Wer im niedersächsischen Einzugsgebiet von Volkswagen wohnt, der ist in diesen Tagen nicht gut zu sprechen angesichts dieses fundamentalen Versagens des Managements und der linksgewickelten Gewerkschaften, die in Personalunion der Regierung anreichen.
Aber ist es wirklich nur das Versagen einer bestimmten Konzernführung und seiner ideologisierten Arbeitervertretung?
Ein Fall aus Braunschweig zeigt jetzt, dass das System insgesamt infiziert ist. Konkret geht es um die Telekom. Der Niedergang dieses Kommunikationsspezialisten mit einer langen Tradition ist beispielhaft und atemberaubend.
Nach dem Dunkelwerden klingelt es an einem Haus. Der Hund bellt, die Frau geht an die Tür und steht zwei Gestalten gegenüber, die sich als Mitarbeiter der Telekom ausgeben. Einer bleibt im Hintergrund mit einer Art Tablet in der Hand, welches er so hält, dass man auch hübsch die Magenta-Farben der Telekom leuchten sieht.
Zur Vorgeschichte: Die Familie, welche in diesem Haus wohnt, ist sich durchaus bewusst, dass es mittlerweile Anbieter gibt, die deutlich preiswerter sind als die Telekom. Aber man bleibt dem Unternehmen treu, weil man dort immer schon unter Vertrag war, mittlerweile seit Jahrzehnten. Der einfache Deutsche bleibt eben eine treue Seele, auch dann noch, wenn es weh tut.
In den letzten Jahren hat man sich wohl oder übel sogar daran gewöhnt, dass immer mal wieder jemand anrief, der ein neues Produkt anbieten wollte, obwohl man mit dem Alten doch eigentlich zufrieden war.
Dann erklärt man halt freundlich, aber bestimmend, dass man bitte keine weiteren Anrufe möchte. Die kommen zwar trotzdem immer wieder, aber lassen sich dann schon gewohnheitsmäßig abwimmeln. Man bezahlt nicht nur das überteuerte Produkt, man lässt sich in einer Art Stockholm-Syndrom sogar wiederholt schlecht behandeln, aber es ist ja nur am Telefon. Und offenbar hat es die Telekom auch nicht leicht.
Zurück zu den zwei Herren an der Tür. Der Kollege im Hintergrund hantiert also an seinem Tablet mit dem Vertrauen-erwecken-sollenden Magenta-Farben, während der zweite sich aus der Distanz heraus in den Lichtkegel der offenen Tür vorbeugt und sich mit der Hand an einem Ausweis – festgeklemmt am Hosenbund – als Telekom vorstellt. Wer will sich da schon zur fremden Hose herunterbeugen, um sich zu vergewissern? Der Ausweis bleibt also unkenntlich auf dieser Distanz, aber auch von dort schimmert das vertraute Magenta rüber. Nun gut.
Aber was wollen die Herren eigentlich? Die von diesem nächtlichen Überfall Betroffenen haben es dankenswerterweise gleich protokolliert: Es ginge um die Umstellung auf Glasfaser in den kommenden zwei Wochen. Etwas müsse überprüft werden. Dabei zeigte einer der Männer unbestimmt in Richtung Straße. Und dafür brauche er jetzt halt die Nummer vom Router, ob man die mal ablesen dürfe.
Spätestens da wird es den Bewohnern zu viel und sie bitten darum, solche Anliegen schriftlich zu schicken und so um einen Termin zu bitten. Noch dazu am Abend, es ist schon stockduster draußen, die neuen Solar-Öko-Straßenlaternen der Stadt werfen nur mehr ein sparsames Licht in die Hauseingänge.
Aber es sei doch erst 17:45 Uhr, erwidert einer der ungebetenen Gäste. Außerdem habe man ja schon zwei Mal per Post einen Termin machen wollen, aber ohne Antwort, ob es nicht jetzt mal schnell so ginge. Nein? Na gut, heißt es jetzt fast drohend, aber man sende nur noch ein Schreiben, antwortet der Mann an der Tür, danach wäre es halt Pech.
Die Bewohner erschrecken innerlich. Pech will ja niemand haben. Noch weniger, wenn man gar nicht weiß, wie schlimm dieses kommende Pech dann sein könnte. Aber dennoch überwinden sie sich, „Adieu“ zu den Fremden zu sagen und schnell doppelt abzuschließen.
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Aber die Unruhe ist jetzt da und sie bleibt. Man hätte sie gern aus der Welt, weil sie sich doch mindestens ebenso ungut anfühlt wie der abendliche Hausbesuch, der aus dem Dunkel kam.
Ob die Herren wirklich von der Telekom sind, müsste doch ein Anruf dort schnell klären können. Aber dauert das nicht wieder so lange samt Warteschleife? Am Abend rufen doch Leute an, die ebenfalls den ganzen Tag geschuftet haben. Sollte man da noch zusätzlich die Leitung blockieren?
Der Telefonkontakt kommt erstaunlich schnell zustande, nachdem man der Computerstimme nur beharrlich genug erklärt hat, dass man nur mit einem „Berater“ zufrieden sei. „Berater“, „Berater“, „Berater“ – dann ist der Berater nach weniger als fünf Minuten in der Leitung. Und wenn man langsam spricht und ihn bittet, ebenfalls langsam zu sprechen, kann man sein gebrochenes Deutsch auch prima verstehen.
Ein netter Kollege ist in der Leitung. Und der schaut irgendwo nach und bestätigt tatsächlich, dass dieser Besuch etwas mit der Telekom zu tun habe. Nachdem man sich ein bisschen warm gequatscht und zusätzlich ein paar nette persönliche Sätze zum Berater gesagt hat, rückt der Telekom-Mitarbeiter schließlich mit der ganzen Wahrheit heraus: Es gibt dort keinerlei Umbau-Maßnahmen. Auch keine Neueinstellungen von irgendwas.
Die Telekom hat einfach die privaten Daten ihrer Kunden an eine Drückerkolonne vergeben oder verkauft, die damit nichts anderes wollen, als das, was die Telekom-Mitarbeiter schon am Telefon seit Jahren immer wieder versucht haben. Oder jene Call-Center, welche die Telekom damit beauftragt hat, ihren Kunden neue Produkte aufzuschwatzen, die den Geldfluss am Laufen und bestenfalls noch verstärken helfen.
Dass der Geldfluss bei besagter Familie immer weiter läuft hat allerdings rein gar nichts damit zu tun, dass die Vorgehensweise gegen die Kunden immer renitenter und aggressiver geworden ist. Sie speist sich aus einer rational längst nicht mehr erklärbaren Treue zum Anbieter!
Aber wie dumm kann man sein? Die gierigen Entscheider der Telekom haben sich von einem Wertesystem abgekoppelt, dass bei vielen ihrer Stammkunden – natürlich unverdientermaßen – immer noch zum Alleinstellungsmerkmal der Telekom gehört hat. Wie kann man den Niedergang des Landes eigentlich besser verdeutlichen?
Nichts hat mehr einen Wert, jeder verarscht jeden, und die Verarscher setzen sich zu Hause zu ihren Familien und sind noch davon überzeugt, einen erfolgreichen Tag gehabt zu haben.
Volkswagen steht am Abgrund. Aber da steht längst das gesamte Wertesystem dieses Landes. Und es sind die Entscheider in Politik, Wirtschaft und Medien, die sich längst von diesem Deutschland verabschiedet haben. Aus ideologischen Motiven, aus Gier und aus Selbstsucht. Und weil diese Leute in ihrer vermeintlichen Pfiffigkeit und Schlauheit der festen Überzeugung sind, sie haben es sich deshalb auch verdient, besser gestellt zu sein. Sie seien berechtigt, ihre Mitbürger übers Ohr zu hauen.
Tatsächlich beginnt der Niedergang immer zuerst in solchen Übelmenschen.
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Author:
Alexander Wallasch