Pranger der Schande mit Bild unzulässig
Das OLG München hat mit Urteil vom 17.03.2016 (29 U 368/16) eine einstweilige Verfügung gegen den Herausgeber der Internet-Ausgabe der Bildzeitung erlassen und diesem untersagt, das Bildnis einer Facebook-Nutzerin im sog. „Pranger der Schande“ zu veröffentlichen. Ausschlaggebend war das Überwiegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Facebook-Nutzerin gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse der Beklagten im Rahmen von §§ 22, 23 KUG.
Hintergrund des Rechtsstreits war ein Internet-Pranger der Bild-Zeitung. Diese hatte Ende Oktober 2015 sowohl in ihrer Print- als auch ihrer Online-Ausgabe einen selbsternannten „Pranger der Schande“ veröffentlicht. Der Artikel war mit „BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ überschrieben und enthielt unter anderem die Aussagen „Längst ist die Grenze überschritten von freier Meinungsäußerung oder Satire zum Aufruf zu schwersten Straftaten bis zum Mord. BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!“. Darunter wurden Kommentare von Facebooknutzer unverpixelt mit Klarnamen und Profilbild aufgelistet, die sich kritisch zum Flüchtlingsstrom 2015 nach Deutschland geäußert hatten.
Eine der Betroffenen, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Hechler, M.B.A., wehrte sich gerichtlich gegen die Veröffentlichung ihres Bildes innerhalb dieses Prangers in der Online-Ausgabe der Bild-Zeitung. Das zunächst angerufene Landgericht München I wies den Antrag auf eine einstweilige Verfügung ab. Es schloss sich der Entscheidung des Deutschen Presserates an und befand die Abbildung des Bildes für zulässig. Die Veröffentlichung des Profilbildes verstoße weder gegen die Urheberrechte der Nutzerin, noch verletze die Bild-Zeitung deren Persönlichkeitsrechte.
Das Oberlandesgericht München war anderer Ansicht und hob das Urteil der I. Instanz auf. Es verurteilte Bild-Online, die Veröffentlichung des Bildes im Internet-Pranger zu unterlassen. Die Münchner Richter sahen in dem Pranger einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Eine derartige Bildberichterstattung, in der Personen mit vollem Namen und Profilbild unter einer derartigen Überschrift abgebildet werden, habe eine solche Prangerwirkung, die die Facebook-Nutzerin nicht dulden müsse. Die Beklagte, vertreten durch die Berliner Kanzlei Raue LLP, konnte die Richter nicht überzeugen, dass die unverpixelte Veröffentlichung der Profilbilder im Vergleich zu einer Verpixelung einen Mehrwert für die Berichterstattung bringt. Der Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte sei so eindeutig, dass es auf urheberrechtliche Erwägungen nicht mehr ankomme.
Rechtsanwalt Matthias Hechler, M.B.A., der Vertreter der Klägerin, begrüßte die Entscheidung des OLG München. Die Richter hätten ihre Entscheidung auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Eine Abwägung der betroffenen Grundrechte wie Meinungsfreiheit bzw. Pressefreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrechts andererseits komme zu dem Ergebnis, dass keine Notwendigkeit bestehe, die betroffenen Facebook-Nutzer mit deren Foto abzubilden. Die bildliche Darstellung einzelner Persönlichkeiten gegen deren Willen unter abwertenden Umständen sei die moderne Form des Prangers, die heute nicht mehr zulässig sei. Deshalb sei der Pressefreiheit eine Grenze im Fall einer unzulässigen Prangerwirkung zu setzen.
Gegen das Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren ist keine Revision statthaft. Die Bild-Zeitung hat jedoch bereits in der ersten Instanz angekündigt, diesen Rechtstreit endgültig klären lassen zu wollen. Daher ist dieser Rechtstreit vermutlich noch nicht endgültig entschieden.
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