Alexander Wallasch schrieb diesen Artikel zuerst für Epoch Times.
Deutschland debattierte Ende 2018 angestrengt die anhaltende Massenzuwanderung, als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Marokko flog, um in Marrakesch den UN-Flucht- und Migrationspakt zu unterzeichnen.
Der Festakt war vom Unwillen einiger Mitgliedstaaten begleitet, die sich weigerten, den Pakt zu unterzeichnen. So auch der österreichische Nachbar unter Kanzler Sebastian Kurz, der den Verlust von Souveränität in der Migrationspolitik und ein Verwischen der Unterschiede zwischen legaler und illegaler Migration befürchtete. Auch die USA und weitere Staaten verweigerten ihre Unterschrift.
Nur wenige Tage vor der Unterzeichnung hatte die Kanzlerin auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung erklärt: „Nationalstaaten sollten heute bereit sein, Souveränität abzugeben.“ Aber dies müsse in einem geordneten Verfahren stattfinden, wozu ein Parlament unabdingbar sei, so Merkel damals.
Von den Medien weitestgehend unbeachtet blieb damals die Frage nach einem Anteil der deutschen Autorenschaft am UN-Flucht- und Migrationspakt. Sechs Jahre nach Merkels Marrakesch-Flug reisten Olaf Scholz und Annalena Baerbock zu den Vereinten Nationen in New York, um dort im Rahmen eines zweitägigen Zukunftsgipfels mit weiteren 192 Nationen den UN-Zukunftspakt („Pact for the future“) zu verabschieden.
Die Bundesregierung ließ mitteilen, Deutschland habe in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit Namibia den sogenannten Zukunftspakt als Verhandlungsführer vorbereitet.
Der Pakt soll die drängenden Fragen der Menschheit aufgreifen, die Umsetzung der Agenda 2030 beschleunigen und das UN-System reformieren, bis dahingehend, dass auch das Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat neu diskutiert wird.
Die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse ist eine der beiden sogenannten „Fazilitatorin“, was so etwas wie eine Mediatorin, Vermittlerin und Koordinatorin in Personalunion meint.
Frau Leendertse kam unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer ins Auswärtige Amt und wurde unter Heiko Maas (SPD) Staatssekretärin. Die Botschafterin ist Mitglied der International Gender Champions, die sich für Geschlechtergleichstellung in nationalen und internationalen Organisationen einsetzt. Auch aus diesem Blickwinkel ist ihre Handschrift im UN-Zukunftspakt erkennbar, etwa da, wo es in dem 60-Seiten-Papier wiederholt um eine politische Partizipation von Frauen geht. Der UN-Zukunftspakt selbst ist in fünf Abschnitte unterteilt, plus einem Digital Pakt (Global Digital Compact) im Anhang und einer gemeinsamen Präambel der Unterzeichner.
Die ersten fünf Kapitel umfassen eine Sammlung von 56 Maßnahmen (Action 1–5). Gleich zu Beginn heißt es dort, das Bestreben der Unterzeichner sei es, die Welt durch diese Maßnahmen „sicherer, friedlicher, gerechter, gleichberechtigter, inklusiver, nachhaltiger und wohlhabender“ zu machen.
Die Ziele sind hochgesteckt und sollen den Geist der UN widerspiegeln. Man versichert sich hier einleitend und gegenseitig der hehren Aufgaben, welche sich die Vereinten Nationen Mitte der 1940er-Jahre gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegeben hatten. Beispielhaft heißt es da:
„Die Beseitigung der Armut in allen ihren Formen und Dimensionen, einschließlich der extremen Armut, ist ein Gebot für die gesamte Menschheit.“
„Wir bekräftigen die Notwendigkeit, friedliche, gerechte und integrative Gesellschaften aufzubauen.“
„Wir beschließen, eine Welt zu verwirklichen, in der die Menschheit in Harmonie mit der Natur lebt.“
Ein Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit sei „keine Option, sondern eine Notwendigkeit.“ Der Zukunftspakt gelobt „einen Neuanfang im Multilateralismus“ und bekräftigt den Wunsch, die Agenda 2030 zu vollenden.
Auch Anleihen aus dem Flucht- und Migrationspakt von 2018 sind erkennbar. Jene Staaten, die den Pakt 2018 nicht unterzeichneten, haben nun sechs Jahre später Teile davon verabschiedet, wenn es im UN-Zukunftspakt beispielsweise heißt:
„Wir beschließen die Maximierung des positiven Beitrags von Migranten zur nachhaltigen Entwicklung von Herkunfts-, Transit-, Ziel- und Aufnahmeländern und die Stärkung internationaler Partnerschaften und der globalen Zusammenarbeit für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, um die Ursachen der irregulären Migration umfassend anzugehen und die Sicherheit, die Würde und die Menschenrechte aller Migranten unabhängig von ihrem Migrationsstatus zu gewährleisten.“
Der UN-Zukunftspakt erneuert via Bekenntnis zudem eine Reihe weiterer älterer Vereinbarungen wie die Agenda 2030, den Aktionsplan von Addis Abeba oder das Pariser Abkommen zum Klimaschutz:
„We commit to accelerate meeting our obligations under the United Nations Framework Convention on Climate Change and the Paris Agreement.“
(„Wir verpflichten uns, die Erfüllung unserer Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und dem Pariser Abkommen zu beschleunigen.“)
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Oder an anderer Stelle: „Wir bekräftigen, dass die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung unser übergreifender Fahrplan ist.“ Unter Maßnahme 5 bekennen sich die Staaten „zu einem regelbasierten, nichtdiskriminierenden, offenen, fairen, inklusiven, gerechten und transparenten multilateralen Handelssystem, dessen Kern die Welthandelsorganisation (WTO) bildet.“
Maßnahme 6 beschließt unter anderem die „Förderung einer universellen Gesundheitsversorgung“ und die Gewährleistung des Zugangs zu angemessenem, sicherem und erschwinglichem Wohnraum für alle. Zudem will der UN-Zukunftspakt die Entwicklungsländer bei der Planung und Umsetzung gerechter, sicherer, gesunder, zugänglicher, widerstandsfähiger und nachhaltiger Städte unterstützen.
Maßnahme 8 ist eine umfassende Sammlung von Willensbekundungen zur Gleichstellung der Geschlechter und zur „Stärkung aller Frauen und Mädchen“. Mutig und ehrgeizig will man dabei sein.
Die Unterzeichner erklären, zutiefst besorgt zu sein „über das derzeitige langsame Tempo der Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels. Wir sind ebenso tief besorgt über den anhaltenden Anstieg der Treibhausgasemissionen.“ Dazu werden die Vertragsparteien aufgefordert, auf nationaler Ebene zu einer ganzen Reihe globaler Anstrengungen beizutragen. Ein Frühwarnsystem soll bis 2027 für alle Menschen auf der Erde eingerichtet werden, welches gleich vor mehreren Gefahren schützen beziehungsweise warnen soll. Die Initiative „Frühwarnungen für alle“ soll beschleunigt werden.
Maßnahme 15 beschließt – wieder angelehnt an den UN Flucht- und Migrationspakt – „dauerhafte Lösungen für Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Staatenlose, unter anderem durch eine gerechte internationale Lasten- und Verantwortungsteilung und die Unterstützung von Aufnahmegemeinschaften, und unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung von Flüchtlingen.“
Unter Maßnahme 18 wird unter anderem beschlossen, den Frieden auch dadurch zu sichern, solche „Desinformation, Fehlinformation, Hassreden und Inhalte, die zu Schaden anstiften“, die über digitale Plattformen verbreitet werden, auch auf nationaler Ebene zu bekämpfen.
In Maßnahme 19, Punkt 40 bekennen sich die Mitgliedstaaten dazu, dass Frauen ein besonderes Talent zum Frieden haben:
„Wir erkennen die Rolle der Frauen als Friedensstifterinnen an. Die uneingeschränkte, gleichberechtigte, sichere und sinnvolle Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen von Frieden und Sicherheit, einschließlich Konfliktprävention und -lösung, Vermittlung und an Friedensoperationen, ist für die Erreichung eines nachhaltigen Friedens von entscheidender Bedeutung.“
Mit Maßnahme 23 bekräftigt der UN-Zukunftspakt, dass Terrorismus und gewalttätiger Extremismus, der dem Terrorismus Vorschub leistet, nicht mit einer Religion, Zivilisation oder ethnischen Gruppe in Verbindung gebracht werden könne und solle.
Immer wieder wird der Wunsch betont, man wünsche eine stärker strukturierte, sinnvolle und integrative Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen. Auch finanzielle Investitionen aus dem Privatsektor seien wünschenswert und erforderlich:
„Wir laden den Privatsektor und philanthropische Akteure ein, finanzielle Zusagen zur Unterstützung der Umsetzung dieses Pakts in Betracht zu ziehen.“
Maßnahme 34 weist unter anderem darauf hin, dass die Bemühungen um eine universelle Gesundheitsversorgung auch Immunisierungen und Impfungen einschließt.
Gleich an mehreren Stellen wird eine vielfach prekäre Lage afro-stämmiger Bevölkerungsgruppen erwähnt. So will Maßnahmen 39 „das historische Unrecht gegenüber Afrika als Priorität wiedergutmachen und Afrika als Sonderfall behandeln“.
Maßnahme 42 kommt erneut auf die Gleichstellung der Frau zurück und bittet die Unterzeichner, die bedauerliche Tatsache zu berücksichtigen, dass es noch nie eine Generalsekretärin gegeben habe. Der UN-Zukunftspakt beschließt eine Vertiefung der Zusammenarbeit der UN mit den nationalen Parlamenten. Parlamentarier sollen dazu bewegt werden, die Vereinbarungen und Resolutionen aktiv zu unterstützen.
Der Pakt endet in einer Präambel, welche noch einmal den UN-Flucht- und Migrationspakt aufgreift, wenn eine „Verbesserung und Diversifizierung der Verfügbarkeit und Flexibilität von Wegen für eine reguläre Migration“ angestrebt und der „positive Beitrag von Migranten zu integrativem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung anerkannt“ werden soll.
Der Wunsch der Autoren des Pakts, ein breites Themenspektrum abzubilden, muss immer wieder von einer ordnenden Konstruktion des Pakts eingefangen werden. Hier besteht die Schwierigkeit darin, einen möglichst breiten Konsens abzubilden.
Die Sprache, in der dieser Pakt aufgesetzt wurde, wird vom Geist und den Aufgaben der Vereinten Nation selbst bestimmt. Innerhalb dieses Korsetts, indem sich alle 193 Mitgliedstaaten wiederfinden wollen, sind die tatsächlich relevanten Punkte des UN-Zukunftspakts bisweilen schwer auszumachen. Man muss hier besonders konzentriert nachlesen, will man die Tragweite einzelner Passagen erfassen.
Der UN-Zukunftspakt will ein umfängliches Bekenntnis der Vereinten Nationen inmitten einer Zeit der Umbrüche sein. Man versichert sich einander. Und die unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer ins Auswärtige Amt gekommene deutsche UN-Botschafterin hat dabei einen deutlichen Fingerabdruck der politischen Agenda der Bundesregierung hinterlassen.
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Alexander Wallasch