Manchmal hat der deutsche Staat ein erschreckend langes Gedächtnis. Zum Beispiel, wenn man es im Mai 2021 wagt, auf eine Demo gegen die Corona-Politik zu gehen. Nicht randalieren. Nicht angreifen. Nur da sein – als Zeichen des Widerspruchs. So dachte es sich wohl auch eine 59-jährige Frau aus Tuttlingen.
Doch diese Demo war nicht angemeldet, das Gesicht war geschminkt oder vermummt, in der Hand eine brennende Fackel. Es kam zu einem Polizeieinsatz, zu Rangeleien, am Ende wurde die Gruppe eingekesselt. Der Vorwurf: Landfriedensbruch, Vermummung, Führen einer Waffe – gemeint war die Fackel.
Vier Jahre später: Strafprozess vor dem Landgericht Rottweil. Es war nicht der erste. Die Frau war bereits zuvor vom Amtsgericht zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Sie legte Berufung ein. Das Urteil jetzt: 150 Tagessätze à 50 Euro – insgesamt 7.500 Euro Geldstrafe. Und ein Eintrag als „vorbestraft“ in das Strafregister. Rechtskräftig (siehe hier). Und der nächste Prozess gegen eine Mitdemonstrantin ist bereits angesetzt: Ende April wird das nächste Mal verhandelt.
Andere Länder haben ihre Corona-Politik längst aufgearbeitet. Oder es wenigstens versucht. In Großbritannien wurden 118.000 Bußgelder pauschal aufgehoben. In der Schweiz kippte das Bundesgericht die Strafen im Nachhinein. In Österreich bat der Kanzler öffentlich um Vergebung für „Verirrungen“ der Corona-Zeit. Und Deutschland?
Deutschland führt Strafprozesse.
Und während andere Parlamente Untersuchungskommissionen einsetzen, um ihre Corona-Politik zumindest im Nachhinein zu hinterfragen, tut Deutschland – was es am besten kann: verdrängen. Schon 2023 wurde im Gesundheitsausschuss des Bundestags ein Antrag auf öffentliche Anhörung zur Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen abgelehnt – mit den Stimmen der damaligen Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. CDU/CSU, Linke und BSW enthielten sich. Die FDP, damals noch im Parlament, sprach zwar gelegentlich von Aufarbeitung – stimmte aber dagegen oder ließ es laufen.
Und jetzt? Laut Medienberichten plant auch die neue große Koalition aus SPD und Union keine Corona-Aufarbeitung – nicht einmal symbolisch (siehe hier). Statt Rückblick, Analyse oder Entschuldigung gibt es Schweigen. Oder in Rottweil: Gerichtsurteile.
Das ergibt ein bemerkenswertes Bild:
- Der Staat verordnet die absurdesten Regeln – von Ausgangssperren bis zur Maskenpflicht im Freien –, die später selbst von regierungsnahen Experten als überzogen bezeichnet wurden.
- Statt sich zu entschuldigen oder die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, urteilen Gerichte noch Jahre später gnadenlos – und zwar nicht nur über Regelbrüche, sondern auch über den Protest dagegen.
- Und wenn man dann wissen will, ob das Ganze nicht doch vielleicht ein bisschen übergriffig war – winkt der Bundestag ab: weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen.
Verantwortlich gemacht wird nicht das System, das diese Übergriffe möglich machte – sondern die, die sie öffentlich infrage stellten.
Nicht Funktionäre, nicht Berater, nicht Beamte – sondern Bürger.
In einem gesunden Land würde man sie als Mahner ehren. Hier verurteilt man sie.
Fragen sind hier nicht nur angebracht – sie sind zwingend nötig. Etwa:
Warum gibt es eine unausgesprochene Generalamnestie für die politischen und medialen Verantwortlichen von damals – aber keine für jene, die dagegen auf die Straße gingen?
Und warum hat der deutsche Staat, der in Sachen Clan-Kriminalität und Messerdelikten regelmäßig auf Amnesie macht, ausgerechnet beim Thema Corona so ein Gedächtnis wie ein Elefant auf Koffein?
Die Antwort liegt auf der Hand.
Wer sich in der Pandemie dem System verweigerte, hat keine Gnade zu erwarten. Kein Vergessen. Kein Vergeben.
Corona mag vorbei sein – aber der Strafwille lebt. Es geht ums Prinzip. Wieder einmal. Und noch um mehr. Gehorsam. Auch völlig unsinnigen. Wer nicht brav stramm steht – auch vor den falschen Regeln – ist verdächtig.
Denn in Deutschland genügt es nicht, sich ans Gesetz zu halten. Man muss sich bekennen. Unterwerfen. Mitmarschieren – notfalls wider besseres Wissen. Wer ausschert, stört den Verwaltungsfrieden. Wer demonstriert, zerstört das amtliche Weltbild. Wer denkt, provoziert.
Und weil das nicht neu ist, sondern sich wiederholt, darf man die Frage stellen, die man in diesem Land lange nicht mehr stellen durfte:
Warum stehen nicht diejenigen vor Gericht, die all das angerichtet haben – sondern diejenigen, die es kritisiert haben?
Nicht die Mahner im Fernsehen, die Panikpolitiker, die Medienpanzer, die Modellrechner mit ihren Kurven des Schreckens.
Sondern die Widersprecher. Die Unangepassten. Die Zivilen. Die Mutigen.
In einem Land, das wirklich aus seiner Geschichte gelernt hätte, würde man sie heute ehren.
Hier verurteilt man sie.
Weil man die Mechanismen, die Deutschland einst ins Elend führten, bis heute nicht erkennen will.
Statt obrigkeitlichem Mitläufertum zu misstrauen, bekämpft man vor allem: die Farbe Braun.
Als sei die Geschichte ein Farbfleck – und kein Warnsystem.
Und solange offenbar Politiker, Beamte und Journalisten glauben, man müsse nur genügend Urteile sprechen – und nie damit aufhören –, um eine absurde Staats-, Behörden- und Justizwillkür nachträglich zu rechtfertigen, wird diese Geschichte kein Ende finden.
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