Gilt ein Sturz beim Laubfegen als Arbeitsunfall?
Ob ein Unfall als Arbeitsunfall gilt, richtet sich danach, ob er bei der Ausübung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit stattgefunden hat. Ein Sturz beim Laubfegen kann ein Arbeitsunfall sein, wenn diese Tätigkeit zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers gehört. Dies hat laut Michaela Rassat, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH, das Sozialgericht Gießen entschieden.
Worum ging es bei Gericht?
Ein Ehepaar bewohnte eine Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus und vermietete die restlichen Zimmer als „Monteurzimmer“. Die Homepage wies beide als Vermieter aus, untereinander hatten sie jedoch einen Arbeitsvertrag geschlossen: Die Ehefrau arbeitete für ihren Mann. Ihre Pflichten waren es laut Vertrag, die Zimmer zu reinigen und die Betten herzurichten. An einem Novembertag beseitigte sie das Herbstlaub vor der Eingangstür. Dabei rutschte sie aus, stürzte und zog sich eine Sprunggelenksfraktur zu. Dafür beanspruchte sie Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese lehnte ab: Der Unfall habe sich nicht bei der arbeitsvertraglichen Tätigkeit ereignet. Außerdem sei zweifelhaft, ob überhaupt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege.
Das Urteil
Das Sozialgericht Gießen kam zu dem Ergebnis, dass hier durchaus ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag. „Dies ist auch unter Ehegatten möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen – darunter die Zahlung eines üblichen Arbeitsentgelts und das Abführen der Lohnsteuer“, erklärt Michaela Rassat. Die Klägerin war also bei ihrer Tätigkeit grundsätzlich gesetzlich unfallversichert gewesen. Trotzdem wies das Gericht ihre Klage ab. Denn: Tatsächlich sei sie nicht arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, im Außenbereich des Hauses Laub zu beseitigen. Ihr Arbeitsvertrag habe nur Tätigkeiten im Haus beinhaltet. Bei der Vermietung von Zimmern fielen zwar eine ganze Reihe von Tätigkeiten an, die in ihrem Arbeitsvertrag nicht erwähnt seien – zum Beispiel Buchhaltung und Kundenakquise. Wenn aber ausdrücklich nur Reinigungsarbeiten und Bettenmachen erwähnt seien, ist nicht davon auszugehen, dass ihre Pflichten noch weitere Tätigkeiten umfassten. „Es war nicht Teil ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit, das Herbstlaub zu beseitigen, und daher hatte sie keinen Versicherungsschutz“, so die Juristin von ERGO.
Was bedeutet das für Arbeitnehmer?
Um die Frage, wann ein Arbeitsunfall vorliegt, gibt es eine Vielzahl von Gerichtsprozessen. Arbeitnehmer sollten sich gerade bei nicht ganz üblichen Konstruktionen wie einem Arbeitsverhältnis unter Verwandten gründlich darüber informieren, ob ihre Tätigkeiten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen. „Verrichten sie Arbeiten, von denen nichts im Arbeitsvertrag steht, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung nicht. Hier hilft nur eine private Unfallversicherung“, weiß die Rechtsexpertin.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 12. Oktober 2018, Az. S 1 U 45/16
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