Man glaubt, man sei nach vielen Jahren im Journalismus gegen alles gefeit.
Dass einen nichts mehr überraschen könne.
Dass man jede Form der Dreistigkeit schon einmal gesehen hat.
Doch was mir in den letzten Wochen mit der Staatsanwaltschaft Augsburg widerfahren ist, hat selbst mich fassungslos gemacht.
Am 21. Juli stellte ich dort eine Presseanfrage an Staatsanwalt Andreas Dobler, den Sprecher der Behörde.
Weil es auf jedes Wort ankommt, gebe ich sie in voller Länge wieder:
„Mich haben Informationen unter Berufung auf das familiären Umfeld eines 17-jährigen Mädchens erreicht, wonach dieses vor drei Wochen in Augsburg-Oberhausen unter Gewalteinwirkung ums Leben gekommen sein soll. Es gibt auch Hinweise, dass afghanische Migranten beteiligt gewesen sein sollen.
Ich möchte Sie fragen, ob es vor rund drei Wochen einen Todesfall von einem Mädchen in dem betreffenden oder ähnlichen Alter in Oberhausen oder Umgebung gab oder ob Ihnen ein Vorfall bekannt ist, der dem beschriebenen ähnelt.“
Meine Anfrage war also glasklar: Gab es einen Todesfall in dieser Altersgruppe? Nicht: gab es Afghanen, gab es Gewalteinwirkung. Sondern: gab es einen solchen Todesfall – oder einen ähnlichen?
Am nächsten Morgen die Antwort – ohne Unterschrift, nur mit der Grußzeile „mit freundlichen Grüßen“, und darunter nichts mehr:
„Sehr geehrter Herr Reitschuster, auf Nachfrage bei den für einen solchen Fall zuständigen Kollegen wurde mir mitgeteilt, dass bei uns aktuell kein derartiger Fall bekannt ist.“
Punkt.
Ende.
Kein Raum für Missverständnisse.
Doch schwarz auf weiß bestätigt nun das Bayerische Innenministerium, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg bereits seit April ein Todesermittlungsverfahren zu genau diesem Fall führt – einer 17-Jährigen, die am 18. April 2025 in Augsburg-Oberhausen ums Leben kam.
Exklusiv erhielt ich diese Bestätigung durch den AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Jurca. Er stellte im Landtag eine offizielle Anfrage zu den Gerüchten über den Todesfall – und bekam von der Staatsregierung am 14. August die Antwort, die er mir exklusiv weiterleitete. Damit war plötzlich dokumentiert, was die Staatsanwaltschaft mir gegenüber noch wenige Tage zuvor brüsk geleugnet hatte.
Aus den Unterlagen geht hervor: Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt seit dem 18. April ein Todesermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Ableben einer 17-jährigen Jugendlichen in Augsburg-Oberhausen.
Hier muss man klar unterscheiden: Ein Todesermittlungsverfahren ist kein Verfahren wegen eines Tötungsdeliktes. Es wird immer dann eingeleitet, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist. Das können Drogen sein, das kann Suizid sein, das kann sich aber eben auch im Lauf der Ermittlungen als Tötungsdelikt herausstellen.
Die Regierung verweigert jede nähere Auskunft zu Todesursache, toxikologischen Befunden oder möglichen Hintergründen. Begründung: Man könne aus Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der minderjährigen Verstorbenen und ihrer Angehörigen keine Details nennen.
Was dabei besonders dramatisch ist: Dieselbe Staatsanwaltschaft, die den Landtag informiert, schreibt mir, dem Journalisten, kühl ins Gesicht: „Kein Fall bekannt.“
Das ist nicht Schweigen.
Das ist nicht Abwiegeln.
Das ist eine Lüge.
Doch damit nicht genug: In der Antwort der Staatsregierung heißt es schwarz auf weiß, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg den Fall sehr wohl führt – und dass man lediglich „keine proaktive Medienarbeit“ für nötig hielt, um die Belange der Angehörigen zu schützen.
Das klingt harmlos: Wir verschicken keine Pressemitteilung.
Aber genau das ist der entscheidende Unterschied: Nicht von sich aus aktiv zu informieren ist etwas völlig anderes, als auf eine gezielte Nachfrage hin schlicht die Existenz des Falls abzustreiten.
Und noch schlimmer: Das ganze Schreiben liest sich wie ein Verdeckungsversuch. Man redet von „schutzwürdigen Belangen“ und tut so, als ob es um die Weitergabe personenbezogener Daten ginge. Doch darum ging es überhaupt nicht. Niemand wollte Namen oder intime Details. Gefragt war nur: Gab es diesen Todesfall oder nicht?
Die Staatsregierung schreibt: „Wir haben nur keine proaktive Medienarbeit gemacht.“
Die Staatsanwaltschaft schreibt mir: „Kein Fall bekannt.“
Das eine ist Zurückhaltung. Das andere ist aktives Verheimlichen.
Und genau hier liegt der eigentliche Skandal: Wenn die Regierung sagt, es habe bloß keine proaktive Pressearbeit gegeben – hat die Staatsanwaltschaft dann die Regierung belogen? Oder stimmen beide überein – und belügen gemeinsam die Öffentlichkeit?
Eine Politik, die so agiert, ist fatal. Sie zerstört Vertrauen, sie schürt Misstrauen – und sie sorgt dafür, dass Bürger den Behörden immer weniger glauben. Viele tun das längst. Und so bitter es klingt: Ich kann das leider nur allzu gut verstehen.
Was wir hier erleben, ist ein Skandal im Quadrat.
Es ist auch kein Einzelfall. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder dokumentiert, wie schwerste Fälle – von Vergewaltigungen bis zu Tötungsdelikten – kleingeredet oder gar nicht kommuniziert wurden.
Fälle, die nur durch Zufall oder durch Druck von außen überhaupt ans Licht kamen.
So etwa in Freiburg, wo eine Gruppenvergewaltigung erst nach massiven Nachfragen überhaupt öffentlich bestätigt wurde.
In Ulm, wo eine brutale Attacke lange kleingeredet wurde.
Oder in Dessau, wo eine junge Frau nach einem Angriff starb – und die Umstände erst später Stück für Stück ans Licht kamen.
Jedes Mal dasselbe Muster:
Schweigen.
Abwiegeln.
Vertuschen.
Dabei zeigt genau dieser Fall aus Augsburg, der laut Willen der Behörden gar keiner sein sollte, wie wichtig es ist, dass es Alternativen gibt – in den Medien ebenso wie in der Politik. Wie kann es sein, dass die Leser der „Augsburger Allgemeinen“ mit ihrem riesigen Apparat, mit Millionen-Ressourcen, üppigen Förderungen und Staatsgeld, von dem Fall nichts erfahren hätten, wenn nicht ein Abgeordneter aus der Opposition nachgefragt hätte? Wenn es kein alternatives Medium gäbe, das darüber berichtet (wie Sie es unterstützen können, lesen Sie hier)? Wie kann es sein, dass keine der anderen Parteien im Landtag eine solche Anfrage stellte – sondern es der AfD-Abgeordnete Andreas Jurca war, der den Stein ins Rollen brachte?
Man muss mich nicht lieben, man muss mich nicht mögen. Und man muss auch die AfD nicht mögen – man kann sie, im Gegenteil, sogar mit guten Gründen kritisieren. Aber dieser Fall zeigt eines ganz deutlich: Wie wichtig es ist, dass es Alternativen gibt. Und wie verheerend es ist, dass unsere Regierenden* alles daran setzen, genau diese Alternativen aus dem Weg zu räumen.
Und hier kommt noch ein persönlicher Aspekt hinzu: Genau diese Staatsanwaltschaft Augsburg war es, die nach der unsäglichen Anzeige der rot-grünen CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber gegen mich Ermittlungen einleitete – obwohl die Anschuldigungen laut meinem Anwalt absurd waren.
Die Behörde musste das Verfahren denn auch einstellen – aber just Staatsanwalt Andreas Dobler trat dann noch öffentlich nach. Er erweckte den Eindruck, dass es sich um eine Einstellung zweiter Klasse handelte, indem er zur „Augsburger Allgemeinen“ sagte: „Die untersuchten Äußerungen waren gerade noch vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.“
Mit anderen Worten: Hier wird versucht, noch einen Makel anzukleben – was die Behörde laut kritischen Juristen gar nicht dürfte.
Und jetzt: Derselbe Apparat, der damals nachtrat gegen mich, greift zu einer noch ungeheuerlicheren Praxis – der offenen Falschauskunft.
Das wirft zwingend Fragen auf:
Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Wie viele solcher Fälle liegen in Schubladen, ohne dass die Öffentlichkeit jemals davon erfährt?
Wie oft wurden wir bereits belogen – nur nicht so klar nachweisbar wie diesmal?
Das alles ist kein Betriebsunfall.
Es ist ein System.
Ein System, das nicht mehr dem Recht dient, sondern politischen Rücksichten, Ideologien, Machtspielen.
Ein System, in dem Wahrheit nicht ans Licht darf – weil sie den falschen passt.
Und genau dieses System ist brandgefährlich.
Denn wenn Bürger nicht mehr wissen können, ob die Justiz ihnen Wahrheit oder Lüge schreibt, dann ist das Vertrauen zerstört.
Dann sind wir nicht mehr in einem Rechtsstaat – sondern in einer Republik, in der Wahrheit selbst auf der Anklagebank sitzt.

PS: Bevor jetzt die Staatsanwaltschaft auch noch auf die Idee kommt, gegen mich zu ermitteln, weil ich das Wort „Lüge“ benutze, möchte ich kurz erklären, warum ich es tue. Die Behörde könnte versuchen, sich herauszureden mit dem Hinweis, ich hätte nach einem Todesfall „vor drei Wochen“ gefragt, oder es sei um Gerücht gegangen. Doch ich habe sie nicht nach den Gerüchten gefragt. Sondern nach einem Todesfall. Und ich formulierte die Anfrage explizit so, dass sie auch über die Gerüchte und den Zeitrahmen hinausging: „…oder ob Ihnen ein Vorfall bekannt ist, der dem beschriebenen ähnelt.“ Damit war klar, dass ich nach einem möglichen, bislang nicht kommunizierten Fall fragte – und die Zeitgrenze nicht eng ziehe.
Da zu dieser Zeit tatsächlich ein Todesermittlungsverfahren an einer 17-Jährigen lief, musste jedem klar sein, dass es genau darum ging. Die Staatsanwaltschaft hätte vieles antworten können – etwa, dass sie sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußere. Auch das wäre schon fragwürdig gewesen, aber zumindest ehrlich. Stattdessen schrieb man mir kategorisch: „Kein derartiger Fall bekannt.“
Und genau das macht den Unterschied: Für mich zeigen die Umstände und die Formulierung („derartiger Fall“) glasklar, dass es sich nicht um ein bloßes Versehen handelt, sondern um eine nachweislich falsche Auskunft – und damit in meinen Augen nichts anderes als eine Lüge.
Das ist meine bewusste journalistische Bewertung. Und wenn in Deutschland schon solche Wertungen nicht mehr möglich sein sollten, dann gäbe es hierzulande keinen kritischen Journalismus mehr – nur noch Hofberichterstattung.
In einer funktionierenden Demokratie, etwa als ich in den 1990er Jahren in Deutschland für die Nachrichtenagenturen dpa und AFP arbeitete, hätte mich die Staatsanwaltschaft angerufen – und mir die Hintergründe erklärt. Sie hätte zum Beispiel – für den hypothetischen Fall, dass es um einen Drogentod geht – mir genau das erläutern können. Und auch etwa bitten, aus Rücksicht auf die Familie nicht darüber zu berichten. Wären die Gründe, warum eine Berichterstattung für die Angehörigen nicht zumutbar gewesen wäre, nachvollziehbar gewesen, hätte ich dieser Bitte natürlich entsprochen. Ich habe solche Fälle gehabt. Meine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Augsburg Ende der 1990er Jahre etwa war immer von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt.
Und genau daran sieht man den Unterschied: Damals hätte man ehrlich gesagt, was Sache ist – oder zumindest, warum man nichts sagen kann. Heute aber wird schlicht geleugnet. Da denkt man fast, man hört die innere Stimme eines Staatsanwalts: „Ja, da war etwas – aber nicht so, wie es in den Gerüchten heißt.“ Selbst wenn das so gewesen wäre – warum dann lügen? Warum nicht einfach ehrlich antworten: ‚Es gibt einen Todesfall, aber wir äußern uns nicht weiter‘? Oder: Wir erklären Ihnen die Hintergründe, aber die sind nicht zur Veröffentlichung. Genau das wäre die rechtsstaatliche Antwort gewesen.
Doch was tut die Augsburger Staatsanwaltschaft im „neuen Deutschland“ stattdessen? Sie spielt Foul. Und merkt offenbar nicht einmal, dass sie damit alles nur noch schlimmer macht.
PPS: Mir tut es im Herzen weh, solche Artikel schreiben zu müssen. Ich weiß: Was ich hier schildere, erschüttert das ohnehin bei vielen minimalen Vertrauen in unseren Staat noch mehr. Dabei wäre genau dieses Vertrauen so wichtig. Aber ich bin überzeugt: Schweigen wäre die schlechtere Alternative. Auch ein Leck im Schiff wird nicht kleiner, wenn man die Augen davor verschließt. m Gegenteil: Nur wenn man darauf aufmerksam macht – auch wenn es unbequem ist –, kann das Schiff noch gerettet werden.
*) “Regierende“ ist keine Gender-Form 🙂. Das ist ein ganz normales Partizip – heißt einfach „die, die regieren“. Gab’s schon lange, bevor Genderformen wie „Studierende“ erfunden wurden. Nur blöd, dass durch die neuen Gender-Konstruktionen inzwischen sogar alte Grammatik verdächtig klingt. Aber ich will mir nicht von den Sprach-Umerziehern mein Deutsch diktieren lassen.
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