Von Kai Rebmann
Herr von Holst, mit Ihrem jüngst erschienen Buch „Krieg gegen das Bargeld“ haben Sie einen Spiegel-Bestseller gelandet. Sie stützen sich unter anderem auf exklusive Quellen aus politischen Gremien und Verbänden. Was hat Sie zum Experten gemacht?
Der Erhalt des Bargelds ist seit sechs Jahren mein Arbeitsschwerpunkt. Ich pflege den Kontakt zu Mitstreitern in anderen Ländern und recherchiere in mehreren Sprachen. 2021 machte ich das erste Mal auf mich aufmerksam, als ich eine Anti-Bargeld-Kampagne von Mastercard ins Rampenlicht brachte. Da ging es um eine Gesundheitsgefahr durch Banknoten – ein Gerücht, das sich ungefiltert durch die Medien verbreitet hatte. Hansjörg Stützle, ein Finanzfachmann, baut seit zehn Jahren eine Bewegung für das Bargeld auf. Ich bin 2019 dazugestoßen und verantworte den Bereich „Recherche und Analyse“. Wir haben gemeinsam eine Aufklärungsplattform im Internet groß gemacht. Mehr als 100 Artikel von mir sind dort erschienen. Inzwischen wurde ich auf Fachtagungen als Redner eingeladen. Dort trifft man Vertreter staatlicher Organisationen, Kreditkartenunternehmen, Geldtransporteure und Banken.
Mit Ihrem Buch möchten Sie aufzeigen, „warum wir Münzen und Geldscheine für unsere Freiheit benötigen“. Können Sie das auch in zwei, drei Sätzen beantworten?
So viel sollte einem Menschen doch noch vergönnt sein: dass er sich ohne staatliche Kontrolle
Wasser und Nahrung kaufen kann und den Bedarf für die tägliche Körperpflege. In einer Welt ohne Bargeld aber entscheiden Banken, Behörden, Softwareprogrammierer, Hacker und KI-Anwendungen, ob wir bezahlen können. Vom freien Menschen zum Sklaven sind wir dann nur noch einen Knopfdruck weit entfernt.
In einem aktuellen Artikel, erschienen in der „Berliner Zeitung“ und auf „reitschuster.de“, gehen Sie auf das Sterben der Bankfilialen ein. Welche Auswirkungen sehen Sie mittel- bis langfristig auf das Bezahlverhalten der Menschen?
Wo Bankfilialen verschwinden, gehen nicht nur Geldausgabeautomaten verloren: Für Ladenbetreiber wird es immer schwieriger, Münzen und Scheine auf die Bank zu bringen – um das Konto zu füllen und sich gegen Überfälle zu schützen. Zwischen 2019 und 2024 wurde jede dritte Bankzweigstelle geschlossen. Die Wegstrecke zur Bank nimmt also zu und gleichzeitig sinkt die transportierte Bargeldmenge, weil viele Menschen mit Karte bezahlen. Das lohnt aus Sicht des Handels immer weniger. Und wie ich erfahren habe, liegt auch bei größeren Handelsketten inzwischen kein Tabu mehr auf dem Gedanken, das Bargeld irgendwann ganz aus den Läden zu verbannen.
Müssen wir uns in ländlichen Gegenden darauf einstellen, dass wir bald nicht einmal mehr einen Geldautomaten der Sparkassen oder Volksbanken finden?
Die Sparkassen besitzen zumindest einen staatlichen Versorgungsauftrag mit kreditwirtschaftlichen Leistungen – dazu gehört auch der Bargeldverkehr. Leider ist nirgends definiert, wie er auszusehen hat. Es mangelt ganz generell an einer Vorschrift, die Banken dazu zwingt, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und ein solides Netz von Bankfilialen und Geldautomaten zu unterhalten. Wenn wir das nicht gesetzlich verankert bekommen, sieht es schlecht aus. Banken verdienen ja lieber an Kartenzahlungen.
Auf EU-Ebene arbeitet der Ministerrat an einer gemeinsamen Position zur geplanten Bargeld-Verordnung. Wie man es von Brüssel leider fast schon gewohnt ist, geschieht dies wenig transparent im stillen Kämmerlein. Sie sind Co-Autor einer Petition an EU-Parlament und EU-Ministerrat. Was wollen Sie und Ihre Mitstreiter konkret erreichen?
Die Verordnung nach dem Entwurf der EU-Kommission soll das Bargeld eigentlich schützen, aber sie ist löchrig ausgestaltet und könnte sich als ein Akt von Symbolpolitik erweisen. Uns geht es zuerst einmal darum, von den Medien gehört zu werden. Denn solange die Verhandlungen nicht in die öffentliche Wahrnehmung rücken, gestalten die Bankenlobby und andere Organisationen die Politik. Hansjörg Stützle und ich haben deshalb zahlreiche prominente Unterstützer mit ins Boot geholt. Konkret fordern wir, dass die Akzeptanz von Bargeld in Läden, auf Behörden und bei öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet bleibt. Außerdem sollten 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von zwei Kilometern von ihrem Wohnort Zugang zu Bargeld besitzen.
Bislang haben wir mehr als 225.000 Unterschriften gesammelt. „Tagesschau.de“ und „Stuttgarter Zeitung“ berichteten über die Petition, aber das entfaltet natürlich keinen ausreichenden Druck auf die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für unsere und in der Bevölkerung wahrscheinlich sehr populären Forderungen einzusetzen. Was ich erfahre, ist, dass das Finanzministerium klare Vorschriften für den Einzelhandel und die Banken ablehnt – der konsequente Schutz des Bargelds ist also nicht erwünscht. Anfang September könnte im Ministerrat eine Entscheidung fallen. Danach liegt die Hoffnung auf dem EU-Parlament.
Aus einzelnen EU-Staaten kommen jedoch auch positive Nachrichten für das Bargeld. Was tut sich im Ausland aktuell?
Belgien, Ungarn, Spanien und Norwegen haben einen Bargeld-Annahmezwang für Ladenbetreiber eingeführt. Auch in den Niederlanden ist ein solches Gesetz auf dem Weg. Dort lehnen bereits 21 Prozent der Apotheken Bargeld ab, wenn man der Nationalbank Glauben schenkt.
Die Verfügbarkeit von Bargeld ist ebenso ein Politikum geworden. In den Niederlanden müssen die Großbanken jetzt für einen kostenlosen Geldautomaten im Umkreis von 5 Kilometern garantieren. Ungarn wiederum verpflichtet die Geldinstitute, bis Jahresende alle Gemeinden ab 1000 Einwohnern mit Automaten auszustatten, bis Ende 2026 alle Gemeinden ab 500 Einwohnern.
Der von Schwarz-Rot geplante Annahmezwang für digitale Zahlungsmittel im Einzelhandel ist Ihnen ein Dorn im Auge. Weshalb?
Die Kartenzahlung hat ein Milliarden-Werbebudget im Rücken. Was sagt das aus, wenn der Staat hier zusätzlich nachhilft und gleichzeitig das Bargeld vernachlässigt? Wenn es keine Läden mehr gibt, in denen man ohne Bargeld leer ausgeht, dann werden viele Menschen auf Bargeld ganz verzichten. Das scheint auch erwünscht zu sein, denn das Koalitionsziel wurde mit dem Kampf gegen Steuerbetrug begründet. Nur leider geht dann auch das Bargeld zugrunde. Denn wenn niemand bar bezahlt und niemand Geld am Automaten holt, dann verschwinden die Bargeldkassen in den Läden, die Bankfilialen, die Geldautomaten und das gesamte kommerzielle Geldtransportwesen, weil alles nicht mehr rentabel ist und keine Nachfrage besteht.
Welche Rolle spielen international gewichtige Akteure wie Großbritannien, die USA oder die Schweiz für die Zukunft des Bargelds?
Wenn das Bargeld in der Schweiz ein nutzbares Zahlungsmittel bleibt, schwächt das natürlich die Argumentation der Bargeldgegner in der EU. Denn der Schwarzmarkt könnte schlicht auf den Schweizer Franken ausweichen. In der Schweiz steht eine Volksabstimmung über die Frage an, ob die Ausgabe von Bargeld durch die Notenbank in die Verfassung kommt.
Die USA können durch ihre Sanktionsmacht generell großen Druck ausüben. Sie sind ein wichtiges Mitglied der FATF, einer internationalen Schattenmacht, die mit ihren bargeldfeindlichen Standards die Geldwäschegesetzgebung auch in der Europäischen Union prägt. Im Namen der Geldwäschebekämpfung kommt 2027 eine EU-weite Bargeldobergrenze von 10.000 Euro; ab 3000 Euro muss sich ein Barzahler identifizieren lassen. Viele Länder haben bereits härtere Grenzen eingeführt und senken sie Schritt für Schritt – Griechenland wollte auf 200 Euro hinuntergehen. Dafür kann man sich als Journalist anonym keinen Laptop mehr kaufen.
Sie werfen Schwarz-Rot unter anderem eine „fortgesetzte Finanzierung bargeldfeindlicher Organisationen in Entwicklungsländern“ vor. Welche Beispiele gibt es?
Ich nenne mal eins: Die „Alliance for Financial Inclusion“ hat inzwischen mehrere Millionen aus der Staatskasse erhalten. Sie wurde auf deutsche Initiative überhaupt erst gegründet. In Afrika setzt sie sich für den elektronischen Bezahlungsverkehr ein und kooperierte in Malawi mit der Mastercard-Stiftung, um einen Annahmezwang für digitale Zahlungsmittel im Einzelhandel durchzusetzen.
Wenn wir zum Abschluss einen Blick in die imaginäre Glaskugel werfen: Wie sieht die Bargeldwelt in Deutschland im Jahr 2030 aus?
Wenn wir es schaffen, das Bargeld gesetzlich abzusichern, dann bleiben Banknoten und Münzen ein geschätztes und genutztes Zahlungsmittel. Dann können wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, vielen Menschen bewusst zu machen, dass man seine Freiheit nutzen muss, damit sie dauerhaft erhalten bleibt. Im Moment aber sollten wir die Aufmerksamkeit auf EU-Parlament und EU-Ministerrat richten. Alle können mithelfen, indem sie die Petition auf www.Bargelderhalt.eu unterstützen, andere darauf aufmerksam machen und die Verhandlungen auf EU-Ebene ins Licht der Öffentlichkeit bringen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Shutterstock
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