Die Grundlage von Demokratie sind Wahlen, und damit die Möglichkeit für die Bürger, Alternativen zu wählen. Dass dieses Allerheiligtum der Demokratie manipuliert wird, den Wählern vorenthalten wird, Alternativen zu wählen, und zwar unter den unterschiedlichsten Deckmänteln – meistens dem des vermeintlichen Schutzes der „wahren“ Demokratie, ist ein klares Zeichen für ein undemokratisches System.
Genau das erleben wir aktuell in Ludwigshafen. Die dort regierende SPD-Oberbürgermeisterin hat ihren Gegenkandidaten von der AfD, den Landtagsabgeordneten Joachim Paul, für die Wahlen im September beim Verfassungsschutz denunziert. Anschließend wurde er vom Wahlausschuss von der Wahl ausgeschlossen – weil an seiner Verfassungstreue Zweifel bestünden (siehe hier). Und unsere Justiz – seit Corona oft nur noch eine Parodie auf echte Rechtsstaatlichkeit – hat jetzt brav Männchen gemacht und diese Sauerei abgesegnet. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße teilte jetzt mit, dass es einen Eilantrag Pauls gegen seinen Ausschluss abgewiesen hat.
Man muss sich das in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit vergegenwärtigen: Der Kandidat der laut Umfragen stärksten Partei in Deutschland (immer, wenn man die AfD mit der CDU ohne CSU vergleicht, in vielen Umfragen inzwischen auch im Vergleich mit der gesamten Union) wird einfach mal aussortiert. Der Vorgang erinnert an Systeme wie das im Iran, wo der Wächterrat entscheidet, wer würdig genug ist, sich den Bürgern zur Wahl zu stellen. Und stellen Sie sich das einmal konkret als Wähler in Ludwigshafen vor: Sie gehen zur Wahl, wollen die stärkste Partei wählen – und stellen im Wahllokal fest, dass sie gar nicht mehr auf dem Zettel steht. Das ist nicht mehr Demokratie, das ist politische Taschenspielerei.
In Deutschland besteht dieser Wächterrat aus den Altparteien (und nein, das ist kein Nazi-Begriff, auch wenn uns genau diese Altparteien das weis machen wollen, dazu demnächst mehr) und den Behörden, die sie kontrollieren. Denn auch im Verfassungsschutz und den Wahlgremien haben die Altparteien das Sagen.
Das Vorgehen ist so, als würde man im Fußball Bayern München einfach nicht antreten lassen. Oder meinetwegen Leverkusen.
Was da gerade in Rheinland-Pfalz passiert, ist einer von vielen Tabubrüchen in Sachen Demokratie. Stück für Stück wird sie beerdigt – ausgerechnet von denen, die sich als ihre Verteidiger ausgeben. Und zumindest in vielen Fällen vor lauter Verblendung auch als solche sehen.
Sie haben nie kapiert, dass Demokratie eben nicht darin besteht, die eigene Gesinnung für die einzig selig machende zu halten und alle anderen für gefährlich. Sondern dass Demokratie bedeutet, feste Spielregeln eisern einzuhalten, und die eigene Gesinnung eben nie für die einzig gültige zu halten. Und Alternativen nie aus dem demokratischen Prozess auszuschließen.
Ein vergangenheitsbewältigungsbesoffener polit-medialer Prozess tut genau das, was er zu bekämpfen glaubt – er greift auf genau die Mechanismen zurück, die unser Land bereits wiederholt ins Verderben geführt haben.
Darunter auch die Willfährigkeit der Justiz gegenüber der Politik und ihre gezielte Blindheit. Es seI kein offensichtlicher Fehler in der Entscheidung für den Wahlausschuss von Paul zu erkennen, entschieden die Verwaltungsrichter in bemerkenswerter Ignoranz. Als Indiz für die Zweifel an der Verfassungstreue des Kandidaten spreche etwa, dass das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Einstufung der AfD als Verdachtsfall bestätigt habe. Auch der verhinderte Kandidat Paul sei im Bericht des Verfassungsschutzes von Rheinland-Pfalz für das Jahr 2024 namentlich erwähnt worden.
Na und?
Ja, Paul gilt selbst in der AfD vielen als zu rechts; Kritiker werfen ihm Umgang mit rechtsextremen Kreisen vor – wobei man heute ja nie weiß, ob damit Kreise gemeint sind, die nach alter, korrekter Definition rechtsextrem wären. Oder solche, die nach dem neuen, aus der DDR übernommenen Begriff von “rechts” gemeint sind und in Wirklichkeit nur konservativ sind. Genau darum geht es: Nicht, ob Paul der ideale Kandidat ist – sondern dass am Ende die Wähler und nur sie das Recht haben müssen, darüber zu entscheiden.
Paul war im Dezember 2023 von er AfD selbst für alle Parteiämter gesperrt worden. Der Vorwurf: Er habe den als rechtsextremes Erkennungszeichen geltenden White-Power-Gruß gezeigt. Paul selbst sieht in der Geste keinen extremistischen Hintergrund. Die Amtssperre durch die Partei wurde in eine Abmahnung umgewandelt.
Es geht hier nicht darum, Pauls Biografie oder politische Ansichten zu verteidigen. Es geht um das Prinzip, dass in einer Demokratie allein die Wähler entscheiden dürfen, ob ein Kandidat tragbar ist – und nicht Behörden oder politische Gegner.
Fakt ist: Paul gehört zu jenen in der AfD, die es ihren Gegnern leicht machen, die Partei in die extremistische Ecke zu stellen. Gäbe es Leute wie Paul nicht in der Partei – Union, SPD, Grüne & Co. müssten sie erfinden.
„Es trifft nicht den falschen“, heißt es denn jetzt auch sogar aus Kreisen, die der AfD nahestehen. Ob das so ist, mag ich nicht zu beurteilen. Ich kann nur beurteilen, dass die Art und Weise, wie hier entschieden wird, eine Verhöhnung der Demokratie ist. Denn zu entscheiden haben die Wähler – und nicht irgendwelche Wahlausschüsse, die von den regierenden Parteien maßgeblich bestimmt werden.
Was hier geschieht, ist ein Skandal, gegen den sich jeder noch halbwegs aufrechte Demokrat wenden müsste – ganz egal, was er von Joachim Paul hält.
Besonders erschreckend ist, welchen Zynismus das Verwaltungsgericht an den Tag legt – der an DDR-Zeiten erinnert. Um die Vorwürfe gegen Paul begründet zu untersuchen, sei eine umfangreiche Prüfung nötig, so das Gericht. Dies sei so kurz vor der Oberbürgermeisterwahl nicht möglich.
Das ist ungeheuerlich! Denn eine einstweilige Verfügung wäre ja genau dazu da, um einen Schaden abzuwenden – hier vom Wähler – wenn erst nachträglich geprüft werden kann. Das Gericht pervertiert jetzt diesen Rechtsgrundsatz und kehrt ihn ins Gegenteil um– im Kampf gegen die „Beelzebub-Partei“ sind den vermeintlichen „Demokraten“ alle Mittel recht.
Und genau das ist kein Betriebsunfall, sondern Methode. Wer den politischen Wettbewerb fürchtet, schaltet Gegner lieber aus, statt sich der Auseinandersetzung zu stellen. Das aber ist das Ende jeder Demokratie. Heute trifft es Joachim Paul. Morgen vielleicht schon den Nächsten. Wer einmal zulässt, dass die Wähler entmündigt werden, braucht sich nicht zu wundern, wenn er selbst eines Tages nicht mehr wählen darf – sondern nur noch abnicken.
Und hier wird das Krasseste sichtbar: Mit dieser Entscheidung des Wahlausschusses und der jetzt vom Gericht bestätigten Einzel-Auswahl macht man Wahlen im Grunde überflüssig – denn der Ausgang ist längst determiniert – in diesem Fall der Sieg der SPD-Amtsinhaberin. Genauso gut könnte man gleich sagen: Wahlen sind abgeschafft, der Wahlausschuss bestimmt, wer gewinnt. Hier wird Demokratie zur Farce. Und man erinnert sich unweigerlich an die bitter-satirischen Worte Bertolt Brechts – nachdem der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 niedergeschlagen war:
„Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“
Das Gericht und der Wahlausschuss haben jetzt bewiesen, dass auch ein moderner Staat es hinkriegt, das Volk systematisch auszuhebeln – praktischerweise, ohne Parlament, Wahlkampf oder Bürgerbeteiligung.
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