1. Eine Unterlassungsverfügung zur Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates auf Unterrichtung, Beratung und Verhandlung über eine geplante Betriebsänderung nach §§ 111 ff BetrVG kommt grundsätzlich in Betracht.
2. Steht das Bestehen des Beteiligungsrechtes des Betriebsrates nach §§ 111ff BetrVG im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht überwiegend fest, bedarf es über die bloße Ge-fahr des Untergangs des Beteiligungsrechtes des Betriebsrates hinaus eines besonderen Verfügungsgrundes.
(Leitsätze der Verfasserin)
LAG Düsseldorf Beschluss vom 06.01.2021 – 4 TaBVGa 6/20
Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber war umstritten, ob eine Umstrukturierungsmaßnahme eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellte. Die Arbeitgeberseite begann damit, Gespräche über Aufhebungsverträge mit Arbeitnehmer*innen zu führen, ohne den Betriebsrat ausreichend über die Betriebsänderung zu informieren, geschweige denn über einen Interessenausgleich mit ihm zu beraten und zu verhandeln.
Der Betriebsrat beantragte daher im Beschlussverfahren den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung beim Arbeitsgericht Oberhausen und in der Beschwerdeinstanz beim LAG. Der Betriebsrat wollte dem Arbeitgeber aufgeben lassen, den Ausspruch von Kündigungen und das Angebot von Aufhebungsverträgen zu unterlassen, solange das Verfahren der Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht abgeschlossen oder in der Einigungsstelle gescheitert ist.
Zwar scheiterte der Betriebsrat im konkreten Fall mit seinem Anliegen. Dies lag zum einen daran, dass der Betriebsrat wohl erst zu einem Zeitpunkt gewählt worden ist, zu dem die Planung der Betriebsänderung bereits abgeschlossen und mit der Durchführung der Planung begonnen worden war.
Zum anderen scheiterte der Betriebsrat, weil im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht eindeutig festgestellt werden konnte, dass zwei Entlassungswellen, die jede für sich wegen der geringen Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer*innen keine Betriebsänderung darstellte, so zusammenzurechnen waren, dass eine einheitlich zu bewertende Betriebsänderung vorgelegen hätte und daher das Vorliegen einer Betriebsänderung nicht eindeutig war.
Dennoch ist die Entscheidung des LAG Düsseldorf für die Praxis wichtig.
Zum einen gibt das LAG die jahrelange Rechtsprechung in Düsseldorf auf, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Betriebsänderungen zur Sicherung seiner Beteiligungsrechte nicht gegeben sei. Betriebsräte haben daher jetzt auch im Bezirk des LAG Düsseldorf eine Möglichkeit, Arbeitgeber von einseitigen Entlassungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Betriebsänderungen abzuhalten. Das LAG Düsseldorf begründet seine Entscheidung zutreffend mit europarechtlichen Erwägungen und der Tatsache, dass der möglicherweise gegebene Nachteilsausgleichsanspruch der Arbeitnehmer*innen aus § 113 BetrVG nicht geeignet ist, eine Verletzung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates wirksam zu sanktionieren.
Beachtenswert ist dabei, dass bei einstweiligen Verfügungen im Beschlussverfahren das LAG die höchste Instanz ist. Diese Entscheidung des LAG Düsseldorf ist also rechtskräftig.
Zum anderen macht das LAG Düsseldorf deutlich, dass in den Fällen, in denen eindeutig eine Betriebsänderung vorliegt, allein der drohende Verlust der Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach §§ 111 ff BetrVG, ausreicht, um einen Unterlassungsbeschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren erlangen zu können. Damit werden die Rechte des Betriebsrates, die auch zum Schutz der Arbeitnehmer*innen vor weitreichenden Einschnitten in ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage bestehen, geschützt.
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