Anabel Schunke spricht in ihrer lesenswerten Weltwoche-Kolumne aber mutmaßlich eher über jüngere Männer. Über solche, die sich gerade ein Leben aufbauen, die also noch vor wegweisenden Entscheidungen stehen.
Meine Kinder sind mittlerweile alle erwachsen, meine Frau und ich sind 32 Jahre lang zusammen. Aber so viel kann sich ja von einer zur nächsten Generation nicht verändert haben. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Bekannte, Verwandte oder Freunde irgendwann in ihrem Leben aus einem Verständnis von Männlichkeit heraus den Wunsch geäußert hätten, unbedingt die Rolle des Ernährers einzunehmen. Passiert es automatisch?
Die Rolle des Ernährers gegenüber einer Frau? Ich kenne diese Rollenzuschreibung nur bezogen auf Familien: Die Rolle des Ernährers für eine Familie mit Kindern.
Ich kann allenfalls meine persönlichen Erfahrungen beisteuern. Anabel Schunke schreibt:
„Aber Männlichkeit definiert sich nicht durch einen Job und guten Verdienst. Männlichkeit definiert sich durch maskuline Handlungen. Durch Beschützereigenschaften, Loyalität und respektvollen Umgang. Charmantes Auftreten, gutes Benehmen – all das kostet kein Geld und strahlt hundert Mal mehr Männlichkeit aus als ein dickes Portemonnaie.“
Sind das Luxusgedanken? Meine Frau und ich haben vier Kindern großgezogen. Dabei ging es über zwei Jahrzehnte hinweg überwiegend darum, wie wir es finanzieren können, ohne dem Amt auf der Tasche zu liegen. Und mindestens ebenso wichtig: Wie wir den Kindern gute Eltern sein können. Kurz gesagt: Geld musste her und eine adäquate familiäre Betreuung.
Im Ergebnis war es dann tatsächlich so, dass ich das Geld beschaffte. Aber gerissen habe ich mich darum bestimmt nicht, ich war zufrieden mit gastronomischen Projekten, musste sie aufgeben und eineinhalb Jahrzehnte in einer Werbeagentur zuletzt als Textchef Magazine für Volkswagen arbeiten. Das mag nach einem guten Einkommen klingen, aber wir hatten einmal ausgerechnet, dass wir (wenn das Kindergeld nicht wäre) mit vier Kindern auf dem Niveau dessen lagen, was andere Familien an Sozialhilfeleistung bekommen. Mit anderen Worten: Wir haben quasi durchgehend am offiziellen Existenzminium gelebt und lediglich das Kindergeld von ein paar hundert Euro gab ein kleines Oberwasser.
Aber wir haben uns dennoch dank meiner Frau einen ungeheuren Luxus leisten können. Meine Frau hat einen der härtesten Jobs unbezahlt erledigt: Sie war Pyschologin, Heilpraktikerin, Schularbeitenhilfe, Köchin, Sportlehrerin, Sprachlehrerin und Erzieherin gleichzeitig. Mit einem Wort: Sie war Mutter nicht nur biologisch, sondern weil es dringend eine brauchte. Und sie war es mitunter von morgens um 6 Uhr bis abends um 22 Uhr und manchmal noch darüber hinaus.
Wir haben über die Jahre viele Doppelverdiener-Eltern erlebt, deren Kindern es deutlich weniger gut hatten als unsere Kinder. Eine Kollegin von mir, die halbtags arbeitete, meinte einmal sogar, dass sei aber „echt ungerecht“, weil gegen die Chancengleichheit, wenn meine Frau zu Hause Schularbeitenhilfe macht, während ihre Kinder sich durch die Tests quälen und schlechter abschneiden. Dass sie als Doppelverdiener dafür deutlich mehr Geld zur Verfügung hatten und sich entsprechend mehr leisten konnten, ließ die Kollegin dabei gern unter den Tisch fallen.
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Jetzt höre ich schon den Einwand, der Wallasch hat sich im Job verwirklicht, während seine Frau zu Hause die Mistarbeit machen musste. Das allerdings stimmt schon deshalb nicht, weil ich unter meiner Tätigkeit oft gelitten habe. Ich bin selten gern hingegangen. Ohne Frau und Kinder wäre ich in der Szene-Gastronomie geblieben. Ich habe oft mit mir gehadert und wollte nicht in das blöde Büro. Ich hätte mich damals gern vor der Rolle des Ernährers gedrückt. Aber es ging in dem Moment existenziell um zwei Dinge: Geld zu beschaffen und die Kinder zu betreuen. Diese Arbeit haben wir uns aufgeteilt, wie es uns am effektivsten erschien.
Anabel Schunke schreibt: „Ja, wir Frauen können heute alles sein, was wir wollen, aber über die Konsequenzen spricht niemand.“
Aber gilt das nicht für Männer im selben Maße? Es kann ja eine Falscheinschätzung von mir sein, aber in meiner Wahrnehmung habe ich für die Familie das Beste gegeben und irgendeine Wunschkarriere oder einen Traumberuf ebenso geopfert wie meine Frau die ihren. Wir haben einfach erledigt, was nötig war, wir haben anständig reagiert.
Man soll mit bitte mal eine Durchschnittsfamilie zeigen, die Kinder und Karriere perfekt nebeneinander geplant hat. Noch etwas ist mir an Anabel Schunkes Kolumne aufgefallen: Ich hatte beim Lesen nicht das Gefühl, dass es hier um die typischen Durchschnittsmenschen geht, die angesprochen sind. Um jene Frauen und Männer, die bei Lidl an der Kasse sitzen oder im Schichtbetrieb am Band arbeiten müssen. Für die müssen, was wir hier besprechen, doch echte Luxusprobleme sein.
Ich habe einen anderen Gedanken: Im Kern der Kolumne geht es doch darum, wer für die Kinderbetreuung den besseren Zugang hat. Kinder bekommen können nur Frauen. Das ist Bürde und Privileg. Aber was dann? Es mag ganz sicher sein, dass es moderne Männer gibt, die dafür viel besser geeignet sind, als die Männer meiner Generation. Aber noch etwas wird gern vergessen: Das heutzutage im Kontext illegaler Migration so oft angerufene Demografieproblem wurde lange damit gedeckelt, dass immer mehr Mütter zu Zweitverdienerinnen wurden.
Eine Folge war, dass die Bedürfnisse im selben Maße stiegen, wie die Reallöhne sanken, zuletzt verdienten zwei Personen so viel, wie früher einer ein Einkommen nach Hause brachte.
Interessant wäre mal eine Umfrage unter Deutschen, wer sich im Job selbstverwirklicht sieht und wer ab Mittag schon öfter auf die Uhr schaut. Ich bin sicher, Arbeit ist viel öfter bittere Pille als dass die Arbeitenden ihre Tätigkeit als Erfüllung oder Karriere verstehen. Es geht um Geld und ums Überleben. Und wer keine Kinder hat, der hat es da deutlich entspannter.
Eltern sein definiert sich vor allem dadurch, für seine Kinder zu sorgen, sie lieb zu haben, ihnen Geborgenheit und Sicherheit zu geben.
Anabel Schunke wünscht sich von echten Männern „Beschützereigenschaften, Loyalität, respektvollen Umgang, charmantes Auftreten und gutes Benehmen“. Aber gilt das nicht umgekehrt genauso? Wünschen sich das nicht auch Männer von Frauen und Kinder von ihren Müttern und Eltern?
Anabel Schunke hat in der Weltwoche ein interessantes Thema angesprochen, das noch für viel Diskussionsstoff sorgen kann.
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Author:
Alexander Wallasch