Der Bayerische Rundfunk (BR) hatte schon vor Jahren in einer Sondersendung anlässlich des 77. Jahrestages an die Einführung des Schriftleitergesetzes erinnert.
Dieses Gesetz stellte klar, wie Journalismus in Deutschland zukünftig zu funktionieren habe. Dieser 4. Oktober 1933 war von keinem Paukenschlag, von keinem großen Entsetzen begleitet. Nach einer langen Reihe von Demütigungen, Diffamierungen und Verfolgungen blieb nur noch die Selbstdisziplinierung des journalistischen, bürgerlichen Lagers übrig. Alle anderen Kollegen waren schon entfernt oder auf Linie gebracht worden, Journalisten hießen jetzt offiziell „Schriftleiter“.
Der BR schrieb dazu:
„Linke Parteizeitungen waren zugunsten nationalsozialistischer Verlage enteignet worden, ihre Redakteure lebten im Exil oder vegetierten im KZ, und nun sollte mit dem Schriftleitergesetz auch die bürgerliche Presse auf Linie gebracht werden.“
Die Aufgabe war klar definiert: Es ging einzig darum, im Volk die Weltanschauung der Herrschenden zu verbreiten und fest zu verankern. Der BR fällt über diese düstere Zeit ein eindeutiges Urteil:
„Die deutsche Presse, früher die größte und vielfältigste unter allen Industrienationen, war zum Befehlsempfänger und Erfüllungsgehilfen der Nationalsozialisten herabgesunken: auf Gedeih und Verderb einem ehemaligen arbeitslosen Germanisten namens Joseph Goebbels ausgeliefert, dessen pathetisch-exaltierte Schreibübungen bei renommierten Redaktionen in den zwanziger Jahren regelmäßig im Papierkorb gelandet waren.
Die Bundeszentrale für politische Bildung nahm sich 2018 der Zahlen an und zählte etwa 1300 Journalisten, die damals ihre Arbeit verloren. Überwiegend handelte es sich dabei um „marxistische“ und jüdische Redakteure.
Die Bundeszentrale schreibt dazu:
„Schon bald nachdem die Regierung des am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannten Adolf Hitler ins Amt gekommen war, begannen die Nationalsozialisten mit ihrer Politik der „Gleichschaltung“ von Vereinen, Verbänden und Institutionen. Ziel war es, das gesamte gesellschaftliche Leben unter Kontrolle zu bringen. Das galt auch für die Medien.“
Ein weiterer Kommentar des Propagandaministers zum Schriftleitergesetz ist überliefert:
„Die geistigen Kräfte des deutschen Journalismus, die sich zu einem Ja verpflichten, können der wärmsten ideellen und materiellen Unterstützung der Regierung gewiss sein.“
Das nahe Ausland kommentierte damals ebenfalls die Entwicklung in Deutschland. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb:
„Infolgedessen wird die Aufgabe der Presse von Grund aus verändert. Sie besteht wesentlich darin, nicht mehr zu diskutieren, sondern zu interpretieren und die Entschlüsse der Regierung mit den Argumenten unterbauen zu helfen, die sie beizubringen vermag.“
Die taz zitierte Josef Goebbels zum 90. Jahrestag des Gesetzes:
„Die nationale Revolution wird nicht eher zum Stillstand kommen, als bis sie das ganze deutsche Gemeinschaftsleben überflutet und bis in die letzte Faser durchtränkt hat. (…) Jeder Widerstand aber würde schon im Beginn gebrochen werden.“
Viele entfernte, vertriebene und ermordete Journalistenkollegen bleiben namenlos. Stellvertretend für alle Verfolgten soll hier auf das Schicksal des Journalisten und Verlegers Fritz Gerlich kurz aufmerksam gemacht werden: Geboren 1883 in Stettin. Ermordet 1934 im KZ Dachau.
Am 9. März 1933 wurde Gerlich in Redaktionsräumen von einem SA-Trupp überfallen und gefoltert. Später sprang ihm im Münchner Polizeipräsidium ein SA-Mann mit voller Wucht auf seine Hände. Gerlich sollte nie wieder schreiben können. In einer weiteren Nacht wurde er von zwei SA-Angehörigen schwer misshandelt.
Im KZ Dachau war der Journalist nur wenige Minuten. Er wurde unter dem Kommando eines SS-Sturmführers sofort an die Wand gestellt und erschossen.
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