• 29. Dezember 2024

Ausnahmsweise (?) kein Betrug: Zur Sitzverteilung im neuen Sächsischen Landtag

ByJörg

Sep. 2, 2024

Es ist peinlich.
Es sieht nicht gut aus.
Es zeugt von Unprofessionalität, vor allem bei Leuten, die eigentlich nichts anderes zu tun haben.
Und dannoch ist es geschehen: Der Sächsische Landeswahlleiter hat eine falsche Sitzverteilung für das vorläufige Endergebnis der Landtagswahl in Sachsen veröffentlicht, eine, die er hier korrigiert hat.

Landeswahlleiter in Sachsen ist übrigens Martin Ritter, der gleichzeitig Präsident des Statistischen Landesamts in Kamenz ist.

Und natürlich ist das Ergebnis einer solchen Peinlichkeit Misstrauen, der Verdacht, hier werde ein Wahlergebnis manipuliert. Indes, auf Grundlage bekannter Stimmenzahlen für die einzelnen Parteien und auf Grundlage eines zugegebener Maßen absurd “komplexen” Wahlsystems, das Jean-André Sainte-Laguë, ein Professor der Mathematik aus Frankreich, der bereits 1950 verstorben ist, ersonnen hat, eine Sitzverteilung zu fälschen, so dumm sollte eigentlich niemand sein.

Indes, wie schon Lenin wusste, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Ergo haben wir nachgerechnet und die Gelegenheit genutzt, um die Sitzverteilung für drei weitere Verfahren zur Umrechnung von Stimmen in Sitze im Verhältniswahlrecht zu ermitteln.

Wie die Sachsen die Sitze in ihrem Landtag berechnen, das kann man in §6 des Wahlgesetzes des Landes nachlesen. Der Paragraph ist ein Beispiel dafür, dass man in Juristendeutsch Sachverhalte so verquast beschreiben kann, dass man selbst dann, wenn man vorher wusste, wie Sainte-Laguë berechnet haben will, es hinterher nicht mehr weiß und nochmal bei Jean-André nachlesen muss. Wie dem auch sei, wir haben das Wahlergebnis des gestrigen Tages für Sachsen für zwei Methoden nach Sainte-Laguë berechnet, den guten alten d’Hondt zur Anwendung gebracht und die in Ungnade gefallenen Hare-Niemeyer angewendet.

Das Ergebnis sieht so aus:

Pink hinterlegt haben wir das Verfahren, das in Sachsen zur Anwendung gekommen ist. Unser Ergebnis stimmt mit dem korrigierten Ergebnis des Landeswahlleiters überein. Es wurde also nicht betrogen. Was unsere Berechnung darüber hinaus zeigt ist, dass Sainte-Laguë mit seinem Verfahren kleinere Parteien begünstigt und größere bestraft… Wenn also jemand sauer sein könnte, dann die CDU…

Wie dem auch sei.

Kein Betrug.

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Wer sich für das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë interessiert: Es besteht im Wesentlichen darin, die Anzahl der Stimmen durch 0,5, 1,5, 2,5 bis 120[Anzahl der Sitze]-0,5 zu teilen, um dann den 120 höchsten Werten einen Sitz zuzuteilen. Das ist, wie man in der Pfalz sagt, iwwerzwärsch … genau das, was die deutschen Polit-Darsteller mögen… kommt damit doch der Hauch von Komplexität und mathematischer Kenntnis …

Die Daten in der Tabelle addieren sich auf 119 Sitze, also einen weniger als im Sächsischen Landtag Stühle für Hintern bereitstehen. Das hat seine Ursache in Matthias Berger, dem derzeitigen noch Oberbürgermeister von Grimma, der für die Freien Wähler das Direktmandat im Wahlkreis Leipziger Land 3 geholt hat, vor dem Kandidaten der AfD, Jörg Dornau. Da man nicht gleichzeitig Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneter sein kann, muss sich Berger für das eine oder andere entscheiden. Entscheidet er sich für sein Landtagsmandat und gibt den Posten des Oberbürgermeisters auf, dann zieht ein “AfD-naher” Bewerber in den Landtag ein. Entschließt er sich zum Verzicht, dann rückt automatisch Dornau als Direktkandidat nach und man muss die Sitze neu berechnen, was in allen Konstellationen von Berechnungsverfahren dazu führt, dass die CDU einen Sitz im Landtag mehr erhält.

Die AfD hat somit ein Interesse daran, dass Berger sein Landtagsmandat wahrnimmt …


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Author: Michael Klein
Michael Klein

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