgefährlich sein“, warnt der „Focus“ – und beruft sich auf eine neue Studie zur Hitzesterblichkeit. Der Leser reibt sich die Augen. 20 Grad? Lebensgefahr? Da fragt man sich: Was passiert dann bei 25 – Evakuierung? Und bei 30? Militärischer Notstand?
Inzwischen ist jede wärmere Woche ein „Extremereignis“, jede Sommerperiode ein „Hitzesommer“. Früher hieß das einfach: Juli. Heute ist es ein epidemiologischer Notfall. Die Politik tut das Ihre: Statt Freibäder zu modernisieren, rät man zur Bewegungseinschränkung. Statt Senioren mit Klimaanlagen auszustatten, gibt es Infoblätter mit Verhaltensregeln („Trinken Sie Wasser“). Und statt über die marode Infrastruktur in Pflegeheimen zu sprechen, warnt man vor dem „ungewöhnlichen Wetter“. Das ist wie bei der Bahn: Wenn nichts mehr geht, ist halt das Klima schuld.
Dabei sind die Zahlen, auf die sich die Hitzepanik stützt, oft mehr als fragwürdig. In einem Artikel auf meiner Seite hat der Mathematik-Professor Thomas Rießinger schon im Juli 2023 gezeigt, wie pauschal und spekulativ viele dieser Berechnungen sind – Hitzetote auf Basis statistischer Modelle, die aus Wetterdaten und Sterbetafeln hochgerechnet werden. Kein Arzt schreibt „Hitze“ auf den Totenschein – das übernehmen später die Modellierer. Je nach Rechenweg kann man mit denselben Daten praktisch alles belegen. So wird aus einem warmen Frühling ein Massensterben.
Und während die Alarmglocken dröhnen, passiert etwas Absurdes: Die politisch korrekte Antwort auf Hitze lautet nicht etwa Kühlung, sondern Verzicht. Klimaanlagen? Energieintensiv! Ventilatoren? Besser nur stundenweise! Rollos? Funktionieren nur, wenn sie keine Plastikteile enthalten. Der Sommer soll nicht erträglicher werden – er soll umerziehen. Kein Grill, kein Bier, kein Genuss. Stattdessen gibt’s Anweisungen wie im Kindergarten: viel trinken, wenig bewegen, Schatten suchen.
Schon vor einer Woche hat Ekaterina Quehl in einem Artikel auf meiner Seite über Gifte im Gehirn geschrieben – nicht etwa durch Hitzschlag, sondern durch grüne Politik. Und man kann es kaum anders nennen: Diese absurde Mischung aus Alarmismus und Askese wirkt zunehmend wie eine kollektive Hitzestörung. Denn gleichzeitig werden Menschen, die sich schützen wollen – durch mobile Klimageräte, durch bauliche Anpassung, durch eigene Entscheidungen – als Umweltsünder an den Pranger gestellt. Der neue Moralismus friert nicht nur das Denken ein – er erhitzt es parallel auch künstlich.
Das hat System. Denn wer Angst hat, lässt sich besser lenken. Die Hitzepanik passt perfekt in das große Narrativ der Klima-Endzeit. Der Mensch als Schädling, der Sommer als Bedrohung, das Wetter als Feind. Die Lösung? Verzicht, Kontrolle, Verhaltensänderung. Doch wer dieses Spiel nicht mitspielt, wer es wagt, Fragen zu stellen, wird wahlweise als „Klimaleugner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert – und darf dann im Hitzeschutzraum alleine schwitzen.
Dabei gäbe es viele pragmatische Antworten: Sonnenschutz in Schulen, bauliche Anpassungen in Altenheimen, gezielte Aufklärung statt Panikmache. Aber das alles wäre zu einfach – und vor allem zu wenig ideologisch.
So bleibt uns nur die Warnung: Wer heute bei 20 Grad von Lebensgefahr spricht, der redet morgen vielleicht bei 15 Grad vom Klimanotstand. Deutschland friert im Winter – und überhitzt moralisch im Sommer. Der gesunde Menschenverstand ist jedenfalls längst verdunstet.
P.S. Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass wir bald auch bei 18 Grad eine bundesweite Warn-App bekommen. Aber keine Sorge – nur, wenn der Wind aus der falschen Richtung kommt.
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