• 26. September 2025

Das gefährliche Gedankengut von Ann-Katrin Kaufhold –

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Sep. 19, 2025

Ein Gastbeitrag von Stefan Weber

„Dass ich von Systemaufsicht und z.B. nicht von Überwachung oder Kontrolle spreche, ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass das Finanzmarktrecht mein Hauptreferenzgebiet bildet und man dort traditionell von Finanzmarktaufsicht spricht“, schreibt die Staatsrechtslehrerin Ann-Katrin Kaufhold, Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und von der SPD nominiert für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In ihrem in der „Osaka University Law Review“ im Jahr 2018 erschienenen Beitrag „Schmetterlinge und das Verwaltungsrecht“ dehnt Kaufhold das Konzept der Systemaufsicht, das sie in ihrer zwei Jahre zuvor erschienenen Habilitationsschrift für Finanzmärkte bearbeitet hat, auf die Gesamtgesellschaft aus.

Ziemlich genau drei Jahre vor Ausbruch des Coronavirus hielt Kaufhold einen Vortrag an der Universität Osaka, dessen Verschriftlichung dieser Beitrag ist. Kaufhold hebt mit dem Sars-Ausbruch in China 2002 sowie mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers 2008 an. Sie fragt sich, wie die Gesellschaft global sowohl mit bloß erwarteten als auch mit tatsächlich eingetretenen „Schmetterlingseffekten“ solcher Ereignisse umgehen kann.

Ihre Antwort ist ein Kontrollorgan Orwell’scher Prägung – jenseits von Staat und Wirtschaft. Diese Antwort schockiert. Kaufhold schreibt: „Eine Systemaufsicht ist mithin weder Staats- noch Wirtschaftsaufsicht, sie ist weder Fremd- noch Selbstkontrolle. Sie tritt viel mehr als eigenständige Grundform der Aufsicht neben die tradierten Kategorien. Der Gesetzgeber sollte sich dieser neuen Aufsichtsform bedienen, wenn er systemische Risiken abwehren möchte!“ Auf Seite 63 des Aufsatzes nennt Kaufhold dies wörtlich eine „neue Kontrollform“.

Angriff auf die demokratische Grundordnung

Wenn es um weltweit abzufangende Risiken geht, dürfte klar sein, dass dies Nationalstaaten oder Gebilde wie die EU alleine nicht in den Griff bekommen. Die gesamtgesellschaftliche „Systemaufsicht“, die Kaufhold hier visioniert, müsste also eine weltweite sein. Das hieße nun aber, dass Nationalstaaten und supranationale Gebilde wie die EU Kompetenzen abtreten müssten, weil die „Systemaufsicht“ noch mal über diesen steht. Diese weltweite „Systemaufsicht“ hätte die Macht, Freiheitsrechte und damit auch Rechte auf Entfaltung der Individuen zu beschränken. Kaufhold beschreibt nicht, wie diese weltweite neue Kontrollform demokratisch legitimiert werden soll (die Begriffe „demokratisch“ und „legitimiert“ kommen in ihrem 21 Seiten umfassenden Text exakt nullmal vor). Damit liegt aus meiner Sicht ein Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung vor.

Man stelle sich vor, es würde wieder eine Pandemie ausbrechen. Kaufholds globale „Systemaufsicht“ könnte nun verfügen, dass wir uns nicht mehr in sozialen Gruppen in der Frischluft aufhalten dürfen. Wer kann solche Anordnungen exekutieren und Verstöße sanktionieren? Und wer soll diese Super-Behörde bezahlen? Natürlich der (nationale!) Steuerzahler. Kaufhold schreibt: „Rechtlich unproblematisch möglich ist natürlich eine Steuerfinanzierung (…).“

In dem gesamten Aufsatz von Kaufhold tritt ihre Vorliebe für totalitaristische Letztinstanzen offen zutage. Es wäre dann nur noch ein kleiner Schritt und diese „Systemaufsicht“ könnte auch verfügen, wie wir zu schreiben und zu denken haben.

Becks Klassiker liefert das wissenschaftliche Fundament

Ein bekannter Rechtswissenschaftler hat den Aufsatz Kaufholds gelesen und kommentiert ihn so: „Die Ausführungen Kaufholds klingen bedrohlich und stehen möglicherweise in einem diametralen Gegensatz zu zentralen Grundsätzen liberaler Demokratien. ‚Aufsicht‘ bedeutet hoheitlichen Vorrang gegenüber Individualrechten und bedarf damit stets einer spezifischen Rechtfertigung. Die Einführung genereller, unbestimmter Aufsichts- und Interventionsrechte ruft Assoziationen zu Orwell wach. Wie schon Ludwig von Mises gezeigt hat, ist ein solches dirigistisches Gesellschaftsmodell gegenüber einem individualrechtsorientierten, marktbasierten Modell schon auf der Effizienzebene unterlegen, da es die Verfügbarkeit von Informationen auf zentraler Ebene voraussetzt, die in der Realität aber nicht vorliegen. Ein solches Modell lässt nicht nur grundlegende nationalökonomische Kenntnisse vermissen, sondern mutet elitär-bevormundend an und muss grundlegende Fragen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit aufwerfen.“

Es ist löblich, dass sich auch die Rechtswissenschaft Gedanken darüber macht, wie man mit der Emergenz neuer globaler Risiken am besten umgehen soll. Ulrich Becks Klassiker „Risikogesellschaft“ lieferte 1986 das wissenschaftliche Fundament dafür, und seit Finanzkrisen, Corona-Krise und den neuen Kriegsschauplätzen in der Ukraine und im Nahen Osten stellen sich tatsächlich Fragen nach einem globalen „Frühwarnsystem“. Die Antwort Kaufholds lässt allerdings einmal mehr ihre Vorliebe für autoritäre, dirigistische Institutionen, für Kontroll- und Überwachungsbehörden ohne demokratische Legitimation durchscheinen. Hier würde jemand nach Karlsruhe gehen, der eine Orwell’sche Aufsicht installieren möchte, in der dann auch eine CDU wahrscheinlich nichts mehr zu sagen hätte. Das muss verhindert werden.

Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Er erschien zuerst auf www.berliner-zeitung.de

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Stefan Weber ist Kommunikationswissenschaftler und Privatdozent an der Universität Wien. In den Medien ist er als „Plagiatsjäger“ bekannt. Er war es, der Frauke Brosius-Gersdorf den Vorwurf gemacht hat, sie habe möglicherweise ihren Mann Hubertus Gersdorf Teile ihrer Doktorarbeit verfassen lassen.

Bild: Screenshot Youtube

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