Dr. Pürner ist Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Epidemiologe. Als Leiter eines Gesundheitsamtes wurde er vor vier Jahren entlassen, als er sich gegen die Corona-Strategie der Bayerischen Landesregierung ausgesprochen hatte. Heute sitzt er für das BSW im Europaparlament.
Die Deutschen suchen immer verzweifelter nach politischen Köpfen, denen sie eine Sanierung des Landes noch zutrauen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte anfangs vielen Hoffnungen gemacht. Dann kamen die Wahlerfolge in Ost-Deutschland und mit ihnen ein Gerangel um Koalitionen und ein Gezerre um Herrschaftsbeteiligung.
Kann der Quereinsteiger Dr. Pürner einer jener Fachleute sein, die das Land wieder auf die Füße stellen? Er ist einer der Hoffnungsträger in den Reihen des BSW.
Alexander-Wallasch.de spricht mit dem EU-Abgeordneten über in der Ukraine verschwundenes Geld und über einen Noch-Wirtschaftsminister, von dem Dr. Pürner glaubt, dass er unserer Demokratie im Wege steht. Im Gespräch mit Alexander Wallasch:
Was antworten Sie auf diese Despektierlichkeit: „Der Pürner ist ein Quertreiber, der soll erst einmal eine Grundausbildung in Parteisoldat machen. Partei heißt dienen. Ansonsten kann man auch Schlagersänger werden, wenn man Stimme hat.“
Da würde ich gerne erst mal wissen, wer denn so etwas sagt …
Ich habe es mir ausgedacht …
Soldaten gibt es beim Militär, nicht in der Partei. Mir ist vollkommen klar, dass da vielleicht manche irritiert sind, weil ich mehr oder weniger von null auf hundert als Abgeordneter ins Europaparlament eingezogen bin und nicht erst dieses typische, dienerische Leben innerhalb einer Partei geführt habe. Darauf hätte ich auch keine Lust gehabt.
Dass ich nun kein betreuter Abgeordneter sein werde, damit müssen die Leute leben. Ich trete an, weil ich ausreichende Fachkenntnisse und Menschenkenntnis mitbringe. Und ich traue mich, meinen Mund aufzumachen. Da kann man das eine oder andere Hindernis in der Partei überspringen – aber auch auf die Schnauze fliegen.
Hat sich die klassische Karriere des Politikers gewandelt?
Ich hoffe, dass das so ist. Denn dieses Hochdienen hat nichts mehr mit Fachlichkeit zu tun. Sondern nur noch mit Treue und Ergebenheit – man könnte auch sagen, dass man sich hochschleimen muss. Natürlich braucht es auch einen bestimmten Grad an Loyalität. Aber im Prinzip lenken Menschen in der Politik das Schicksal der Gesellschaft. Das tun sie, indem sie Gesetze einbringen und darüber entscheiden. Also sollten Politiker Sachverstand und Führungsqualitäten haben. Ihr Tun sollte zum Wohle der Gesellschaft ausgerichtet sein.
Das heißt, Sie können mit der Aufforderung „Deutschland dienen“ nichts anfangen?
„Deutschland dienen“ ist etwas ganz anderes. Eingangs haben Sie das in einem anderen Kontext gebracht. Sie sprachen von „in einer Partei dienen“. Deutschland diene ich, seitdem ich knapp 19 Jahre alt war, Soldat wurde und mich anschließend auch weiter verpflichtet habe, Soldat zu sein. Ich diene Deutschland seit vielen Jahren als Beamter und jetzt auch als Politiker. Aber Deutschland dienen heißt, der Gesellschaft zu Diensten sein, der Bevölkerung.
Den Deutschen oder der Bevölkerung?
Der Bevölkerung. Nicht-Deutsche klammere ich nicht aus. Ich diene der kompletten Bevölkerung in Deutschland, das ist mir eine Herzensangelegenheit. Man muss sich selbst unterordnen und für die Bevölkerung in Deutschland antreten. Besonders für die Belange der Schutzbedürftigen und Armen gilt es einzutreten.
Was haben Sie gemacht bei der Bundeswehr?
Ich habe beim Pionier-Bataillon 10 in Ingolstadt gedient.
Und die haben was gemacht?
Wir haben gelernt, Brücken über Gewässer zu bauen. Wir haben gelernt, wie man Brücken sprengt. Wir haben gelernt, große Gebiete zu verminen und die Minen auch wieder zu entschärfen. Das ist in groben Zügen das Handwerk der Pioniere – neben dem ganz normalen militärischen Handwerk. Ich habe dort auch den Panzerführerschein gemacht.
Ich frage auch deshalb nach, weil mir aufgefallen ist, dass Deutsche mit Militärerfahrung oft weniger kritisch gegenüber dem Krieg in der Ukraine auftreten. Eine einseitige Wahrnehmung?
Mir ist Krieg grundsätzlich zuwider. Als ich Soldat geworden bin, ging es darum, dass man Deutschland im Fall des Falles verteidigt. Dafür bin ich angetreten, das habe ich nie bereut, und das war meine feste und tiefe Überzeugung. Hier wollte ich auch für mein Land, also Deutschland, einstehen.
Nun hat sich die Lage geändert. Auch hinsichtlich der Auslandseinsätze. Da blickt man bald nicht mehr durch, für was, wo und für wen deutsche Soldaten eingesetzt werden. Oder auch das ganze militärische Material. Zu meiner Zeit waren die Dinge noch relativ einfach: Man wurde ausgebildet für die Verteidigung Deutschlands. Das war für mich vollkommen logisch und nachvollziehbar. Es war ein Fehler, die Wehrpflicht abzuschaffen. Man hätte das sicher anders gestalten können. Damals, als ich Soldat war, das war eine ganz andere Zeit. Ich war gerne Soldat.
Ich sehe bei Ihnen auf X immer noch den Anlass ihrer damaligen Amtsenthebung angeheftet. Wie sehr beschäftigen Sie diese Ereignisse bis heute?
Das jährt sich jetzt gerade zum vierten Mal. Es ist auf den Tag genau vier Jahre her, dass man mich meines Amtes enthoben hat. Und ja, die Erinnerungen daran sind immer noch schmerzhaft, weil ich in dieser Zeit einiges durchgemacht habe – auch die Monate und Jahre danach noch.
Ich kam seit dieser Enthebung überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Und ich musste feststellen, dass mir der Dienstherr, dem ich sehr lange gedient hatte – und für den ich gute Arbeit geleistet habe, die mir auch immer wieder bestätigt wurde –in den Rücken gefallen ist und mich fallengelassen hat. Das hätte ich niemals, aber wirklich niemals für möglich gehalten.
Die Enttäuschung ist immer noch da, dass mich auch Vorgesetzte, die ich um Hilfe gebeten habe, im Stich gelassen haben. Im Privaten sind viele Dinge passiert, die ich früher nie für möglich gehalten habe, also beispielsweise, dass man mich herabsetzt und beleidigt, sogar auch bedrohte. Deshalb habe ich Vorgesetzte um Hilfe gebeten, aber leider keinerlei Hilfe erfahren. Im Gegenteil. Wenn sich dieser Tag jährt, dann denke ich schon noch daran, und das werde ich auch nicht vergessen. Meine Amtsenthebung war eine private und berufliche Zäsur.
Jetzt sind Sie quasi kometenhaft EU-Abgeordneter geworden. Ist das für Sie eine Form von Genugtuung diesen Leuten gegenüber?
Nein, tatsächlich nicht. Könnte ich mir etwas wünschen, dann wäre mein Wunsch, dass alles wieder bei 2018/2019 wäre. Es ist als gewählter Parlamentarier für mich auf der einen Seite natürlich schön und aufregend, aber ich hätte gut und gerne darauf verzichten können. Ich hatte ja ein wirklich sehr schönes Leben. Meine Arbeit mochte ich sehr. Das war allseits bekannt. Damit wusste mein Dienstherr auch, wie er mich treffen kann.
Wenn Sie mich zurückfragen: Warum nicht gleich bis 1985 zurück, da war es auch spannend und wild. Aber dann wäre alles, was meine Frau betrifft, was meine Kinder betrifft, noch nicht passiert. Ich würde es nicht einmal zurückdrehen wollen, selbst wenn ich es könnte, allein aus Angst, zu verlieren, was ich nachher noch alles bekommen habe …
(Lacht) Damit meinte ich tatsächlich nur das Berufliche. Die letzten vier Jahre, die ich erlebt habe samt den menschlichen Enttäuschungen, die hätte ich mir lieber erspart. Da sind Dinge passiert, die kann man sich schlicht und ergreifend nicht vorstellen.
Die Familie hat Sie in dieser Situation erschüttert erlebt. Und sie jetzt miterlebt, wie erfolgreich Sie sich in Brüssel platziert haben. Das muss doch auch für die Familie eine freudige Genugtuung gewesen sein …
Auch nur zu einem gewissen Teil. Denn die kennen meine Gedanken dazu. Sie haben sich sicher gefreut, als der Einzug ins Parlament gelungen ist. Besonders meine Eltern waren sicher sehr stolz. Aber meine Familie kennt mich. Ich wollte nicht in die Öffentlichkeit gehen. Das sah meine Lebensplanung nicht vor. Und nochmal: Ich hatte wirklich ein schönes und erfülltes Leben. Aber vielleicht wollte es das Schicksal so. Also nehme ich diese Aufgabe mit ganzem Herzen an.
Jetzt sitzen sie in Brüssel – man kann sagen, im Herz der europäischen Politik – gleichzeitig stürzt zuhause die Welt ein, die Ampel ist geplatzt und Sie im entfernten Brüssel. Was wird denn nun aus Deutschland?
Ja, was wird aus Deutschland … (denkt nach) … Man kann oft gar nicht so schnell schauen, wie sich die Dinge überschlagen. Es ist verrückt, auch wenn man in Brüssel sitzt. Aber als Deutscher blicke ich weiter auf Deutschland, auch wenn ich Abgeordneter im EU-Parlament bin. Die aktuelle Situation sehe ich wirklich mit großer Sorge.
Ich bin froh, dass die Ampel nun geplatzt ist. Wundere mich aber, warum es nicht weitergeht. Für mich müsste Scholz sofort die Vertrauensfrage stellen. Die ganze Zeit überlege ich, warum er es nicht macht.
Wenn ich jetzt noch lesen und hören muss, dass die Bundeswahlleiterin sagt, sie sehe eine Wahl im Januar 2025 kritisch, weil wir angeblich nicht genügend Papier hätten oder es schwer sei, Papier aufzutreiben, um das Ganze auch zu organisieren, dann klingt das zu verrückt um wahr zu sein. Deutschland ist eine Bananenrepublik geworden. Hätte früher ein anderes Land so etwas gemacht, da wären wir doch über dieses unfähige Land lachend und kopfschüttelnd herumgerannt.
Das Grundgesetz regelt ganz klar, wie hier der Ablauf ist. Wenn der Bundestag aufgelöst wird, sind 60 Tage Zeit für eine Neuwahl. Es steht eben nicht im Grundgesetz, dass wenn Weihnachten oder Neujahr ist oder der Nikolaus kommt, dann dürfen es auch mal gerne 80 oder 90 Tage sein. Es steht auch nicht drin, die Bundeswahlleitung hat zu entscheiden, ob ausreichend Papier da ist und ob die Bundeswahlleitung den Zeithorizont kritisch sieht. Den Ablauf regelt unsere Verfassung.
Wenn Deutschland das nicht mehr hinbekommt, dann soll der Bundespräsident das Licht ausmachen, die Tür zusperren und den Schlüssel wegwerfen. Dann sind wir nämlich am Ende.
Es steht auch nicht darin, dass man diese 60 Tage zwingend ausreizen muss. Zunächst hatte die Bundeswahlleiterin nach dem Aus der Ampel übrigens gesagt, es sei kein Problem, und plötzlich ist doch eins?
Das ist in meinen Augen wieder einmal ein komplettes Versagen. Hat die Bundeswahlleiterin nicht mit vorgezogenen Wahlen gerechnet? Wenn dem so ist, dann ist sie in der falschen Position. Persönlich glaube ich, dass durch die Bundeswahlleiterin als Sprachrohr Olaf Scholz gesprochen hat.
Ist Olaf Scholz ein Narr, wie es Elon Musk auf X schrieb? Scholz wird immer undurchschaubarer. Ist das auch Ihr Eindruck?
Olaf Scholz kenne ich nicht persönlich und ich habe mich auch nicht mit der Person an sich beschäftigt. Das steht mir auch nicht zu. So einen Ausdruck würde ich nicht verwenden. Aber warum Olaf Scholz jetzt so handelt, wie er handelt, kann ich nicht nachvollziehen. Er ist Bundeskanzler, er hat eine Verantwortung, und er hat zu erkennen, dass wir uns in einer veritablen Regierungskrise befinden.
Das deutsche Volk möchte von dieser Bundesregierung nicht mehr regiert werden. Also muss er den Weg freimachen für Neuwahlen. Scholz hat katastrophal schlechte Ergebnisse. Die große Mehrheit will ihn ganz einfach nicht mehr. Jetzt will er mit seiner Minderheitsregierung noch versuchen, irgendwelche Dinge durchzuboxen. Dieses Verhalten finde ich schrecklich. Ich kann es selber nicht nachvollziehen, warum das so ist. Möglicherweise ist das der letzte dramaturgische Akt, oder er will das Amt einfach nicht loslassen. Auf was wartet Scholz noch? Bis Deutschland hirntot ist? Möchte der Kanzler die noch verbleibendenden Organe Deutschlands spenden?
Das wäre aber noch die schönere Erklärung. Es ist zu befürchten, dass es schlimmere Gründe gibt, warum man Neuwahlen hinauszögert. Und ich mache mir da schon Sorgen, dass noch mehr Geld in die Ukraine verschwindet. Es sieht danach aus, dass der Kanzler und sein Stellvertreter Habeck Deutschland platt machen möchten. Damit die sogenannte „Transformation“ besser und schneller gelingt.
Vor allem Herrn Habeck steht unsere Demokratie im Weg. Für ihn ist Demokratie und Meinungsfreiheit unnötiger Ballast auf dem Weg, seine Ideologie zu erreichen. Demokratie als Ballast, wer hätte das nach dem 2. Weltkrieg je gedacht. Zig Milliarden Euro haben wir im wahrsten Sinne des Wortes in der Ukraine verpulvert. Es wurde sehr viel Geld durch Anti-Corona-Maßnahmen verprasst. Wir sind finanziell völlig ruiniert. Auch wirtschaftlich. Mir macht das große Sorgen.
Ich bin manchmal wütend: Wir haben vor der Corona-Zeit an Samstagen und Sonntagen mit anderen Eltern zusammen die Schulen unserer Kinder gestrichen. Und es war ja nicht so, dass es uns etwa 2015 finanziell deutlich schlechter ging als heute, wo das Geld für die Ukraine und die Zuwanderung scheinbar mühelos locker gemacht wird bis hin zum versuchten aber jetzt vereitelten Notstand …
Natürlich überrascht mich das auch und macht mich wütend. Damit werden wir beide nicht allein sein. Das macht ganz viele Menschen in der Bevölkerung wütend. Wenn man früher gesagt hat, wir brauchen mehr Geld für die Schulen, für Kindergärten, für mehr Lehrer, für die ganzen sozialen Einrichtungen, für Krankenhäuser usw. dann wurde gesagt, dass wir kein Geld haben und sparen müssen.
Dann kommen Corona und der Krieg in der Ukraine und plötzlich wird Geld losgeeist, als gäbe es kein Morgen mehr – das ist wirklich brutal. Damals hätten wir ein wunderbares neues Gesundheitssystem schaffen können. Wir hätten zumindest den Grundstein dafür legen können. Wir hätten dafür sorgen können, dass Schulen und Kindergärten für unsere Kinder wieder hergerichtet werden. Wir hätten so gut in unsere Zukunft investieren können.
Natürlich hätten wir mehr Geld für die ärmeren und sozial benachteiligten Menschen gehabt, die es bei uns in Deutschland zweifellos gibt. Das wäre tatsächlich möglich gewesen. Deutschland könnte insgesamt sehr gut dastehen. Nun aber steht es schlecht um Deutschland. Deshalb verärgert es mich sehr, wenn ich sehe, wie viel Geld hinausgeblasen worden ist – und vielleicht noch weiter ausgegeben werden soll.
Danke für das Gespräch!
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Author:
Alexander Wallasch