Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagenzins sinkt um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. Damit schreitet die EZB bei ihrer im Juni begonnenen Zinswende voran. Die Wirtschaft im Euroraum wird nach Einschätzung der EZB etwas schwächer wachsen als zuletzt erwartet.
Einschätzungen von Ökonomen zu den geldpolitischen Entscheidungen im Überblick:
Michael Heise, Chefvolkswirt HQ Trust:
„Die heutige Zinssenkung ist der Lage angemessen. Es dürfte noch eine weitere bis zum Jahresende folgen. Der Zinspfad in 2025 wird jedoch nicht so deutlich nach unten gehen, wie es die Finanzmärkte derzeit erwarten.“
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank
„Die EZB wird weiterhin datenabhängig agieren und darauf verweisen, dass hierzu auch die Analysen der EZB-Volkswirte gehören. Die neuen Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabes liegen im Dezember vor. Dies dürfte dann auch der Zeitpunkt für die nächste Zinssenkung sein. Die Ampeln für Zinssenkungen in höherer Frequenz stehen noch nicht auf grün, denn hierfür ist der Preisdruck im Dienstleistungssektor noch zu hoch.“
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt ING Bank
„Wir erwarten, dass die EZB das Tempo weiterer Zinssenkungen erhöhen wird. Nicht in diesem Jahr, sondern im nächsten Jahr. Warum nicht in diesem Jahr? Weil derzeit die deutschen Lohnverhandlungen und steigenden Verkaufspreiserwartungen noch immer auf eine gewisse Inflationszähigkeit hinweisen.“
Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg:
„Was den weiteren Ausblick angeht, blieb die EZB heute vage. Auch die Projektionen geben keinen wirklichen Hinweis. Die Risiken für die Inflationsprojektion dürften in etwa ausgeglichen sein. Das spricht insgesamt für ein langsames Vorgehen der EZB. Sie könnte auch einmal eine längere Pause einlegen, falls die Inflationsrisiken wieder aufflackern.“
Ulrich Wortberg, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen
„Letztlich will man sich aber nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festlegen und die Entscheidungen sind datenabhängig. Darauf dürfte EZB-Chefin Lagarde auf der Pressekonferenz hinweisen. Man hält sich alle Optionen offen, wobei die Tür für einen weiteren Schritt wohl geöffnet bleibt. Wir rechnen im Dezember damit.“
Maximilian Kunkel, Anlagestratege bei der UBS
„Die heutige Zinskürzung war wenig überraschend. Auffällig aber ist, dass die EZB trotz der erwarteten weiter fallenden Inflation mit Blick auf künftige Zinssenkungen nicht deutlicher geworden ist. Fehlende zusätzliche Impulse für die Zinsfantasien in der Eurozone gepaart mit einer sich abkühlenden Wirtschaft in den USA sollten den Euro in den nächsten Monaten gegenüber dem US-Dollar stützen.“
Jan Viebig, Anlagestratege bei ODDO BHF
„Die Inflation ist noch nicht endgültig besiegt. Vor allem im Dienstleistungssektor sind die Preissteigerungen nach wie vor zu hoch. Die Geldpolitik sollte deshalb weiterhin wachsam sein und die Leitzinsen nicht zu rasch weiter senken. Es kann nicht Aufgabe der Geldpolitik sein, die strukturellen Fehlentwicklungen in der europäischen Wirtschaftspolitik zu beheben. Eine geldpolitisch induzierte Konjunkturbelebung birgt das Risiko, die grundlegenden Probleme in der europäischen Wirtschaft zu überdecken, ohne sie zu lösen.“
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