• 29. September 2024

Achim Winter – Der bewegte Mann beim Kontrafunk

ByJörg

Sep 29, 2024

Der ZDF-Mann hat beim Schweizer Sender von Burkard Müller-Ulrich eine neue Heimat gefunden. Sein Format „Winters Woche“ ist mittlerweile ein Beststeller. Achim Winter im Interview mit Alexander-Wallasch.de:

„Winters Woche“ ist ein Bildformat im Kontrafunk Radio. Wie passt das zusammen?

Wenn ich nicht in irgendeine Linse reingucken kann, bin ich unglücklich. Und dann hat mir ein befreundeter Kollege gesagt, dass bei Kontrafunk Radio noch Zappelbilder fehlen. Die Zuhörer von Kontrafunk müssten doch auch was gucken können. Das habe ich dann mit dem Chef von Kontrafunk besprochen. Zu meiner Freude konnte Burkhard Müller-Ulrich der Idee etwas abgewinnen. Und so ist es zustande gekommen. Jetzt bin ich der Videokerl im Radiosender.

Habe ich das richtig einsortiert, dass Kontrafunk so eine Art deutsche Radio-Diaspora in der Schweiz ist?

Absolut. Wir haben ja angefangen, immer die Sonntagsrunde zu hören, weil wir einfach die Schnauze voll hatten, besonders vom Deutschlandfunk. Als dort die politische Hardcore-Propaganda jeden Tag anfing, da ging es dann los mit der Sonntagsrunde. Da hat Burkhard Müller gesagt: Wir müssen jetzt anfangen, für die Zeit danach ein Radio aufzubauen, das wieder normal und vernünftig ist, und das ist jetzt Kontrafunk. Das ist tatsächlich die Radio-Diaspora, so könnte man es nennen.

Nun machen Sie das alles nicht erst seit gestern …

Sehr viele Leute kennen mich aus den Öffentlichen-Rechtlichen. Manche denken nach wie vor, ich sei von dort. Ich habe also einen gewissen Vertrauensvorsprung bei diesen Leuten, die nicht die Linie von Kontrafunk teilen. Ich habe diese Video-Geschichte schon vor 25 Jahren gemacht. Jetzt muss ich aufpassen, dass der Tsunami mich nicht überrollt.

Sie haben aber auch eine Radiosendung bei Kontrafunk …

Ja, demnächst wird sogar noch mehr live gemacht. Bisher hatten wir eine Call-In-Sendung bei Kontrafunk. Die ist jetzt so erfolgreich, dass wir jeden Abend um 20 Uhr senden. Da freue ich mich sehr, dass ich dabei sein darf. Ich war bisher alle 14 Tage am Dienstagabend der Anruf-Onkel. Und jetzt gibt es jeden Abend diese Call-In-Formate. Die sind sogar noch politischer, noch aktueller und noch schärfer.

Beispiel Kneipenmeile: Eine Kneipe kann mehr Umsätze machen, wenn es weitere Kneipen gibt. „Nius“ beispielsweise macht mittlerweile auch schnelle Live-Formate. Davon unbeeindruckt sieht man bei Kontrafunk, dass die Formate immer mehr Hörer – in Ihrem Fall immer mehr Zuschauer – bekommen. Die Formate koexistieren und potenzieren sich offenbar gegenseitig …

Das glaube ich auch. Ich bin tendenziell ein ängstlicher Typ. Wenn Konkurrenz auftaucht, werde ich schnell nervös. Aber Sie haben wahrscheinlich Recht, Herr Wallasch, das ist tatsächlich so. Unsere Sendungen und unsere Medien haben einen starken therapeutischen Touch. Ich höre es jeden Tag auf der Straße: Danke, dass ihr da seid mit Kontrafunk, ich würde sonst verrückt werden.

Das heißt, die Zuhörer suchen sich hier eine Gruppe, die Leute suchen sich ihre Therapiestationen. Und je mehr Stationen am Start sind, desto besser tut es den Leuten. Aber man kann auch einfach den ganzen Tag bei Kontrafunk bleiben und Radio hören und sich alternativ informieren und sich nebenbei bestens unterhalten lassen. Aber prinzipiell ist es natürlich so, wie Sie sagen, mit dieser Kneipe. Wenn ich schon mal in der Kneipe bin, dann schaue ich auch mal in die Kneipe nebenan, noch besser, wenn die Lokale auch aufeinander verweisen, so wie wir beide es hier gerade tun (lacht). Wir sagen ja immer, bei denen war das, der hat das gesagt, das müsst ihr hören, das müsst ihr sehen.

Jetzt sind ja die Neuen Medien alles andere als der Ballermann. Kontrafunk ist eine rundum seriöse Institution. Wie holt man da überhaupt Jüngere ab? Wie wird Kontrafunk ein Sender für alle Altersgruppen?

Gar kein Problem. Denn das ist wirklich frappierend, was hier abgeht. Das haben ja die Parteien schon mitbekommen. Wir haben da beispielsweise einen jungen Social-Media-Spezialisten, der großartige Arbeit macht. Die Jüngeren sind nicht mehr automatisch so links, wie es viele fälschlicherweise noch annehmen möchten.
Es gibt ganz viele, die merken, dass ihnen die Butter vom Brot gezogen werden soll, dass diese Politik, die jetzt verfolgt wird, eben dafür sorgt, dass sie den Lebensstandard ihrer Eltern nicht mehr halten können. Und das merken die Jüngeren genau. Das merkt man in den Gymnasien zum Beispiel, wenn da Probeabstimmungen gemacht werden. Wie das hier passiert ist in der Schule meines Sohnes: Halleluja, da wäre die ach so böse AfD an der Regierung, wenn das durchgegangen wäre.

Kommen wir endlich zum Format „Winters Woche“. Damit sind Sie schnell durchgestartet und teilweise schon im sechsstelligen Bereich angekommen. Wenn ich jetzt den Begriff „Coming-Out ins Spiel bringe, wie geht’s Ihnen damit? Wir kennen uns schon seit Jahren. Sie haben viel für Tichy gemacht, aber oft mit Handbremse. Kontrafunk Fernsehen wirkt dagegen wie eine Befreiung, Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung … frisch, unverblümt und frei von der Leber weg. Was ist dazwischen passiert, vom behäbig wirkenden Wohnzimmertalk bei Tichy raus auf die Straße in Frankfurt und hin zu den Menschen, zu den Zuschauern, als Format-Booster gewissermaßen?

Das war für mich schwierig, weil ich ja im ZDF geschwommen bin. Und da musste ich mit einer tendenziell konservativen Sendung schon etwas aufpassen. Das brach mir weg, insofern, weil die internen Unterstützer dieses Formats beim ZDF eben einfach weg waren. Es waren plötzlich nur noch die übliche links-woke Szene unterwegs, und dann wurde das für mich schwierig.

Das hieß ja auch schon „Winters Woche“ …

Ja, das war auch Winter Woche, das war beim ZDF aber auch umstritten. Da habe ich nicht laufend gehört, wie schön das ist und wie geil das ist. Sondern das Feedback war nicht selten: Oh, oh, das mag ja nicht jeder … Mir wurde suggeriert, ich sei geduldet, und ich war auch nur geduldet. Aus dem Grund bin ich dann zu Tichys gegangen. Und da war dann immer die Spannung, oh Gott, was ich hier sage, wenn das beim ZDF rauskommt, wenn das bei den Mainstreammedien rauskommt. Ich war quasi acht Jahre auf Bluthochdruck. Und jetzt beim Kontrafunk ist es so, dass ich endlich Position beziehen kann. Für mich ist das eine große Erleichterung, endlich angekommen zu sein.

Das ist auch nichts mehr, was Sie neben der Fernseharbeit hobbymäßig als eine Art Charity-Unterstützung für einen Freund machen können, wie bei Tichys. Sondern es scheint wirklich Ihr Fulltime-Beruf geworden, der eine lebenserhaltende, vernünftige Honorierung benötigt. Sie haben sich bei Kontrafunk professionalisiert in einem Format, was Sie vorher so nebenbei haben durchlaufen lassen. Richtig zusammengefasst?

So ist das. Ich habe natürlich weitere Projekte. Ich bin ja freier Journalist. Aber sichtbar bin ich dankenswerterweise beim Kontrafunk. Und Gott sei Dank wird es im Gegensatz zu vielen anderen alternativen Medien auch angemessen honoriert.

Ich schaue regelmäßig und gern Winters Woche. Sonntags sogar als erstes. Vorhin habe ich zufällig mit dem Kolumnisten Toddn Kandziora telefoniert, dem es ebenso geht. Ich finde es auch toll, weil es eine gewisse Länge hat mit etwa zwölf Minuten. Genau das, was man sich gut zwischen Kirche und Sauerbraten anschauen kann. Es ist nicht zu wenig und nicht zu viel. Mein Eindruck: Es findet schon auch bei Ihnen eine gewisse Radikalisierung statt. Woran liegt das, oder ist das falsch gedeutet?

Das ist vollkommen richtig beobachtet. Ein Grund ist, wie ich sagte, dass ich bei diesem Medium nicht den Zeigefinger des abnehmenden Redakteurs fürchten muss, sondern bei Kontrafunk ist der freie Journalismus angesagt. Und wenn ich nicht wirklich strafbare Sachen sage, dann darf ich alles sagen. Sie werden lachen: Ich musste das regelrecht neu lernen, auf die Kacke hauen zu dürfen, wenn mir danach ist. Aber auf der anderen Seite ist die Entwicklung ja so irrsinnig. Ich habe vor kurzem zu einem Kollegen gesagt, wir sind jetzt in der Gummizelle (lacht).

Also sagen wir so: Die Entwicklungen sind so extrem, also vom demokratisch politischen Standpunkt aus gesehen – auch vom bürgerlichen politischen Standpunkt aus gesehen – die Entwicklungen sind so extrem, und wir werden so hanebüchen angelogen den ganzen Tag, dass man nur noch mit offenem Mund da sitzt. Und wenn man kommentieren darf, dann kommt alles mit Hochdruckgeschwindigkeit heraus. Eben genau so, wie es sich gehört für ein modernes Radio, dass in dieser Zeit seine Existenzberechtigung beweist.

Ich staune bei Winters Woche oft, wie stoisch Sie an manchen Stellen bleiben, wo andere schon in den Wahnsinn getrieben worden wären …

Es ist tatsächlich so, dass viele Menschen in einer anderen Welt zu leben scheinen. Hier gibt es ganz klar eine Zweiteilung. Es gibt die Entsetzten und es gibt die Zufriedenen. Die Zufriedenen sind erstaunt, dass so Typen wie ich überhaupt Kritik anbringen, wo doch die Welt so schön und so friedlich und so toll sein könnte, wenn einem nur nicht die bösen Kritiker in die Suppe spucken würden. Das heißt auf gut Deutsch, die Leute sind sehr zufrieden und ärgern sich über die Kritiker. Der Botschafter ist der Bösewicht und wird erschossen. Ich gehe damit um aus zwei Gründen: Ich will die Meinung der Leute höre. Ich will nicht mit ihnen diskutieren. Das heißt, wenn einer eine abseitige Meinung hat, dann kann es immer sein, dass er Recht hat.

Wie schwer ist es da, nicht sofort zu intervenieren. Man spürt direkt, wie sehr Sie sich da manches Mal auf die Zunge beißen müssen …

Da muss man sich auf die Zunge beißen und wissen, dass man nicht hier ist, um zu diskutieren. Aber sagen wir so: Ich arbeite meinen Bluthochdruck vorher ab, indem ich sage, was ich denke. Und das nimmt dann viel Spannung raus. Und es gibt mir Kraft, auch die anderen anzuhören. Wenn es jetzt so wäre wie im richtigen Leben, auf einer Party, dass man merkt, jetzt gibt’s gleich Krach, und ich kann gar nicht sagen, was ich will, dann wäre das schwieriger. Aber das habe ich ja schon abgearbeitet und dann sind meine Gesprächspartner auf der Straße dran.

Ich staune immer, wie offen, wie selbstbewusst und wie fröhlich Ihnen Frauen mit Migrationshintergrund begegnen, die eine harsche Kritik an unserer Bundesregierung üben und Ihnen das auch noch offen ins Gesicht sagen …

Es gibt da wirklich überraschende Begegnungen. Ich bin heute morgen von einer jungen Pädagogin gelobt worden in der U-Bahn. Ich hätte glatt zehntausend Euro gewettet, dass die links ist, und die hat mir da Honig ums Maul geschmiert. Da war ich auch sehr überrascht. Das Land ist zweigeteilt. Ganz viele sind im Sinne der Propaganda so drauf, dass sie sagen, wir müssen jetzt nur die Kritiker abwehren, und dann wird alles gut. Und dann gibt es diese moderne Zwischenszene; junge Leute, die aussehen wie Linke, es aber nicht mehr sind.

Wo sehen Sie sich in einem Jahr mit dem Format?

(Lacht) Wenn wir nicht alle ins Gefängnis kommen, dann expandiert es. Dieses Format mache ich hoffentlich weiter. Es ist ja auch jede Woche anstrengend genug, also das wird wahrscheinlich weiterlaufen. Und ich bin gern bereit, bei Kontrafunk noch weitere Sachen zu übernehmen. Ich sehe natürlich auch die Gefahren. Aber der Kontrafunk sendet gewissermaßen von der Schweiz aus, die hier durchaus zu einer Art Safe House geworden ist.

Danke für das Gespräch!

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Author:
Alexander Wallasch

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