Es ist wieder einmal Zeit, dass die Oberhirt:innen dieses Landes einen Mucks von sich geben. Denn die Kirche ist nicht erst seit gestern mit Vehemenz davon überzeugt, dass Moralpredigten auch abseits der sonntäglichen Kanzel gehalten werden sollten. So mahnt aktuell die EKD-Ratsvorsitzende Kehrs, dass die derzeitige Asyldebatte in eine falsche Richtung laufe. Und sie bezieht sich dabei neuerlich – welch Wunder – auf einige wichtige, geflügelte und hehre Vokabel, die in der heutigen Zeit allerdings durchaus das Potenzial besitzt, als Totschlagargument missbraucht zu werden.
Von Dennis Riehle
Die Nächstenliebe ist der Auftrag an jeden Christen, sich für ein menschliches Miteinander einzusetzen und im Gegenüber denjenigen zu sehen, der nicht nur Gottes Ebenbild ist, sondern auch das meinige. Doch wie weit reicht diese Mahnung – insbesondere auch im Kontext der Migrationsbewegungen im 21. Jahrhundert? Zweifelsohne ist die Agape, also die bedingungslose Annahme durch den Schöpfer, prinzipiell jedem von uns gewährt. Und sie kennt auch keine Grenzen. Was in diesem Kontext aber gerade von Grünen und Linken immer wieder vergessen und verdrängt wird, das ist der banale Umstand, dass sich die irdischen Gegebenheiten anders darstellen als die himmlischen. Nicht nur unsere Ressourcen und Kapazitäten sind endlich, sondern auch der geografische Raum, auf dem wir Asylbewerber unterbringen und sie eingliedern können.
Daher ist es eine völlig aberwitzige Argumentation, wir müssten unsere Herzen mindestens genauso weit öffnen wie unsere Scheunentore, durch die die ungezügelte Einwanderung von Personen erst praktisch und durch unsere Laxheit gar noch verstärkt wird. Was mit der verantwortungsvollen Preisgabe unseres Territoriums durch die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem in dieser Dimension bisher singulären Dammbruch in unserer Geschichte wurde, hat sich unter der Ampel auch deshalb beschleunigt, weil uns in der öffentlichen Wahrnehmung suggeriert werden soll, wir würden eine Verantwortung für den restlichen Globus tragen. Untermauert mit der Moralkeule der nationalsozialistischen Vergangenheit, wird der hiesigen Bevölkerung eine Haltung abgenötigt, die man im Zweifel auch mit der biblischen Humanität begründet. Doch wer sich einmal auf die Spurensuche in der Heiligen Schrift begibt, der wird bei einer kritischen Exegese der Verse wiederkehrend auf Stellen stoßen, die eine klare Differenzierung zwischen der unlimitierten Toleranz gegenüber allen Schicksalsgeplagten dieses Erdballs und einer verstandsmäßigen Unterstützung der tatsächlich Bedürftigen unternimmt. Denn es ist mitnichten so, dass uns der Glaube nahezu Unmögliches und Unsinniges abverlangt.
Immerhin war bereits der Evangelist Matthäus von Klugheit und Pragmatismus geleitet, der in Kapitel 22,37ff. LUT die ausdrückliche Bedingung formuliert: Wir können dem Anderen nur dann helfen, wenn auch wir selbst ausreichend versorgt und in die Lage versetzt sind, diakonischen Einsatz zu leisten. Wer sich finanziell, personell und ideell überfordert und die funktionierenden Strukturen damit aufs Spiel setzt, wird auf kurz oder lang niemandem mehr beistehen können. Solange wir unserer Immanenz nicht authentisch begegnen können und unseren eigenen Wert geringschätzen, sind sämtliche Bemühungen um die Gewährung von Schutz und Obdach gegenüber den immer öfter illegal zu uns Flüchtenden auf Sand gebaut. Was die Sogeffekte anrichten können, mit der die Progressiven und Pluralisten diesen Kontinent offenbaren, sehen wir angesichts des Scherbenhaufens eines gescheiterten Multikulturalismus. Statt eines friedlichen Zusammenlebens in Glückseligkeit bringt diese Mentalität maximale Aufwiegelung und sozialen Sprengstoff in unsere Gesellschaft. Schließlich ist keinem einzigen Hungerleidenden Genüge getan, wenn die Bundesrepublik in ihrer Schuldneurose die Utopie einer Gemeinschaft unterschiedlichster Gruppen zu verwirklichen versucht – und dabei langsam aber sicher wirtschaftlich, materiell und zivilisatorisch in die Knie geht.
Bereits von Genesis bis Numeri formuliert das göttliche Wort einen Nachrangigkeitssatz, wonach es ausdrücklich eine Form von Gnade darstellt, zunächst dem Ausgegrenzten, Benachteiligten und uns fremd Gewordenen innerhalb des eigenen Verbundes zu helfen – ehe man sich dem Auswärtigen aus aller Herren Länder zuwendet. Gerade das 1. Buch der Könige formuliert diese Rangordnung ausdrücklich. Es gibt also tatsächlich eine Abstufung unter denjenigen, welche auf Beistand angewiesen sind. So ist es das Gleichnis des Barmherzigen Samariters, welches noch einmal ausdrücklich die Zulässigkeit von Schattierungen bestätigt. Opfern wir uns für alles auf, können wir den wahrhaftig Elenden und Verarmten nicht mehr gerecht werden. Diese Weitsicht sollte denjenigen bewusst sein, die einen Akt der Infinität als hehr und gütig betrachten – ohne sich die logische Konsequenz zu vergegenwärtigen, dass gerade die Würde von jenen Menschen mit Füßen getreten wird, die auf der Grundlage von geltenden Gesetzen und internationalen Konventionen einen nachweisbaren, plausiblen und konkreten Verfolgungsgrund aufzeigen können, sich aber nicht gegen die durchsetzen, welche sich allein aus der Motivation für ein besseres Leben mit Ellenbogen nach vorne drängeln. Während also die bekannte Aufforderung „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ aus 3. Mose 19,18 LUT konkretisiert, bleibt Matthäus 5,44 LUT allgemein: „Liebet eure Feinde“.
Daher gilt ein Vorzug für den mir unmittelbar nebenstehenden Hilflosen – und für den „Fremden“, der im Alten Testament als ein zur Seite Gedrängter unserer Schar verstanden wird. Dem Auswärtigen – aus fernen Abschnitten Enstammenden -, „der nicht von deinem Volk (Israel) ist“ (wie es die Geschichten Salomos in Kapitel 8, Vers 41 LUT entsprechend artikulieren), „verkauft“ man etwas, während man dem Einheimischen gemäß 5. Mose 14,21 LUT etwas „gibt“. Und noch klarer werden die Worte aus Deuteronomium 17,15: „Nur aus der Mitte deiner Brüder darfst du einen König über dich einsetzen. Einen Ausländer darfst du nicht als König über dich einsetzen, weil er nicht dein Bruder ist“. Insofern ist es völlig an der Überlieferung vorbei, Weltenretter spielen zu wollen. Und so ließ sich auch der Philosoph Robert Spaemann in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 8. Januar 2019 wie folgt ein: „Uneingeschränkt kann die Hilfsbereitschaft sein, aber nicht die tatsächliche Hilfe. Es kann nicht unsere Pflicht sein, uneingeschränkt zu helfen, weil es nicht möglich ist. Wir können es nicht. Und wir sollten auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir unserer Hilfe Obergrenzen setzen. Zudem ist es so, dass, wenn es solche Grenzen gibt, man auswählen muss, wen man nimmt und wen nicht“.
Auch wenn man der CDU angesichts ihrer Politik in den vergangenen Legislaturperioden nur noch wenig Vertrauen schenken kann, so ist doch der Anwurf einigermaßen grotesk, die von ihr angestrebten Rückkehr zu Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung von Regeln sei nicht mit der christlichen Überzeugung vereinbar. Wer auf einem solchen Niveau diskutiert, zweckentfremdet das Menschenbild der Gleichheit und Ähnlichkeit aller Individuen für einen ideologischen Geisterfahrerkurs der Hingabe unserer nationalstaatlichen Integrität. Man wird keine gefestigten Handreichungen der Bibel finden, die das Irrationale einfordern – und die Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit ins Absurde treiben. Niemand sollte sich mit Verweis auf Ethik und Sittlichkeit von seinem Pfad abbringen lassen, für die Unversehrtheit unseres Landes, unserer Identität und unserer Ganzheit einzustehen. Okkupation muss sich kein Einzelner und keine Spezies bieten lassen. Die Zeiten von Buße und Sühne für die Verbrechen in der Historie sind vorbei – der Augenblick der Erhaltung unserer Souveränität ist gekommen.
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Author: Gast Autor
Journalistenwatch