„Wahrheit hinter lauten Tönen: Beim Zolldeal hat von der Leyen Trump gleich dreimal ausgetrickst.“
So lautete gestern eine Schlagzeile im „Focus“. Mein Kommentar dazu: Hätte Napoleon so eine willfährige Presse gehabt, würden die Franzosen wohl heute noch glauben, er habe in Waterloo gewonnen.
Das habe ich gestern als Tweet in den sozialen Medien gepostet.
Womit wir beim Fall Michael Ballweg wären. Auch hier wird Wahrheit hinter lauten Tönen begraben – oder vielmehr: ersetzt. Wer sich nur oberflächlich informiert – also wie die meisten Menschen einfach Schlagzeilen scannt – erfährt zum Beispiel in der „Frankfurter Allgemeinen“, Ballweg sei „wegen Steuerhinterziehung verurteilt“ worden.
Das ist nicht nur irreführend. Es ist eine gezielte Verdrehung.
Denn die Wahrheit lautet: Michael Ballweg wurde vom Hauptvorwurf, dem des versuchten Betrugs, freigesprochen. Der Staat muss ihm sogar eine Entschädigung für die monatelange Untersuchungshaft zahlen – was einer juristischen Ohrfeige gleichkommt. Die angebliche „Verurteilung“ betrifft lediglich eine Steuerangelegenheit, die mit einer Verwarnung und einer Geldstrafe von 3.000 Euro auf Bewährung endete. Das ist keine Verurteilung im klassischen Sinn, sondern ein juristisches Bagatell-Urteil. Es ging um sage und schreibe 19,53 Euro: Ein Parfüm und eine Hundematte, die Ballweg über seine Firma abgerechnet hat. Was aber kaum ein Medium erwähnt. Weil sonst vom bösen Wort Steuerhinterziehung wohl zu wenig übrig geblieben wäre.
Was macht die FAZ aus den 19,53 Euro? Sie bläst die Mücke zur Schlagzeile – und den Elefanten, den Freispruch, schrumpft sie zur Randnotiz, zum Kleingedruckten. Das lesen viele gar nicht mehr – während die Schlagzeile hängen bleibt. Wer da noch an journalistische Seriosität glaubt, glaubt auch, Napoleon habe in Waterloo nicht vernichtend verloren, sondern eine ehrenvolle Silbermedaille als Zweiter gewonnen.
Ähnlich manipulativ der Deutschlandfunk. Dort heißt es in der Überschrift: „Querdenken-Gründer Ballweg von Betrugsvorwurf freigesprochen – wegen Steuerhinterziehung schuldig gesprochen“. Und in diesem Duktus geht es auch weiter im Text. Ohne Einordnung. Ohne Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit. Ohne Kontext. Ohne die Tatsache, dass es nur eine Verwarnung war, mit 3000 Euro Bewährungsstrafe. Hauptsache, es klingt irgendwie nach Schuld.
Dass es auch anders geht, zeigen zwei Gegenbeispiele:
Der SWR berichtet sachlich und korrekt – wenn auch ohne Einordnung, obwohl diese fast zwingend gewesen wäre.
Und die „Neue Zürcher Zeitung“ bringt es schon in der Überschrift auf den Punkt:
„Der Ruf des Rechtsstaats hat gelitten“ – und beschreibt in bemerkenswerter Klarheit, was dieses Verfahren über den Zustand von Justiz und Medien im heutigen Deutschland verrät.
Ich selbst war – und bin – tief betroffen vom Fall Ballweg.
Nicht, weil ich jede seiner politischen Aussagen teile.
Sondern weil ich überzeugt bin, dass ihm auf erschütternde Weise Unrecht getan wurde.
Die monatelange Untersuchungshaft, die nun als unbegründet bestätigt wurde, war in meinen Augen ein Skandal – ein Angriff auf die Unschuldsvermutung, auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, auf das, was einen Rechtsstaat ausmachen sollte.
Ebenso skandalös war der enorme Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaft, der jedem rechtsstaatlichen Prinzip Hohn spricht.
Sind da politische Eiferer am Werk? Oder Karrieristen, die sich bessere Aufstiegschancen versprechen, wenn sie gegen Andersdenkende vorgehen? Oder beides?
Zur Erinnerung: Das Landgericht sah nicht einmal einen hinreichenden Anfangsverdacht – es wollte gar keinen Prozess.
Zu diesem kam es nur, weil die Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht anrief. Und je höher die Instanz, umso sorgsamer ausgewählt sind die Richter. Das Oberlandesgericht jedenfalls war politisch stramm auf Linie– und entschied eher nach Zeitgeist als nach Sachlage. Nur deshalb kam es dann doch noch zum Prozess – und dem damit verbundenen massiven Aufwand an Nerven und Geld für den charismatischen Querdenken-Gründer.
Ich habe Ballweg regelmäßig Postkarten in die Haft geschickt.
Nicht, weil ich damit politische Unterstützung signalisieren wollte – das hat man als Journalist tunlichst gegenüber jedermann zu unterlassen. Sondern weil ich es als Privatperson für meine Pflicht hielt, einem zu Unrecht Eingesperrten ein Zeichen der Menschlichkeit zu geben.
Und als ich vor wenigen Wochen las, dass der zuständige Untersuchungsrichter Dr. Berger, der ihn einst stundenlang an den Tisch fesseln ließ und auch ansonsten jeden Eindruck vermied, unvoreingenommen und gerecht zu sein, sich an wesentliche Details „nicht mehr erinnern“ könne, war ich sprachlos. Sofort waren da vor meinen Augen geschichtliche Parallelen, die mich nicht mal niederzuschreiben traue. Was sind das für Gestalten, denen wir heute Freiheit und Menschenwürde anvertrauen?
Ich bin erleichtert über den Freispruch.
Aber erschüttert darüber, wie Medien ihn verdrehen.
Wie gezielt sie die Wahrnehmung steuern.
Wie wenig noch zählt, was wahr ist – und wie sehr zählt, was „passt“.
Wenn Sie sich fragen, was aus dem Journalismus geworden ist –
dann lesen Sie Schlagzeilen wie die über Ballweg in der FAZ.
Und stellen Sie sich vor, was passiert wäre, hätte Napoleon Medien gehabt wie unsere heute.
PS: Ich hätte nicht gedacht, dass ich im Jahr 2025 einmal froh sein würde, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender – hier der SWR – nüchtern und korrekt berichtet. Aber offenbar sind wir schon so tief gesunken, dass journalistisches Mindesthandwerk wieder als Lichtblick gilt.
PPS: Kaum ist das Urteil gesprochen, meldet sich die Staatsanwaltschaft schon wieder – und prüft Rechtsmittel gegen den Freispruch. Man könnte meinen, hier sei ein Serienvergewaltiger auf freien Fuß gesetzt worden.
Was hier mit Michael Ballweg geschieht, ist längst kein juristischer Vorgang mehr – es ist ein politisches Exempel. Und es ist möglich, weil die deutsche Staatsanwaltschaft der Politik untersteht. Weisungsgebunden – ein Wort, das in jedem funktionierenden Rechtsstaat einen Skandal markieren würde. In Deutschland gilt es als normal.
Das bedeutet im Klartext: Politiker können darüber mitentscheiden, gegen wen ermittelt wird und gegen welches Urteil Rechtsmittel eingelegt werden – und gegen wen nicht.
Und sie tun es.
Mit Ihrem Geld.
Mit unserem Recht.
Mit dem Ziel, Abweichler einzuschüchtern – und ein System zu schützen, das seine Kritiker nicht widerlegt, sondern verfolgt.

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