Dass die Welt in ein Zeitalter eingetreten ist, dessen Abgründe sogar die Phantasie der bekanntesten Dystopien übersteigt, zeigen die jüngsten Behauptungen dreier US-Wissenschaftler, den Glauben an „Verschwörungstheorien“ mittels Künstlicher Intelligenz therapiert zu haben. Ihrem Experiment lag die Hypothese zugrunde, „dass Interventionen, die auf faktischen, korrigierenden Informationen beruhen, einfach deshalb unwirksam erscheinen, weil es ihnen an ausreichender Tiefe und Personalisierung fehlt“. Um diese Annahme zu testen, habe man die Fortschritte bei großen Sprachmodellen (LLMs) genutzt, einer Form der künstlichen Intelligenz (KI), die Zugang zu riesigen Mengen an Informationen habe und in der Lage sei, „maßgeschneiderte Argumente zu generieren“. LLMs könnten so „bestimmte Beweise, die der Einzelne zur Untermauerung seiner konspirativen Überzeugungen anführt, direkt widerlegen“.
Zu diesem Zweck entwickelten die Forscher „eine Pipeline für die Durchführung verhaltenswissenschaftlicher Forschung, die personalisierte Echtzeit-Interaktionen zwischen den Versuchspersonen und der KI“ ermögliche. In zwei Experimenten hätten 2190 US-Amerikaner „in ihren eigenen Worten eine Verschwörungstheorie formuliert, an die sie glauben, sowie die Beweise, die ihrer Meinung nach diese Theorie unterstützen“. Danach nahmen sie an einer Konversation in drei Runden mit dem LLM GPT-4 Turbo teil, der aufgefordert wurde, „auf diese spezifischen Beweise einzugehen und dabei zu versuchen, den Glauben der Teilnehmer an die Verschwörungstheorie zu verringern (oder, als Kontrollbedingung, sich mit der KI über ein nicht verwandtes Thema zu unterhalten)“.
Duchgedrehte Verschwörungsjäger
Als Resultat ihrer Bemühungen, verkünden die drei Wissenschaftler, sei es gelungen, „den Glauben der Teilnehmer an ihre gewählte Verschwörungstheorie im Durchschnitt um 20 Prozent“ zu reduzieren. Der Effekt habe mindestens zwei Monate lang angehalten. Dabei sei eine ganze Bandbreite sogenannter „Verschwörungstheorien“ getestet worden, wie etwa Informationen zu Corona oder den US-Präsidentschaftswahlen 2020. Wenn jemand also online nach einer vermeintlichen „Verschwörungstheorie“ suche, liefere die KI „präzise Informationen“, die die Reaktion des Nutzers gezielt anregen sollen. Weiter solle die KI vermeintlich „verschwörungstheoretische Postings“ korrigieren – natürlich nur zum Besten alle Beteiligten.
Es ist geradezu gespenstisch, die Ausführungen solcher „Wissenschaftler“ zu lesen, denen offenbar jeder kritische Geist und damit die Grundvoraussetzung für ihren Beruf fehlt. Was überhaupt eindeutig als „Verschwörungstheorie“ definiert werden kann, ist in vielen Fällen gar nicht klar. Außerdem wird die KI von Menschen programmiert, die dabei zwangsläufig ihre eigenen Ansichten mit einfließen lassen, ob absichtlich und bewusst oder nicht. Somit garantiert auch KI keine absolut objektiven Ergebnisse, die immer über jeden Zweifel erhaben sind. In vielen Fragen gibt es auch gar keine klare Antwort, weil viele Hintergründe noch gar nicht bekannt sind. Doch das alles blenden die drei Verschwörungsjäger einfach aus und vermitteln den Eindruck, mit KI lasse sich die absolute Wahrheit feststellen. Diese Autoritätsgläubigkeit gegenüber einer Maschine ist geradezu lächerlich, aber auch gefährlich, weil die KI nun gezielt dazu eingesetzt werden soll, um das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, dass auch das Recht umfasst, den größten Unsinn zu vertreten, noch weiter einzuschränken. (TPL)
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Author: Kurschatten
Journalistenwatch