Die Nichtzulassung von wahlberechtigten Arbeitnehmern zur Wahl berechtigt grundsätzlich lediglich zur Anfechtung der Wahl und führt nicht zu deren Nichtigkeit.
Betriebsratswahlen, die vor dem 18.06.2021 durchgeführt worden sind, werden von den Neuregelungen in § 19 Abs. 3 BetrVG zur Anfechtbarkeit der Wahl bei Unrichtigkeit der Wählerliste nicht erfasst.
Beschluss des BAG vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20
(Leitsätze der Verfasserin)
Gemäß § 19 BetrVG kann eine Betriebsratswahl durch mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder den Arbeitgeber angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und dies Einfluss auf das Wahlergebnis haben konnte. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig.
Diese Frist muss nicht eingehalten werden, wenn die Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht wird. Voraussetzung für die Nichtigkeit ist ein so eklatanter offensichtlicher Verstoß gegen allgemeine Wahlgrundsätze, dass nicht einmal mehr der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl besteht. In diesem Fall ist die Betriebsratswahl von Anfang an unwirksam, während die erfolgreiche Anfechtung der Wahl nur für die Zukunft wirkt.
Eine Nichtigkeit ist also nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gegeben. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Wahlvorstand nach unvollständiger Information durch den Arbeitgeber die Wählerliste unter Zuhilfenahme einer Telefon-liste erstellt. Auf der Wählerliste fanden sich sodann 5 Personen, die nicht wahlberechtigt waren, außerdem fehlten 6 Wahlberechtigte. Die Vorinstanz (LAG Thüringen, 24.06.2020 – 4 TaBV 12/19) hat auf Antrag des Arbeitgebers hin die Nichtigkeit der Wahl festgestellt. Dies hat das BAG aufgehoben. Allerdings war die Wahl auch nach Auffassung des BAG anfechtbar.
Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist in § 19 BetrVG ein Abs. 3 eingefügt worden, der die Möglichkeit der Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen Unrichtigkeit der Wählerliste einschränkt. Die Anfechtung durch Arbeitnehmer ist insoweit ausgeschlossen, wenn sie nicht zuvor ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt haben (es sei denn, sie waren hieran gehindert). Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen Angaben beruht.
Diese Neuregelung ist zum 18.06.2021 in Kraft getreten. Das BAG hat in seiner Entscheidung festgehalten, dass sie nur auf danach durchgeführte Betriebsratswahlen anzuwenden ist. Die angefochtene Wahl fand bereits im Jahr 2018 statt. Das BAG hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen gelassen, ob die Neuregelung nur dann eingreift, wenn der Arbeitgeber aktiv unrichtige Angaben gegenüber dem Wahlvorstand gemacht hat, oder auch, wenn er seiner Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 2 Wahlordnung nur unzureichend nachgekommen ist
Fazit:
Die Entscheidung des BAG ist zutreffend. Wäre das BAG hier von einer Nichtigkeit der Wahl ausgegangen, hätte dies in eklatantem Widerspruch zur zwischenzeitlichen Neuregelung gestanden, die sogar die bloße Anfechtbarkeit wegen Unrichtigkeit der Wählerliste ein-schränkt.
Mit der Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit für den Arbeitgeber wird auch verhindert, dass sich dieser selbst einen Anfechtungsgrund schafft, indem er gegenüber dem Wahlvorstand unrichtige Angaben macht. Nach dem Wortlaut der Neuregelung ist der Arbeitgeber mit der Anfechtung wegen Unrichtigkeit der Wählerliste ausgeschlossen, wenn „diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht“. Dies ist nach Auffassung der Verfasserin auch dann der Fall, wenn er unvollständige Informationen an den Wahlvorstand gibt wie vorliegend, denn auf dieser Auslassung beruht, dass in der Wählerliste Wahlberechtigte fehlen und diese hier-durch unrichtig ist
Steffi Dach,
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