• 15. November 2024

Gerade die Würde Kants ist unantastbar – Wider das politische Schindluder, das gerade im Bundestag getrieben wurde…

ByJörg

Sep 10, 2024

“Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Sapere aude!

Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (…), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.

Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Dass die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, schon imstande wären, oder darin auch nur gesetzt werden könnten, sich in Religionsdingen ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines Anderen sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. “

Wer hat es geschrieben?
Und wann hat er es geschrieben?

Immanuel Kant hat es geschrieben, im Jahre 1784, die Berliner Monatsschrift hat es damals gedruckt und Friedrich der Große, der zu diesem Zeitpunkt noch Regent war, hat daran keinen Anstoß genommen.
Wie wäre es wohl heute, wenn Kant dieselbe Aussage darüber, dass Menschen an sich Verstand besitzen, der sie befähigt, den Regeln des Denkens zu folgen, Urteilskraft, die sie befähigt, diese Regeln auch anzuwenden und Vernunft, um diese Regeln in einem Sinne anzuwenden, der in moralisches Handeln mündet im Hinblick auf die machen würde, deren Hybris sie mutmaßen lässt, ihr politisches Scheitern sei darauf zurückzuführen, dass “die Menschen” ihre Politiken nicht verstehen würden?

Moral ist das Ergebnis einer korrekten Verwendung von Verstand und Urteilskraft durch die Vernunft. Entsprechend sind Menschen für Kant Wesen, die zu Moral FÄHIG sind, nicht notwendig moralische Wesen.

Und daraus ergibt sich dann ein Problem mit der Menschenwürde, das sich bei uns immer dann zu einem Ärgerniss auswächst, wenn gerade wieder versucht wird, Kant zu instrumentalisieren, ihm eine rustikale Verballhornung seiner Philosphie unterzuschieben und zu behaupten:

“Während sich im christlichen Glauben die Würde des Menschen von Gott ableitet, als dessen Ebenbild der Mensch erschaffen wurde, ging der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) davon aus, dass jeder Mensch allein deshalb wertvoll ist und somit Würde besitzt, weil er Mensch ist.”

Das stammt vom heutigen Tag und aus dem Bundestag, in dem Abgeordnete sich selbst gefeiert haben, weil es sonst nichts gibt, das sie feiern könnten.
Was stört uns an dieser Behauptung?
Die dumme Bewertung “wertvoll”, jeder Mensch ist wertvoll, weil er Mensch ist, die ein Affront für den Denker ist, der den Namen Immanuel Kant geführt hat.

Jeder Mensch hat das Potential, sich WÜRDE ZU VERDIENEN, er hat keine Würde von Geburt an. Eigentlich sollte das jedem ersichtlich sein, der den Dreiklang aus Verstand, Urteilskraft und Vernunft oben gelesen hat. Würde ist Ergebnis moralischen Handelns für Kant. Moralisches Handeln besteht darin, Gesetze, die die Vernunft erkennt und die für Kant apriori gegeben sind, etwa sein kategorischer oder sein hypothetischer Imperativ, in gegebenen Situationen per Urteilskraft, die sich aus dem Verstand speist, korrekt anzuwenden. Nur ein Mensch mit Verstand kann demnach zum sittlichen und moralischen Menschen werden, Menschenwürde erlangen und das auch nur dann, wenn er seine Urteilskraft in der Weise einsetzt, wie sie seine Vernunft vorgibt, eine Vernunft, die bei Kant apriori imprägniert ist.

Aber natürlich kann man in heutigen Zeiten eine solche Lehre des INDIVIDUELLEN VERDIENSTS nicht zulassen, denn mit ihr kommen automatisch UNTERSCHIEDE in der Ausführung dessen, was Kant Urteilskraft nennt, die im Verstand begründet sind und zuweilen auch darin, dass ein an sich mit Verstand und Urteilskraft Begabter unvernünftig handelt. Und, schlimmer noch, die Position von Kant ist nur dann haltbar, wenn man noch die Autonomie von Menschen, von der eingangs die Rede war, hinzufügt, jene Autonomie, von der so viele Menschen, wie Kant feststellt, in bestimmten Bereichen keinerlei Gebrauch machen, was sich notwendigerweise negativ auf die Menschenwürde, die sie kommandieren können, auswirken muss.

Fügen wir noch ein wenig Kontext an:

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Die Ansicht, jeder Mensch habe kraft seines Menschseins eine Würde, ist die sogenannte Mitgift-Position der Menschwürde. Zwei weitere Positionen hat die Philosophie hervorgebracht, die Menschenwürde als Resultat von Leistung und Menschenwürde als Ergebnis von Kommunikation.

Dass Menschen mit Vernunft ausgestattet und daher in der Lage sind, sich von ihren Trieben zu distanzieren (nein, es sein müssen, wenn sie als Menschen gelten wollen), hat Samuel von Puffendorf in seiner Konzeption von Menschenwürde zum Ausgangspunkt genommen. Die Würde des Menschen besteht für ihn aus zwei Teilen: (1) der Fähigkeit, Handlungsoptionen zu unterscheiden und der Freiheit, eine Entscheidung zu treffen und (2) der Fähigkeit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Menschenwürde hat der, der sich im Sinne der sittlichen Gesetze entscheidet.

Auch Kant sieht die Menschwürde als Leistung, und zwar als Leistung, die auf der Autonomie des Menschen aufbaut, sie voraussetzt: „Autonomie ist also der Grund [gemeint ist die Grundlage] der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur“, so schreibt er in der Metaphysik der Sitten. Die Gemeinsamkeit mit Puffendorfs erstem Teil ist offenkundig. An anderer Stelle schreibt Kant: „Die Würde der Menschheit“, womit er die Eigenschaft „Menschheit“ meint, die Menschen von anderen Spezies unterscheidet, diese Würde der Menschheit „besteht eben in dieser Fähigkeit, allgemein gesetzgebend [tätig zu sein], obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein“ (Metaphysik der Sitten, 447). Damit spielt Kant auf seinen Imperativ an: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ (421).

Die Menschenwürde ist bei Kant somit das Ergebnis von Handlungen im Einklang mit einem sittlichen Standard, sie ist ein Ergebnis menschlicher Leistung. Zwar gibt es bei Kant auch die absolute Menschenwürde, diese ist jedoch an den homo noumenon geknüpft, den Menschen mit Verstand, der seine Vernunft auch benutzt, entsprechend ist die Menschenwürde keine Mitgift der Natur, sondern eine Lebensleistung von Menschen:

„Allein der Mensch als Person betrachtet, d.i. als Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben, denn als ein solcher (homo noumenon) ist er nicht bloß als Mittel zu anderer ihren, ja selbst seinen eigenen Zwecken, sondern als Zweck an sich selbst zu schätzen, d.i. er besitzt eine Würde (einen absoluten inneren Wert), wodurch er allen anderen vernünftigen Wesen Achtung für ihn abnötigt, sich mit jedem Anderen dieser Art messen und auf dem Fuß der Gleichheit schätzen kann“ (434).

Menschenwürde ist somit von der Achtung durch andere abhängig, wobei die Achtung von Anderen geschuldet ist, wenn ein Mensch in der Lage ist, seine Vernunft in der oben beschriebenen Weise einzusetzen und Entscheidungen auf Grundlage des kategorischen Imperativs zu treffen.

Bislang haben wir also eine Sicht auf Menschenwürde, die Letztere als Mitgift aller Menschen ansieht, als etwas, das einfach da ist und keiner größeren Anstrengung bedarf. Menschen haben von Natur aus Würde. Davon unterscheidet sich die Position, die Menschenwürde als Ergebnis menschlichen Handelns, moralischen menschlichen Handelns ansieht, die durch Einsatz von Vernunft errungen werden muss.

Bleibt noch die Schwatzposition aus Frankfurt, die u.a. Habermas vertritt, nach der, wenig überraschend, Menschenwürde ein Konstrukt ist, das in Kommunikation geschaffen wird, sie ergibt sich aus der positiven Bewertung von individuellen Ansprüchen auf soziale Achtung.

Im Habermas-Brabbel liest sich das wie folgt:

Die Menschenwürde „ist nicht eine Eigenschaft, die man von Natur aus ‚besitzen‘ kann wie Intelligenz oder blaue Augen, sie markiert vielmehr diejenige ‚Unantastbarkeit‘, die allein in den interpersonalen Beziehungen reziproker Anerkennung im egalitären Umgang von Personen miteinander eine Bedeutung haben kann“ (Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur, S.62).

Wie immer, wenn Habermas etwas sagen will, aber eigentlich nicht weiß, was er sagen will, ersetz er einen relativ unbestimmten Begriff, hier die Menschenwürde, durch eine vage Umschreibung des Unbestimmten, hier: die Unantastbarkeit, die interpersonalen Beziehungen reziproker Anerkennung im egalitären Umgang Bedeutung gibt.

Lässt man dem Wortbombast die Luft ab, dann bleibt die Feststellung, dass für Habermas Menschenwürde durch Dritte verliehen wird. Dies ist bei der Mitgift-Position auch der Fall. Auch hier erhalten Menschen etwas ohne ihr Zutun bzw. ohne, dass sie eine Kontrolle darüber haben. Beide Positionen verweigern Menschen die Autonomie.

Die Mitgift-Position nimmt in der Regel einen Gott an, der Menschen eine Würde verleiht, die Konstrukteure durch Geschwätz ersetzen den Gott der Religion durch die Willkür des öffentlichen Diskurses. Nur die Vertreter der Leistungs-Konzeption einer Menschenwürde, gestehen Menschen Autonomie, Handlungsfreiheit und einen freien Willen zu.

Und so kommt es, dass all diejenigen, die Menschen so wertvoll und gleich und von Natur aus oder durch Schwätzers Gnaden mit einer Würde ausstatten, denselben eben diese absprechen, denn eine Menschenwürde kann man nicht von anderen erhalten, sie kann nicht verliehen werden, es sei denn, man akzeptiert, dass nicht alle Menschen gleich sein, dass es welche gibt, die Herrscher über die Würde anderer sind, letzteren diese Würde verleihen können.

Und damit sind die Konstrukteure wie die Erben am Ende. Sie laufen in einen Widerspruch, der das unmündige würdelose Etwas voraussetzt, denn nur dem würdelosen Etwas kann man eine Würde verleihen, ohne dass man Ärger mit ihm bekommt. Und etwas, das sich von anderen eine Würde verleihen lässt, ohne einen eigenen Anspruch darauf entwickelt zu haben, kann per se keine Würde besitzen, denn hätte es eine Würde, es würde nicht anderen die Hegemonie über seine eigene Person einräumen.

Kurz: Menschenwürde hat man nicht, Menschenwürde muss man sich erarbeiten. Wer über sich bestimmen und sich eine Menschenwürde verleihen lässt, kann keine Würde, keine Menschenwürde haben.


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Author: Michael Klein
Michael Klein

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